Gletscher / Devout
Devout Spielzeit: 37:38
Medium: CD
Label: Eigenvertrieb, 2014
Stil: Rock

Review vom 19.02.2014


Holger Ott
Schwere Kost zum Frühstück und eine wirklich harte Nuss, die ich heute zu knacken habe. Gletscher aus der schönen Schweiz legen mit "Devout" ihr Debüt vor. Mir beschert damit das Trio gleichzeitig Kopfschmerzen und eine freudige Erregung, so unterschiedlich ist ihre Musik auf der acht Tracks umfassenden Promo-CD, die vor ein paar Wochen in der Redaktion landete. Im Moment offiziell nur als Download auf deren Webseite verfügbar, kann ich den gewillten Hörern nur empfehlen, zuerst die Anspieltipps durch den Äther laufen zu lassen, bevor die 10,00 Euro für den kompletten Download lockergemacht werden.
Damit soll aber nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass die Songs weniger gut sind, sie sind einfach nur extrem gewöhnungsbedürftig, da garantiert niemand mit dem Dargebrachten rechnet. Ich begebe mich nun auf eine Reise durch verschiedene Spektren des Art Rock, über Balladen zu Heavy und Progressive. Vielfältiger kann sich eine Band in achtunddreißig Minuten kaum präsentieren.
Sofern in den Werken Gesang von der aparten Joileah Conception geboten wird, so ist dieser in Schweizerdeutsch und somit für unsere Ohren schwer zu verstehen. Dadurch bereitet mir sogleich der Opener die bereits erwähnten Kopfschmerzen. Ein undefinierbarer Sprechgesang mischt sich mit ebenso undefinierbaren Gitarrenklängen und nach dreißig Sekunden bin ich kurz davor, mir das nicht weiter zu geben. Aber hätte ich den Off-Schalter betätigt, so wäre mir die anschließende freudige Erregung entgangen und wer will das schon.
Diese überkommt mich flugs im Titeltrack "Devout" und hebt sofort meine Stimmung. Da zeigen die Eidgenossen plötzlich, was wirklich in ihnen steckt. Schwerer, düsterer Rock dringt in meine Gehörgänge und selbst die bislang zarte Stimme der Sängerin, die ursprünglich aus Brooklyn stammt, passt sich diesem Ohrenschmaus an. Gut, ich gebe zu, dass die Musik anstrengend ist, aber irgendwas in mir sagt, die Band hat was auf dem Kasten. Ständig überlege ich, zu welcher Gelegenheit man diese Musik hören oder anderen Menschen vorspielen kann und mir fällt dazu nur eine düstere Kellerparty ein, bei der sich Leute treffen, die einen gewissen Hang zum Außergewöhnlichen haben. Es gefällt mir und ich kann mir durchaus vorstellen, diese Musik mehr als einmal im Jahr zu hören.
Weiter geht es erneut schwer und düster, allerdings mehr in den Progressive Rock-Bereich. Wieder ist es die Sprache, die mich etwas verwirrt, aber wenn ich dagegen die Musik auf die Waagschale werfe, dann kann ich nur sagen: Hut ab. Drummer Raphael Peter wirbelt nur so über sein Geschütz, dass einem der Atem stockt. Der gute Moog, bedient von Marc Ysenschmid, tut ein Übriges, um den Hörer in Klangdimensionen zu versetzen, wie sie mir aus den Siebzigern in Erinnerung sind. In bin begeistert, hoffe auf mehr und werde mit einem Instrumental gleicher Stilrichtung belohnt. Der Höhepunkt ist erreicht.
"Owl Man", Track fünf im Anschluss, ist dagegen wieder von der schwer verdaubaren Sorte. Zu abstrakt, zu viel Klanggewirr, man braucht Geduld und starke Nerven. Um den Balladenbereich abzudecken - wobei man nicht unbedingt von einer Ballade sprechen kann, eher von ruhigem Art Rock - wird "Empire" performt. Anfangs etwas sehr ruhig, entwickelt sich das Stück allerdings gegen Ende zu einem hochkarätigen Bombastepos. Statt aber nach gleicher Manier daran anzuschließen, folgt ein kapitaler Absturz. "Le Mal Dominant" besteht nur aus Moogklängen und ist für mich in diesem Moment so überflüssig wie nur irgendwas. Die Stimmung sinkt sofort auf den absoluten Tiefpunkt und wird mit dem abschließenden "Notfall" nur schwer wieder in Gang gebracht, obwohl das Stück erneut zu den besseren gehört. Wiederum brilliert es instrumental durch extrem viele Tempo- und Stilwechsel. Hier spielt sich das Trio Gletscher noch einmal durch alle Register.
Mein Fazit, wie schon erwähnt: erst hören, dann kaufen.
Line-up:
Joileah Conception (vocals, guitar)
Marc Ysenschmid (bass, moog taurus)
Raphael Peter (drums)
Tracklist
01:Eulenmann
02:Devout
03:Vessel
04:December
05:Owl Man
06:Empire
07:Le Mal Dominant
08:Notfall
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