Golden Kanine / We Were Wrong, Right?
We Were Wrong, Right? Spielzeit: 48:57
Medium: CD
Label: Glitterhouse/Indigo, 2013
Stil: Indie Folk Rock

Review vom 30.10.2013


René Francke
Jede Modeerscheinung führt dazu, dass viele Menschen dem erfolgversprechenden Hypetrain aufspringen wollen und schlimmstenfalls als Trittbrettfahrer mitreisen. Gleichermaßen stampfen Musikriesen vielerorts junge Künstler aus dem Boden, die auch ein Stück vom ruhmverheißenden Kuchen abbekommen wollen. Manch einem gelingt das, andere zehren von den übriggebliebenen Krümeln, doch die meisten Nachahmer fressen Staub. Nicht anders verhält es sich beim Folk-/Indie Rock-Gebäck, das Bands wie Mumford & Sons oder Arcade Fire auf ihren ersten Platten in all seiner Süße zelebrierten. Auch dieser Festschmaus ist bei dem einen früher, bei dem anderen später aufgebraucht. Das jedoch hindert emsige Nachzügler nicht daran, weiter fleißig den übersättigten Markt mit ihren Produkten regelrecht zu überfluten, als hätten sie den Knall nicht gehört. Bis die gewinnsüchtige Musikindustrie aus ihrem Rausch erwacht, wie eine stumpfsinnige Karawane weiterzieht und hungrig nach der nächsten Trendwelle Ausschau hält.
Bei der Combo Golden Kanine aus Malmö handelt es sich anscheinend um solch besagte Kielwasserfahrer. Aufgrund ihres Herkunftslandes Schweden neigt man als bewusster Musikkonsument ja schnell zu der Annahme, dass auch diese Skandinavier nicht nur ihr Handwerk verstünden, sondern auch stets eine eigene Note mit einbrächten. Letzteres kann man allerdings von jener schwedischen Kapelle und ihrer neuen Platte nicht behaupten, deren wortspielerischer Titel "We Were Wrong, Right?" und schönes Album-Artwork noch die interessantesten Dinge daran sind.
Live soll das Sextett Golden Kanine ja durchaus mitreißend aufspielen. Mit dem vorliegenden Studiosilberling wird allerdings keine wirkliche Hochstimmung ausgelöst. Planlos und leicht unentschlossen treiben die sechs Musiker hier durch Genres wie Lo-Fi Rock über Folk und Country bis hin zum alles und nichtssagenden Indie Rock. Ein Output von drei Langspielplatten in vier Jahren mutet bemüht und kreativ an, doch das vorliegende Endresultat ist zu unbestimmt und klingt obendrein unglücklich und träge.
Schon das quengelnde "Prelude", das nach einer Minute direkt in den eigentlichen Opener "Flat Line" übergeht, baut mit seinen eintönigen Bläsersätzen und der larmoyanten Stimme des Sängers Linus Lindvall eine leicht düstere, aber insgesamt zaudernde Atmosphäre auf, die genauso wenig zündet wie die vorhersehbare Progression bei "Flat Line". Originell ist anders.
"Cruelty" ist die nächste vertonte Schlaftablette, die mich mit ihrer 'Uh-Uh'-Mehrstimmigkeit nicht nur zum Einschlafen einlädt, sondern mir auch noch Alpträume beschert. Gleichermaßen verhält es sich mit "Amends": Unmotiviert eintönige Bläsersätze paaren sich dort mit einem in der Schallkammer spielenden Saxophon. Sagte ich Musik zum Einschlafen? Nein, dann doch lieber ohne Musik einschlafen. Und auch das übermäßig lange Ausklingen einzelner Songs führt weniger zu Begeisterungs- denn zu Gähnstürmen.
"Madeleine" und "No Fun" sind dank einiger frischer Elemente wie treibenden Basslinien und farbiger Gitarrenlicks so etwas wie ein zaghafter Lichtstrahl am trüben Firmament dieser erdrückenden Deprimucke. Bei "Plans" zieht dann die Band das Tempo ein wenig an, doch auch hier herrscht die Vorliebe zur Tristesse. Äußerst schade, denn dadurch wird die anfängliche Beschwingtheit schon im Keim erstickt. Das müde "Crawling Back" ist für mich Aufforderung genug, fluchtartig ins kuschlige Bett zurückzukriechen und die Winterdecke über den Kopf zu ziehen. "Jennifer" hingegen sprudelt mit einem schwungvollen Beat und einem Gute-Laune-Hauptriff fast schon über vor Fröhlichkeit. Aber nur, bis die Bridge einsetzt.
Die optisch überaus sympathisch wirkenden Herren von Golden Kanine mögen mit ihrer Musik vielleicht die Herzen ortsansässiger Holzfäller mit Hang zur Sentimentalität und anderer Hinterwäldler erwärmen, mich lassen ihre schwermütigen Klänge eher kalt. Viele Instrumente von der klassischen Akustikgitarre über Mandoline, Banjo, Piano bis hin zu Bläsern wie Posaune und Saxophon sowie harmonische Mehrstimmigkeit sind noch lange keine Erfolgsgaranten. Dies hier ist eine der vielen tausend austauschbaren Folk-Country-Indie-Bands. Ihre Platte ist arm an ergreifenden Momenten und stimmt mich traurig. Mir rutscht sogar ein erleichternder Seufzer heraus, als das Album nach fast 49 Minuten zu Ende geht. Ich atme auf und freue mich auf die nächste Scheibe von Mumford & Sons, auch wenn deren Zenit womöglich schon hinter uns liegt. Besser als ihre Plagiatoren sind sie dennoch allemal.
Line-up:
Linus Lindvall (vocals, guitar, piano synth, mandolin, banjo)
Andreas Olrog (vocals, guitar, piano, percussion, drums)
Dante Ekfeldt (bass, backing vocals)
Per Nordborg (drums, percussion, backing vocals)
Gábor Bertholini (trumpet, flugelhorn)
László Bertholini (baritone, saxophone)

Micke Sahlin (drums - #4,5,8,10)
Ilse Lindvall Boström (trumpet - #11)
Tracklist
01:Prelude
02:Flat Line
03:Cruelty
04:Madeleine
05:Plans
06:No Fun
07:Crawling Back
08:Jennifer
09:Amends
10:Oh They Caught You Too
11:I Know I Had A Heart Once
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