Gov't Mule / 20.05.2016, Hamburg, Fabrik
Rocktimes Konzertbericht
Gov't Mule
Fabrik Hamburg
20. Mai 2016
Konzertbericht
Stil: Jam Rock


Artikel vom 31.05.2016


Michael Breuer
Gestern London - Heute Hamburg - Morgen? Alles möglich…
So geht mein jährliches 'Maultier'-Bestaunen für 2016 vorläufig zu Ende, dieses Mal nur mit zwei Konzerten, die es aber in sich hatten. London war schon wegen der Location ein Erlebnis und gerade dort kreuzten sich Erinnerungspfade aus meinem Leben wie in einem Flashback, eine ganz spezielle und emotionale Geschichte.
Speziell jedoch war Hamburg auch. Dass hier etwas Besonderes geschehen würde war mir eigentlich schon lange klar. Üblicherweise spielen Gov't Mule auf ihren Europatourneen ganz selten an den gleichen Standorten wie im Vorjahr. In der Fabrik schlugen sie nun zum vierten Mal in Folge auf, und es würde der letzte Gig der diesjährigen Tour durch Europa werden - das ließ ein besonderes Konzert erwarten. Und es wurde ein besonderes Konzert.
Zusammen mit den legendären Auftritten in Winterbach 2012 und Köln im letzten Jahr möchte ich das Hamburg-Event zu einem Top-Drei-Erlebnis meiner persönlichen 'Esels'-Erfahrungen einordnen. Gov't Mule gelten ohnehin in manchen Kreisen als die beste Live-Band in der internationalen Rockmusik. Doch wenn Warren Haynes ganz besonders gut in Stimmung gerät, dann fliegen die Sternschnuppen, dann wird es außerirdisch. In Hamburg, wie immer vor einem frenetisch mitgehenden Publikum, war er in einer solchen Stimmung, das kann ich Euch sagen. Nach dem entspannten Einstieg mit dem alten Joan Baez-Titel "Railroad Boy", den die 'Maultiere' 2009 für sich entdeckten, gab es Dröhnung pur mit "Mule" und "Rocking Horse". Spätestens jetzt war jedem klar, dass der Meister heute noch einmal alle Register ziehen will. Die Soli liefen wie ein gut geölter Motor, die harmonisch fließenden Spannungsbögen seiner Improvisationen trafen auf den Punkt und klangen wie aus einem Füllhorn für geniale Gitarrenmusik. Derart warm gespielt wurde nun gejamt bis der Arzt kommt - schon im ersten Set. Wow. Der Geist der Allmans umfing uns allendhalben und der Rhythmus trieb uns dicke Schweißperlen auf die Stirn. Still stehen, wenn's derart abgeht, wer kann das schon. Und wenn es "Soulshine" schon vor der Halbzeit gibt, dann macht das eine Menge Appetit auf mehr.
In der Pause rätselten wir über die auf uns wartenden Überraschungseier. An solchen Tagen kommen die Jungs immer wieder mit ganz besonderen Covern oder Versionen um die Ecke,
Pink Floyd oder Neil Young sind da immer heiße Tipps. Doch am Ende war es meine alte Jugendliebe Deep Purple, die eine Referenz des 'Esels' erfuhr, auch wenn "Hush" einst nicht von Blackmore und Co. ersonnen wurde [Der Songs ist das der Feder von Billy Joe Royal. Die Redaktion] . Es war aber unzweifelhaft ihr Hit. Der schweinemäßige Groove aus Dannys Schweineorgel und die Urmacht von Jorgens vier Saiten bildeten ein Fundament voller Power und Dynamik, auf dem sich der Meister trefflich austobte. Das geneigte Auditorium tobte mit, die Stimmung hatte den Höhepunkt erreicht. »Na nanana nanana nanana!«
Im Gegensatz zu London zelebrierte Matt heute wieder seine ungeheure Spielfreude in einem virtuosen Solo, heraus gewachsen aus der Rhythmus Explosion des genannten frühen Purple-Krachers. Mit den beiden Misters fand die Band dazu einen besonders fetzigen Abschluss, nämlich "Mr. High And Mighty" und "Mr.Big". 'Mister Softy' sind diese Nummern ganz bestimmt nicht, das dankbare Publikum nahm es mit Freude und entsprechenden Ovationen zur Kenntnis.
Am Ende in der Zugabe erfüllte sich mir ein lang gehegter Wunsch. In der Zugabe spielten sie endlich "Beautifully Broken", dieses wunderbare, sensible Meisterwerk, mein absolut liebster 'Maultier'-Titel. Und sie spielten ihn mit der unfassbar gefühlvollen Einleitung aus "When Doves Cry". So haben sie es nach Allen Woodys Tod auf "The Deepest End" seinerzeit getan und heute war es sicher auch eine Hommage an Prince. So oder so entwickelte die Band diesen wunderbaren Song an diesem Abend in einer unvergleichlichen Emotion und schuf so ein Kunstwerk für die Ewigkeit, eine Gänsehaut bis ans Ende meiner Tage. Die ultimative Version dieses Stücks. Großartig auch hier wieder das Publikum, andächtig und still in den fast verletzlich klingenden, ruhigen Passagen, ekstatisch mitgehend, wenn beim großen Solo die Post abgeht, voller Sensibilität beim Ausklang - ein würdiger Rahmen für 15 Minuten Rock-Geschichte. Gut, dass Gov't Mule auch diesen Augenblick in wieder verwendbaren Daten erfasst haben; sie schneiden bekanntlich all ihre Konzerte mit und auf diesen Soundtrack aus Hamburg freue ich mich jede Minute bis zum Download.
Mit "Yer Blues" wurde die Fabrik am Ende eingestampft, natürlich und sehr zum Glück nur metaphorisch, denn diese herrliche Location möge uns bitteschön erhalten bleiben. Doch so sehr wir auch grölten, klatschen, sangen - nach dem Song war Feierabend.
Warren Haynes, der Meister der großen Emotionen, der so wandlungsfähige Magier an Gitarre und Gesang hat es mit seiner kongenialen Kapelle wieder einmal gerichtet. Immer wenn Du glaubst, sie können unmöglich noch besser sein, dann zaubern sie wieder einen aus dem Hut. Auf den Vibes einer Band zu liegen - niemals ist mir die Bedeutung diese Phrase so deutlich geworden wie bei Gov't Mule. Schließ die Augen, lass Dich durchdringen von den Licks und Rhythmen und Du wirst verschmelzen mit dieser Musik zu einer sphärischen Einheit irgendwo im kosmischen Raum-Zeit-Gefüge. Die Menschheit braucht keine Esoterik, alles was sie braucht ist ein kleines bisschen Rock'n'Roll - und schon ist die Welt eine bessere. Gov't Mule, mein Leuchtturm fürs Leben, nichts und niemand ist wie sie.
Externer Link: