Ginger gibt es heute Abend und auch jetzt, am herrlich sonnigen Nachmittag. In ein paar Stunden landet Ginger im Wok, aber jetzt dreht sich eine Silberscheibe der Schweizer im Player. "The Misty Glapf Sessions" heißt das Album und der Beginn zu "Hunting" macht eigentlich bereits alles klar: Was immer noch kommen mag - die funkige Wah Wah-Sequenz sowie die einsetzende Trompete haben mich nach Sekunden überzeugt. Überzeugt, dass alles, was in der nächsten knappen Stunde an meine Lauscher dringt, ebenfalls meinen Geschmack treffen wird.
Blasinstrumente im Rock, das Wah Wah-Pedal und Funk sind nämlich Zutaten meines Musikkosmos, die mich immer wieder begeistern. Kündigt sich dann eine Band an, die wie die vorliegenden Ginger in der Blues Rock-Ecke mit einer gehörigen Portion Jam beheimatet sind, wird es spannend.
»Unser Musizieren steht ganz im Sinne der Tradition der Jam-Bands aus Amerika«, sagen sie. Oder »Das selbe Set zwei Mal zu spielen, existiert nicht in unserer musikalischen Welt«. Herrje, das passt doch!
Liest man dann auch noch, woher ihre Einflüsse kommen, kann einem das Wasser im Mund zusammenlaufen, denn unter anderem sind da folgende benannt:
Cream, Gov't Mule, The Allman Brothers Band, Mahogany Rush, Led Zeppelin, Grateful Dead, Pink Floyd, Jimi Hendrix, SRV, Johnny Winter, Frumpy, TYA, Funkadelic, Rare Earth, Mahavishnu Orchestra, Miles Davis ... .
Eigentlich ist Ginger eine Live-Band (logisch) und doch (kein Fehler) setzten sie sich im letzten Jahr ins Studio, um ein paar Tracks aufzunehmen. Die Stücke eins bis fünf sind als Ergebnis auf vorliegendem Album zu genießen und vom Dancing Bear Festival (wo sonst?) stammen die Livetracks "Glapf" (mit Lyrics von John Philips und Bob Dylan), "Wind Of Dust" und "Riding On A Magic Carpet".
Gleich noch eine Band, bzw. ein Musiker der Gruppe, fällt mir auf Anhieb ein: Schorsch von Schluff Jull. Micha und Schorsch haben so ziemlich den gleichen Stil - sie untermalen die nach vorne rockende Saitenfraktion mit teils klarem, teils abgespactem Gebläse und legen sich wohltuend um die Gitarrensoli. Superstark, wie in "Hunting" die Gitarre aus dem einen und die Trompete aus dem anderen Speaker kommt. Da wurde anständige Arbeit geleistet. Ja, in "Letters" ist es wieder soweit. Würde man mir den Trompetenpart ohne die Vocals vorspielen, es gäbe nur einen, auf den ich tippen täte: Den Schorsch. Nun muss ich mir merken, dass es auch einen Micha gibt, der es schafft, zu rockigem Jam dieses dafür eher ungewohnte Instrument so genial einzusetzen. Laut Bio covern Ginger alte Klassiker, auch von Grateful Dead. Diese Versionen würde ich gerne einmal hören, denn wenn es auf "The Misty Glapf Sessions" auch an allen Ecken und Enden jammt, die eigenen Titel haben mit Dead-Songs wenig zu tun. Musikalisch zumindest, was aber den Spirit, die Darbietung, das Feeling angeht, schlagen sie in die gleiche Kerbe: Anfangen, losjammen und schauen, was draus wird: »... und das 'Nicht-Wissen-Was-Als-Nächstes-Kommt'«.
