Zu einem Hard Rock-Event der ganz besonderen Art sollte der Gig von Gotthard in Berlin werden. Nach dem tragischen Tod des Sängers Steve Lee vor zwei Jahren wurden die Schweizer als Band fast abgeschrieben. Aber eben so präzise wie ihre Uhrwerke haben die verbliebenen Mitglieder nicht aufgegeben und in Nic Maeder einen hervorragenden Nachfolger gefunden, der zudem noch als zusätzlicher Gitarrist fungiert. Also: All eyes on Nic und begutachten, wie er sich als neuer Frontmann macht.
Vorab sind allerdings erst einmal Unisonic an der Reihe. Als Supporter angekündigt, spielen sie aber so lange, dass sie eigentlich als zweiter Hauptact durchgehen. Ganze fünfundsechzig Minuten dauert ihre Show, die es von der ersten bis zur letzten Sekunde in sich hat. Für mich ist die Band bislang recht unbekannt und mir dämmert es nur bei deren Namensliste, in der Ex- Gotthard Mandy Meyer auftaucht und dort weiterhin die Gitarre zupft, ebenso wie sein Kollege Kai Hansen ( Helloween, Gamma Ray), der ja auch kein unbeschriebenes Blatt ist.
Der erste Block von Unisonic geht gleich richtig in die Vollen. Es wird gerockt, was das Zeug hält und die Headbanger-Fraktion kann sich schon einmal warmlaufen. Wie mir auffällt, sind viele Vertreter aus unserem Nachbarland Polen anwesend. Sänger Michael Kiske lässt es sich auch nicht nehmen von der Bühne in die vordere Reihe abzutauchen, um sogleich Fahne schwenkend das polnische Logo in die Höhe zu halten. Anschließend wird noch eine Monitorbox damit dekoriert und schon kommen sich alle vor, als wären sie nach Polen zum Konzert gereist.
Inzwischen ist die Stimmung in Hochform und langsam wird es Zeit, dass ein ruhiger Teil eingelegt wird. Zwei Balladen stehen in Folge an, die schön gefühlvoll vorgetragen werden. Leider hat dabei der Mixer zu sehr an den Reglern gedreht, denn als es im Anschluss wieder heftiger zur Sache geht, klingt der Sound etwas übersteuert und schmälert leicht den Hörgenuss. Der Bass dröhnt fortan nur noch. Trotzdem hauen Unisonic einen Kracher nach dem Anderen heraus. Inzwischen bin ich selbst sehr begeistert von deren toller Leistung, dass mir überhaupt nicht auffällt, wie lange sie bereits spielen. Auch optisch setzen die Fünf auf der Bühne immer wieder gute Akzente, sodass die Show nicht langweilig wird. Bis auf eine dezente Hintergrundbeleuchtung wird dabei völlig auf weitere Effekte verzichtet. Auch keine Nebelschwaden der Trockeneismaschine trüben den Blick auf die Akteure, die sich zu guter Letzt mit einem klasse Gitarren- und Drumsolo verabschieden. Unisonic sind für mich weit mehr als ein Geheimtipp und gehören in die obere Liga der deutschen Hard Rock-Bands. Ihre Show und natürlich ihre Musik haben mich völlig überzeugt und ich kann nur jedem empfehlen die Band im Auge und im Ohr zu behalten.
Nach zwanzig Minuten Umbau- und Verschnaufpause stehen Gotthard auf der Bühne des Huxley's in Berlin. Inzwischen hat die Band auf ihrer Firebirth World Tour bereits den halben Erdball umrundet und macht nun für einige Konzerte in Deutschland Station. Leider sind nicht so viele Fans wie erwartet in der Halle. Der obere Rang bleibt abgesperrt und somit leer. Hinten herrscht auch nur mäßiges Gedränge. Selbst mitten vor der Bühne, wo ich mich mit Kollege Michael Nürnberg, einem Neuanwärter als Mitarbeiter für RockTimes, aufhalte, gibt es kaum Geschiebe oder so. Rechts von uns ist ein Fanblock aus einer Damenriege platziert, die auch noch nicht in Euphorie ausbrechen. Alle lauern mehr oder weniger abwartend auf den neuen Sänger und der ist ein echter Charmebolzen. Ich kann mir einfach nicht helfen, aber er erinnert mich ungemein stark an Bon Jovi, als dieser noch jung war und seine Musik aus dem Herzen heraus gemacht hat. Nic Maeder ist ein Strahlemann. Optisch perfekt gestylt und ein Entertainer vor dem Herrn. Er sieht deutlich frischer aus als der Rest der Band und seine Stimme klingt einfach berauschend gut. Dazu klampft er sich durch eine Galerie von Gitarren, mal akustisch, mal elektrisch und zeigt, dass er auch dort ein Meister des Faches ist. Um es auf den Punkt zu bringen: Mit Maeder haben Gotthard sechs Richtige im Lotto gewonnen.
Dramatisch wird es, als Maeder, nur in Begleitung von Keyboarder und Tourmusiker Ernesto Ghezzi, die Hymne für Steve Lee singt. Nicht nur um mich herum und nicht nur bei den anwesenden Frauen rollen die Tränen. Natürlich hat Nic Maeder in diesen Moment eines schweren Stand, aber er meistert diesen traurigen Moment mit Bravour. Zum Glück findet dieses Gedenken bereits zum Anfang der Show statt und Gotthard können danach sofort wieder zu alter bzw. neuer Form zurückfinden. Die aktuelle CD steht dabei im Mittelpunkt. "Starlight" und "Remember It's Me" werden gespielt. Die gesamte Dekoration der Bühne, inklusive der Backline, ist dazu im Design der CD dekoriert. Die indirekte Beleuchtung der Verstärkertürme sorgt zudem für ein passendes Ambiente. Auch hier sind, wie bei Unisonic, keine Special Effects notwendig. Mit den wenigen Scheinwerfern wird die gesamte Stimmung ins rechte Licht gesetzt und die Musiker wissen sich stets genau zu platzieren, um gut
rüber zu kommen. Nur Gitarrist Freddy Scherer hält sich immer dezent zurück. Ganz rechts am Bühnenrand ist sein Platz und der ist fast immer im Halbdunkel. Trommler Hena Habegger kommt natürlich ebenso zu seinem Recht ein Solo zu präsentieren, wie sein Vorgänger von Unisonic. Seine Bassdrum hat die Optik eines großkalibrigen Lautsprechers, aus der auch wuchtige Töne schallen. Kaum ist seine Drumeinlage beendet, nähert sich das Konzert auch schon dem Ende. Die Band vergisst dabei auch nicht, woher sie ihre Einflüsse hat. Ihre Vorbilder Deep Purple werden gleich mehrfach zelebriert. Nachdem bereits in der Mitte der Show der Klassiker "Hush" gespielt wurde, kommt nun eine witzige Einlage, bei der Gitarrist Marc Lynn "Smoke On The Water" anstimmt, bis ihn Maeder in witziger Form darauf hinweist, dass dies ja der falsche Song wäre. Ein bisschen Spaß muss sein und bringt somit zusätzliche Stimmung ins Publikum.
Viel zu schnell sind die neunzig Minuten Gotthard vorbei. Gerade zwei Zugaben mit "Master Of Illusion" und "Lift It Up" werden gespielt. Schade, denn die Fans im Saal sind inzwischen wie im Rausch. Es hätte bitte noch eine halbe Stunde länger gehen können. Trotzdem war es ein fantastisches Konzert. Gotthard sind so gut wie selten zuvor. Im Einklang mit ihrer Supportband ist es ein gelungener Abend voller gediegener Hard Rock-Riffs und mit ihrem neuen Sänger können die Schweizer beruhigt in die Zukunft blicken.
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