Gov't Mule
06.09.2005, E-Werk, Köln
Gov't Mule Government Mule, kurz Gov't Mule, sind sie nun spätestens seit ihrer ersten kurzen, aber triumphalen und ausverkauften Europatournee Mainstream oder nicht?
Sind sie wirklich das 'Flaggschiff' des sogenannten Jamrocks, der in den USA bereits seit Jahren in Gestalt der überaus erfolgreichen 'Bonnaroo' Music Sommerfestivalreihe neues Leben eingehaucht bekommen hat und wo Gov't Mule, mindestens aber deren Mastermind Warren Haynes, quasi Stammgäste sind?
Wie ist es zu bewerten, dass selbst die rührige Musikzeitschrift 'Good Times', konzipiert für alle Freunde der Musik der 60er und 70er Jahre (n' bisschen 80er ist auch dabei, mensch muss ja an den Nachwuchs denken!) nach der erwähnten Europatour über Gov't Mule erstmals einen ausführlichen Artikel brachte?
Für andere, sich selbst gerne im Underground sehende Postillen, sind Gov't Mule schon fast kein Thema mehr - zu kommerziell?
Und nun bat auch noch der 'WDR-Rockpalast' zu Tisch und zeichnete das Konzert von Gov't Mule am 06.09.2005 im Kölner 'E-Werk' komplett auf und gedenkt, selbiges in der Nacht vom 23.10. auf den 24.10.2005 in der Zeit von 01.00 Uhr bis 03.00 Uhr zu senden. Der Fachmann und die Fachfrau werden gleich stutzen und sich denken, hoppla, dann müssen die Fernsehleute ja einiges kürzen, aber immerhin, wer hätte das noch im letzten Jahr gedacht?
Also wirklich Mainstream, Mucke für jede(n) und für jede Gelegenheit und überall?
Das Aus für den kleinen aber feinen Zirkel von Leuten, die meinen, den guten Musikgeschmack für sich gepachtet zu haben?
Gov't Mule Gemach, gemach, dann hätte ja das Kölner 'E-Werk' restlos ausverkauft sein müssen, oder? War es aber nicht!
Obwohl, immerhin hatte sich der Ticketpreis quasi verdoppelt, ein Anzeichen für den (kommerziellen) Ausverkauf?
Wenn ich ehrlich sein soll, das alles ist mir vollkommen schnuppe, okay, bis auf den doch recht saftig erhöhten Eintrittspreis, solange diese Band so gnadenlos göttlich zusammen und überhaupt musiziert.
Dies tut sie nämlich nach wie vor auf einem irre hohen Niveau, was meiner Meinung nach jegliche Mainstream-Debatte ad absurdum führt. Wichtig ist doch wohl, was letztlich dabei rauskommt, oder?
Und das ist im Falle von Gov't Mule verdammt viel!
Gov't Mule Nicht nur, was die reine Spielzeit betrifft, wobei es diesbezüglich sicherlich schon längere Mule -Konzerte gab (ja, ja, eine dreistündige Sendung wollte der 'WDR' wohl nicht zugestehen), auch die Setlist variiert nach wie vor enorm und bietet ein Maß an Ungewissheit, wie ich es von keiner aktuell aktiven Band her kenne. Die einzige Konstante scheint der Haynsche Jungklassiker "Soulshine" zu sein, gefolgt von "Rocking Horse", inzwischen ja auch im Repertoire der Allman Brothers Band angekommen.
Mit "Band Man Walking", "Perfect Shelter", "Slackjaw Jezebel" und "Lola Leave Your Light On" befinden sich immerhin 4 Titel des aktuellen Albums Déjà Voodoo im Programm, Liveversionen von "Slackjaw Jezebel" und "Perfect Shelter" befinden sich zusätzlich auf der Bonus Disc der europäischen Ausgabe des aktuellen Gov't Mule - Werkes. Auf dieser finden sich auch Liverversionen von "Thorazine Shuffle" und "Beautifully Broken", beide in der Setlist von Köln. Und immerhin befinden sich 7 Titel von den bereits erwähnten im ersten Set des Mule -Konzerts. Das ist bestimmt kein Zufall, denn dieses erste Set zeigt eine vergleichsweise kompakte, sehr perfekt und abgeklärt aufspielende Band, ohne große Ausschweifungen oder abgedrehten Eskapaden, so dass der Verdacht nahe liegt, dass hier einerseits noch mal gründlich das aktuelle Album in seiner Europäischen Ausgabe promotet werden soll und andererseits an dieser Stelle bereits der Schwerpunkt der geplanten Fernsehübertragung stattfindet.