Bereits die live aufgenommenen Studiotracks gehen in diese Richtung und es ist erstaunlich, wie man bei einer Bluesnummer wie "Long Way From Home" aus dem Schema ausbricht und in einen Jam hinüber driftet. Getragen sorgen Bass und Schießbude für das Gerüst, an dem die Sechssaiter hinaufklettern und immer wilder zuschlagen. Gegen Ende der Nummer wippt das 'Gerüst' mit den Saiten, dass die Baustelle glüht. "Now I See" kracht bluesrockig mit den Gitarren von links, während rechts der Trommler für Drive sorgt und plötzlich sprintet die Ginger-Maschinerie aus dem Stand zur Höchstleistung. Die Gitarre jagt eine Gänsehaut nach der anderen auf meine Haut, die zweite Gitarre mischt sich ein. Geil, die Vorführung, wozu Stereo taugt, wie es links und rechts aus den Lautsprechern kracht. Immer auf einem groovenden Teppich, der einen mitnimmt, ob man nun will oder nicht.
Die drei Stücke vom 'Dancing Bear' zeigen nun, was live abgeht. Ja, das ist Musik, um vor der Stage vom passiven Zuhörer zum im Rhythmus schaukelnden Aktivisten zu werden. Rock, Break, leicht jazziger (die Trompete) Touch, Groove, unterschwellig funkige Züge ... . Keine stilistischen Grenzen, keine Barriere, das ist Jam at it's best. Erstaunlich, die Band gibt es erst seit etwas über einem Jahr und laut Waschzettel haben sie erst ca. 20 öffentliche Auftritte absolviert. Bei diesem geschlossenen und perfekt eingespielten Team muss daher alles stimmen und die musikalische Wellenlänge schwingt absolut phasengleich. Retro, wie es besser nicht sein könnte, hat einen Namen: "Winds Of Dust". Da steckt auch eine gehörige Portion Psychedelic mit drinnen. Nicht nur, weil Arie auch ins Mikro säuselt, der Geist von Bands wie Jefferson Airplane und anderen 'Haight-Ashbury'-Vergangenen lebt neu auf. Dargeboten von einer jungen Schweizer Band.
Harte Blues Rock-Riffs schlagen absolut passend, so als wäre das schon immer so gewesen in die psychedelische Aura, ohne sie auch nur ansatzweise zu beschädigen. Es stand ja eigentlich bereits nach den ersten Tönen des Openers fest, aber nun ist es bombenfest untermauert: Dieses Album bekommt einen Tipp, auch wenn es kleine vokalistische Schwächen bzw. Ausrutscher gibt. Das ist so was von wurscht, denn diese Musik ist keine hochglanzpolierte, sterile, bis auf's I-Tüpfelchen austarierte, sondern dass, was sie sein soll: Eine Musik, die den Hörer erreicht und ihn mitnimmt und ihm zeigt, wo die Gefühlsharke hängt. Jesses, was geht da gerade für ein wahnsinniger Blues Rock-Jam ab. Ekstatisch jagen sich zwei Gitarren, ein Bass und ein Schlagzeug durch die Minuten. "Riding On A Magic Carpet" heißt das Stück, welches mich emotional gerade so fasziniert. Auch meine bessere Hälfte, sonst eher klassischem Blues Rock, Stoner, Hard'n'Heavy und Metal zugeneigt, wippt anerkennend und mitgehend auf ihrem Sessel.
"The Misty Glapf Sessions" werden sehr oft bei uns laufen und ab heute ist Ginger nicht mehr nur eine Knolle für den Wok, sondern ein Bandname, den es zu merken sich lohnt.
Line-up:
Micha (vocals, guitar, trumpet)
Marc (guitars, vocals)
Arie (bass, vocals)
Ändu (drums)
Tracklist |
01:Hunting (5:06)
02:Ants (1:45)
03:Letters (7:17)
04:Long Way From Home (7:36)
05:Now I See (3:11)
06:Glapf (11:27)
07:Winds Of Dust (11:16)
08:Riding On A Magic Carpet (8:10)
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