Mit "Culture Of Ascent" legt das amerikanische Progrock-Sextett Glass Hammer nun nach zwei Jahren kreativer Pause sein zehntes Studiowerk vor.
Ein Fest also, das die seit 15 Jahren bestehende Combo aus Chattanooga, Tennessee um die beiden Multiinstrumentalisten Steve Babb und Fred Schendel auch entsprechend zu zelebrieren weiß.
Wenig zum feucht fröhlichen Feiern animiert dabei allerdings die konzeptionell erzählte Geschichte, die von Jon Krakauers Bestseller-Novelle "Into Thin Air" (deutsche Ausgabe: "In eisigen Höhen") inspiriert ist und musikalisch recht aufwendig umgesetzt wurde.
Krakauer schildert darin das dramatische Scheitern der legendären Mount Everest-Expedition von 1996, bei der er selbst nur knapp mit dem Leben davon gekommen ist.
Wer aber nun auf diesem Album musikalisch eine äußerst dramatische, düstere subtile Atmosphäre erwartet wird feststellen, dass die Protagonisten thematisch konstatieren, besser noch, mit solchem Metier etwas unbeholfen umgehen.
Anderseits muss man ihnen anrechnen, die Weite des Himalajas und die kühle Grazie der Achttausender Bergwelt glänzend eingefangen bzw. arrangiert zu haben. Das atmosphärische Ambiente der Geschichte bestätigt diese Annahme. Es gelang den Solisten und Musikern, die leicht melancholische Färbung kompositorisch beeindruckend und sehr klangintensiv herauszuarbeiten.
Dabei erklingen die klassisch komplexen Arrangements in einer einem Röntgenbild ähnelnden Klarheit und Transparenz.
Dieses tönende Werk kann man wohl gemach als ihr ambitioniertestes und mutigstes bezeichnen, wobei sie ihr großes musikalisches Vorbild, die britische Artrocklegende Yes fast durchgängig in den besten Nuancen erwachen lassen.
Mutigerweise starten Glass Hammer dann auch gleich mit einer sehr charmanten
Coverversion derselbigen ("South Side Of The Sky"), ohne dabei nur ansatzweise gelangweilt oder penetrant zu wirken.
Ihnen gelingt es hierbei, nicht zu kopieren, sondern sich gekonnt und mit Eleganz an die Stile angelehnt, durch das Repertoire zu musizieren.
Die Gitarrenarbeit, die schwelgenden Gesangsharmonien nebst den Kirchenorgel-Chorälen lassen den Zuhörer leicht erschaudern und diese Yes-Komposition geradezu materialisieren.
Als Krönung haben die Herren auch gleich Yes-Gesangskoryphäe Jon Anderson mit ins Studio eingeladen und lassen diesen mit geisterhafter Stimme im Hintergrund mitwirken.
Übrigens fügen sich dessen Beiträge bei Track 1 und 3 wunderbar schmeichelnd bzw. völlig konform in das Konzept ein. Den Songs, in denen er dabei ist, verleiht er durch seinen schemenhaften Harmoniengesang einen fast spukhaften Reiz, dominiert bzw. übertüncht aber in keinem Moment die Vokalleistungen von Carl Groves und Susie Bogdanowicz.
Hoch anzurechnen ist natürlich auch dieser völlig uneigennützige Dienst von Jon Anderson, sein stimmliches Markenzeichen ohne jegliche Selbstdarstellung anzubieten.
Die Nordamerikaner spielen schon lange keinen Neo Prog mehr, dem sie noch auf ihren früheren Alben frönten, sondern einen modernen Prog Rock mit stark symphonischem Einschlag, Seite an Seite mit dem musikalischen Geist der 70er-Jahre-Proger.
Zum ersten Mal hat man das Gefühl, die Tastenfraktion hält sich dezent im Zaum, und überlässt den Streichern und den Saiten das Kommando. Der neu dazugekommene französische Gitarrist David Wallimann sorgt endlich dafür, das durchaus auch mal kräftiger in die Saiten gegriffen bzw. moderat gefrickelt wird, und zaubert so die rauen Momente in die Musik von Glass Hammer.
Auch Salem Hill-Frontmann Carl Groves setzt sich als Leadsänger engagiert bzw. energisch in Szene. Zusammen mit Susan Bogdanowicz bilden beide ein starkes Vokalduo.
Als superb muss man auch das druckvolle und virtuose Trommeln von Matt Mendians bezeichnen, welches mit Loops abgeschmeckt, dem Album einen modernen Anstrich verpasst.
Jedenfalls verleumden die Protagonisten den direkten und indirekten Einfluss der klassischen Yes nicht, sei es im Bassspiel, kompositorisch oder bei den Arrangements. Aber die sechs Songs des Albums sind mehr als eine Huldigung an die großen Vorbilder.
Die Longtracks wirken sehr stimmig. So ist das intensivste Stück, das 16-minütige, "Ember Without Name" die perfekte Essenz aus sensibler Kammermusik und kraftvoll gesundem Bombast.
Das ätherisch getränkte, vokalbetonte "Life By Light", bei welchen nochmals Jon Anderson dezent aushilft, sorgt für eine adoleszente Entspannung und harmonische Abwechslung.
Längster Song ist "Into Thin Air", der mit über 19 Minuten ein wahrhaftiger Symphonic-Gigant mit tollen Harmonien und intensiven Wechseln zwischen nachdenklicher Melancholie und stürmischer Inbrunst ist. Das Adonia String Trio (Rebecca James, Violine; Susan Hawkins, Violine; Rachel Hackenberger, Cello) als Gäste, tritt hierbei einmal mehr herausragend in Erscheinung und verleiht der Komposition die nötige Würze.
Allerdings benötigt man zum Erschließen dieser ausdauernden Stücke mehrfache Hördurchgänge, um ihre gesamte Schönheit und Werte zu entdecken.
Der Mut der Musiker, Grenzen auszuloten, sich auf Ausdrucksextreme einzulassen und diese in technischer Perfektion zu realisieren, muss man hierbei als außergewöhnlich gelten lassen.
Auch wenn dieses Meisterwerk stellenweise etwas überproduziert daherkommt, stellt es doch eine ziemliche Herausforderung an den Zuhörer dar, sprich - ist wohl mit Abstand das Komplexeste, welches Glass Hammer je veröffentlicht haben.
Mit Sicherheit haben die Herrschaften mit "Culture Of Ascent" kein wirklich leicht
verdauliches und kommerzielles Album hingelegt, wissen aber mit Schmackes bzw. instrumentalem Know-how durchaus einige magische Momente heraufzubeschwören.
Selbst der Coversong passt sich perfekt in das Gesamtkonzept ein, auch wenn man seitens der Band eine strategisch geschicktere Positionierung auf der Silberscheibe hätte wählen können.
Eins ist sicher: Dieses Jubiläumsalbum könnte zum Meilenstein des modernen Symphonic Progs avancieren.
Tracklist |
01:South Side Of The Sky
02:Sun Song
03:Life By Light
04:Ember Without Name
05:Into Thin Air
06:Rest
|
|
Externe Links:
|