The Boys are back in Town!!!
The Boys are back in Town???
Nein, ich meine nicht die derzeitige Restband von Thin Lizzy, auch nicht irgendwelche mehr oder minder halbseidene 'Tribut'-Projekte und schon gar nicht diverse Cover-Bands, die allesamt das Erbe Phil Lynotts 'pflegen' (womit nichts, aber auch gar nichts gegen die Vorgenannten gesagt sein soll!).
Ich spreche von Glyder, einer jungen Band aus Irland, die uns derzeit wärmstens empfohlen wird. Und die nicht nur auffällig (hauptsächlich) nach Lizzy klingt, sondern ganz offensichtlich auch so daraufhin getrimmt ist. Kein Wunder dahinter steht Chris Tsangarides als Produzent und Aufnahmechef, der nicht nur die legendären 'Boys' unter seinen Fittichen hatte, sondern auch Black Sabbath und Judas Priest. Und mehr als nur ein bisschen was von denen ist natürlich auch enthalten. Und wer darf dann beim 'Irish Stew' nicht fehlen - klaro, Kumpel Rory und 'Still got no Blues'- Gary! Das sind jedoch nicht die Einzigen, die original-nah 'interpretiert' werden. Die Band-Bio und die begeisterten 'Stimmen' auf der professionell gestylten Homepage lassen keinen Zweifel daran, dass die vier Jungs (drei davon knapp 20) in erster Linie jedoch heftigste TL-Epigonen sind, quasi schon mit Vollkontakt im Mutterleib.
Was da von der mir vorliegenden Promo-CD aus den Boxen knallt, ist bereits mit den ersten Takten so was gekonnt von Lizzy, dass der alte Fan schon recht verblüfft aufmerkt. Der Sound der großen Alben und auch die Songstrukturen sind mehr als nur ähnlich. Handwerklich ist da nix auszusetzen, ebenso wenig an der Aufnahme - da braucht man bei dem Macher wirklich nicht zu fragen. Selbst Tony Cullen (Gesang & Bass - wen wundert's …) klingt zeitweise wie ein jugendlicher Phil und seine beiden Gitarreros Bat Kinane und Pete Fisher bauen Riff auf Riff und Double Lead- an Twin Guitar. Drummer Davy Ryan ist alles andere als ein Streichler.
Die zehn Drei-Minuten-Songs sind reinrassiger Hard Rock, das geht schon ab wie die Sau. "Colour of Money", "Saving Face" und "Neutral Coloured Life" sind Lizzy at it's best. Bei "PUP" klingt nicht nur der Titel nach Wishbone Ash. Herrn Gallagher wird in "She's Got It" und Herrn Moore in "Die Or Dance" 'Tribut gezollt'.
Im Mittelteil geht's zeitgemäßer zu, "One For The Lost" kommt mit tiefergelegten Brettern gemäßigt aus der Metal-Werkstatt. Das ebenfalls im Midtempo-Bereich angesiedelte "Stargazer" mit angetackertem Riff und Background-Chor ist mein persönliches Highlight. Wenn das die eigentliche Richtung der Band (die sich vorher offensichtlich Hollywood in unterschiedlichen Schreibweisen nannte) darstellt, dann bräuchte es die ganze Heldenverehrung nicht. "You Won't Bring Me Down" gehört ebenfalls dazu, obwohl hier wieder genug bekannte Trademarks anderer Bands zu finden sind.
Glyder wird uns als Reinkarnation der 70er Jahre-Heroes aufgelegt, die uns die 'gute alte Zeit' wiederbringt und das weder 'neu interpretiert', noch zahnlos nachgekaut. Mit jungem Elan und der gezielten Strategie eines gewieften Business-Profis spielt die Band so, als wären die letzten 30 Jahre vergessen. Gut und clever.
Einfach zu gut, um nur Plagiatoren zu sein und hoffentlich nicht nur für den Zweck gecastet (oder geklont …). Die erste Frage ist aber, was will ich mit einer Band, die 85%ig so klingt und sich präsentiert wie ihre legendären Vorgänger? Hör ich mir da nicht lieber gleich die Originale an? Und die zweite, ob es Glyder, trotz des hoffentlich einsetzenden Erfolgs, dann auch schafft, aus diesem großen Schatten herauszutreten. Das Potential haben sie zweifelsohne, aber so ein Schatten kann auch schnell zum schwarzen Loch werden …
Wir werden hören.
Und noch ein schöner Gruß an die Plattenfirma: Auf dem Cover der Verkaufs-CDs die Tracklist mit der tatsächlichen Songfolge in Übereinstimmung bringen. Oder andersrum (Nr. 7 und 8 sind vertauscht, in unserer Auflistung allerdings in der richtigen Reihenfolge!)
Spielzeit: 36:36, Medium: CD, Bad Reputation/True Talent Records , 2006
1:Colour Of Money 2:PUP 3:She's Got It 4:Saving Face 5:One For The Lost 6: Stargazer 7:Taking Off 8:You Won't Bring Me Down 9:Die Or Dance 10:Neutral Coloured Life
Norbert Neugebauer, 28.05.2006
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