Gov't Mule Bei Gesprächen innerhalb der folgenden Pause kristallisiert sich heraus, dass doch viele der Meinung sind, dass die Band bis zu diesem Zeitpunkt mit gebremsten Schaum agiert, quasi mit angezogener Handbremse und zurückhaltenden Emotionen.
Dies soll sich im zweiten Set alles ändern, denn da entführen uns Warren Haynes und seine hochklassigen Mitstreiter auf Wolke Sieben des (Jam-Blues-Jazz-Southern)rockmusikalischen Himmels.
Der Autor dieser Zeilen verliert plötzlich jedweden Bezug zu Raum und Zeit und verschmilzt zu einer Einheit mit den Klängen, die da so scheinbar wirr durch die Gegend schwirren, in Wirklichkeit aber Punktlandungen einer einzigartig guten Band sind, die allen Ausschweifungen zum Trotz niemals die Rock 'n Roll - Bodenhaftung verliert, der alten Dame Rock 'n' Roll aber Facetten abgewinnt, wie es zur Zeit meiner Meinung nach keiner zweiten Band gelingt!
Gov't Mule Zwischendurch beweist Matt Abts einmal mehr, dass er neben John Hiseman von Colosseum der einzig aktive Drummer ist, der ungestraft ein mehrminütiges Drumsolo hinlegen darf, wo es keiner wagt, sich n' Bier zu holen oder auf Toilette zu gehen, denn hier könnte mensch wirklich verdammt viel verpassen.
Ich bin selber beileibe kein Drummer, aber was der Mann rhythmisch, technisch und was weiß ich veranstaltet, ist alleine das Eintrittsgeld wert!
Darüber hinaus dürfen Andy Hess am Bass und Danny Louis an den Tasten mehrmals vorführen, dass sie zu den Besten ihrer Zunft gehören, und das alles integriert in einen Gesamtsound, der einen geradezu fliegen lässt, auch ohne Dope, Pilze oder sonstige Hilfsmittel!
Gov't Mule Letztlich ist nach einer Zugabe viel zu früh Schluss, obwohl die Band netto knapp 2 ½ Stunden gespielt hat, und Warren Haynes steht wiedereinmal als Held verlorengeglaubten Rock 'n Roll - Gefühls da. Mehrfach zelebriert er das Peace-Zeichen, sein Gitarrenspiel erscheint mir, speziell im zweiten Set, geradezu überirdisch, denn er versteht es wie kein zweiter, innerhalb eines Songs Tempi und Strukturen zu verändern, für mich als Laien zunächst schwer nachvollziehbar, dann aber um so begeisternder!
Es bleibt noch zu erwähnen, dass mit einer wundervollen, weil sehr emotional und geschmackvoll vorgetragenen Version von "Many Rivers To Cross" lediglich eine Coverversion vorgetragen wurde (im Original von Jimmy Cliff und u.a. gecovert von Joe Cocker) und dass es sehr interessant zu beobachten war, wie bestimmte (musikalische) Schubladen ihre individuellen Anhänger hervorbringen, denn zeitgleich zum Mule -Konzert spielte die Post-Punkrockcombo The Offspring im 'Palladium', direkt gegenüber dem 'E-Werk', und während dort eine lange Schlange von jungen und junggeblieben Alternativ- und Anarchofreaks (ihr wisst schon, spezielle Shirts, abgerissene Hosen, wilde bis verstrubbelte 'Frisuren', eher kurz geschnitten und bunt) anstand, befanden sich vor und im 'E-Werk' eher mittelalte (Hippie)Freaks in bunten Batic- oder Konzertshirts, langen bis längsten Haaren, soweit noch vorhanden und diesem friedvollen Ausdruck im Gesicht, der mich persönlich immer an das Gute in der Zukunft denken lässt, genauso wie Gov't Mule!
Setlist
Bad Little Doggie
Bad Man Walking
Perfect Shelter
Slackjaw Jezebel
Gov't Mule Beautifully Broken
Thorazine Shuffle
Many Rivers To Cross
Rocking Horse
Soulshine
John The Relevator
Larger Than Life
Slow Happy Boys
Time To Confess
Blind Man In The Dark
Drum Solo
My Separate Reality
Thelonius Beck
Mule - I've Been Working - Mule Reprise
Encore Lola Leave Your Light On
Peace and stay tuned, Warren Heinz kündigte nämlich an, dass Gov't Mule wohl nächstes Jahr wieder good old Germany beehren werden. Lasst es euch nicht durch die Lappen gehen!
Wir danken dem 'Konzertbüro Schoneberg' für die freundliche Unterstützung.
Teil 1
Teil 2
Teil 3


Bilder vom Konzert
Gov't Mule    Gov't Mule    Gov't Mule
Gov't Mule, E-Werk, Köln, 06.09 2005
Olaf 'Olli' Oetken, 16.09.2005