Gibonni / 20th Century Man
20th Century Man Spielzeit: 45:17
Medium: CD
Label: Reflektor Music, 2013
Stil: Pop Rock

Review vom 05.08.2013


Wolfgang Giese
Genau gesagt haben wir es hier mit einem Künstler aus dem kroatischen Split zu tun, der eigentlich Zlatan Stipisic heißt. Geboren wurde er am 13. August 1968 und schuf sich in der Heimat einen Bekanntheitsgrad als Mitglied der Heavy Metal-Band Osmi Putnik, das war von 1985-1991. Seit diesem Zeitpunkt wandelt er auf sehr erfolgreichen Solopfaden, konnten sich doch in den letzten zehn Jahren fünf seiner Alben in den Top 10 seines Heimatlandes behaupten. Nun ist das erste englischsprachige Album auf dem Markt, offensichtlich mit Augenmerk auf die internationale Bühne.
Wer nun - angesichts der Vergangenheit des Musikers - ein Heavy Metal-Album erwartet, wird enttäuscht ob der gebotenen Musik sein. Rock geht schon klar, aber weniger Heavy, dafür mehr Pop und diesen bei einigen Titeln mit einer Menge Pathos angerührt. Müsste ich spontan nach einem vergleichbaren Künstler suchen, fiele mir gleich Zucchero ein, denn ein wenig tendiert die Musik in jene Richtung.
Beim Opener war ich stets am Überlegen, woran mich das erinnert... diese Einleitung mit der Violine, die so richtig nach Folklore klingt... und dann die plötzlich einsetzende Gitarre mit den harten Drums, dieser Übergang, diese Kombination, die Lust auf Mehr macht! Nach einigem Hin und Her hatte ich es dann: Was ich meinte, ist der erste Titel der Platte "Breizh-America" von Pat O'May. Ein ähnlicher Übergang zu heftigen Rocksounds war es dort, der mich einst begeisterte. Nur bei O'May waren es die Pipes, die den Song einleiteten.
Übrigens, das folkloristische Element bei Gibonni wird immer wieder durch die eingestreute Melodie aufgegriffen, untermalt von der Violine, dazu werden noch Streicherarrangements gelegt. Die nachfolgenden Titel werden dann sehr zurückgenommen im Druck. "Hide The Mirror" ist eine der Balladen der Platte, eine feine Rockballade übrigens, die auch Robert Plant gut hätte singen können. Allen Titeln ist die sehr ungewöhnliche Stimme des Protagonisten gemein; den Balkantouch im Englisch kann man darüber hinaus ebenfalls wahrnehmen. Alles zusammen gibt jedoch den ganz speziellen Ausdruck dieser Musik, die mit schönen Melodien punkten kann. Zu 'schön' und schon fast langweilig breiten sie sich dann mit dem dritten und vierten Song aus, weiterskippen könnte man zum Titelsong, der trocken abrockt, leider mit etwas Elektronik zu stark übermalt wird. Weniger Synthie wäre hier besser gewesen, dafür sind die Bläser recht passend eingesetzt. Leider auch keiner der besseren Songs ist es letztlich geworden. Und über die "Kids In Uniform" kann man sicherlich geteilter Meinung sein. Thematisch ein heißes Thema, steigert sich der Song allmählich und zählt für mich zu den interessanten Stücken der CD, emotional noch aufgewertet durch den Einsatz eines Kinderchores - die Kinder der 'British International School of Ljubljana'. Einige mögen den Song für überladen halten, ich halte ihn für sehr ausdrucksstark, wenngleich man noch ein wenig daran hätte feilen können, denn gelegentlich schleicht sich Leerlauf im Song ein.
Großes Pathos mit Ergriffenheitsfaktor auf "My Brother Cain" (»My brother Cain, your chair is empty«) - das ist Gefühlskino mit wabernden Keyboards. Viel Emotion, wie auf diesem Stück, wechselt sich mit Standardtiteln ab, bei denen die Songentwicklung vorhersehbar erscheint. Licht und Schatten wechseln ebenfalls, noch mehr Leidenschaft bei den leidenschaftlichen Titeln hätte eine ungeheuer druckvolle Musik entstehen lassen können. Manchmal nur wirken die Balladen etwas dick aufgetragen, ohne besonderes Profil, bei "She Said" etwa. "Nothing Changes" kann da bei mir mehr Pluspunkte sammeln, einfach weil das Arrangement etwas ausgefeilter ist. Diese Ballade halte ich für die gelungenste der Platte. Zum Schluss wird noch einmal gerockt, es dürfte jedoch schwierig sein, mit dieser Mischung ein internationales Publikum zu finden. Vielleicht sollte man bei einer möglichen nächsten Platte überlegen, ob man wirklich die vorwiegend ruhige Richtung beibehalten möchte, so dass ich für diesen Fall empfehle, sich an "Nothing Changes" zu orientieren... vielleicht noch eine Prise Prog Rock dazu, dann wäre es gut. Oder aber eine Orientierung an einer Einbeziehung typisch folkloristischer Elemente wie beim bei mir noch immer Gefallen findenden Eröffnungstitel, hiervon hätte ich im Laufe der Platte gehofft, mehr zu hören.

Und - als Tipp an Gibonni und Produzenten - ruhig mal in die oben von mir erwähnte Scheibe von Pat O'May hineinlauschen!
Line-up:
Gibonni (vocals, acoustic guitar - #7, backing vocals - #1,2,5-10)
Marko Ramljak (violin - #1,3,7,9, electric violin - #2,5,6, guitar - #1,3,4,6,8-10, acoustic guitar - #2, mandolin - #4,7, backing vocals - #3,7-9)
Gavin Goldberg (guitar - #1,2, acoustic guitar - #1)
Vlatko Stefanovski (guitar - #4,6)
Miro Lesic (guitar - #5,7, acoustic guitar - #8)
Patrick Murdoch (guitar - #5)
Maasey Kovacevic (keyboards - #1,5,6,8-10, piano - #2-10, Hammond - #2,4,10, backing vocals - #4)
Andy Wright (keyboards - #1-5,7, synth bass - #5)
Marko Reljanovic (bass)
Branimir Gazdik (drums)
Mark 'Snowboy' Cotgrove (percussions - #1,3,6)
David Daniels (cello - #2,9)
David Theodore (oboe - #3,8)
Barnaby Dickinson (trombone - #5,10)
Graham Flowers (trumpet - #5,10)
Andy Ross (saxophone - #5,10)
Richard Watkins (french horns - #3,6)
Martin Owen (french horns - #3,6)
Teo Brájcic (backing vocals - #2-9)
Anthea Clarke (backing vocals - #4,8,10)
Roachie (AKA Clinton Otten) (backing vocals -#4,8,10)
Hayley Sanderson (backing vocals - #2,7)
Miro Trgo (backing vocals - #7)
Marko Skugor (backing vocals - #7)
Tomislav Prcela (backing vocals - #7)
Children from British International School of Ljubljana (backing vocals - #6)
Sian Evans (backing vocals - #4,10)
Tracklist
01:Hey Crow (3:50)
02:Hide The Mirror (4:59)
03:Broken Finger (4:30)
04:My Cloud (5:25)
05:20th Century Man (3:58)
06:Kids In Uniform (4:35)
07:My Brother Cain (5:45)
08:She Said (3:25)
09:Nothing Changes (4:14)
10:Ain't Bad Enough For R'n'R (4:15)
(all songs and lyrics written by Gibonni)
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