Grünes Blatt / Thirteen Ways
Thirteen Ways Spielzeit: 64:37
Medium: CD
Label: Unit Records, 2012
Stil: Avantgarde


Review vom 10.12.2012


Wolfgang Giese
Eine Schweizer Band stellt sich mit dieser Veröffentlichung den neugierigen Ohren dieser Welt. Neugierig war ich schon, als ich las, dass sich hier Jazz und rumänische Volkslieder vereinigen sollten. Weil wenige von uns die Sprache verstehen dürften, gibt es im auffaltbaren Booklet die Texte in Deutsch.
Dieses Projekt ist eines des Bassisten Dominique Girod, der 1975 in Winterthur geboren wurde. Nicht nur als Musiker, sondern auch als Auftragskomponist war er bisher tätig. Begleitet wird er von weiteren Schweizern und der als Dreh- und Angelpunkt dieser Produktion agierenden Sängerin Irina Ungureanu aus Bukarest. Dort erblickte sie 1984 das Licht der Welt und ist somit das 'Nesthäkchen' der Formation. Nicht nur der Volksmusik ist sie zugeneigt, sondern auch der zeitgenössischen Musik und freier Improvisation mit der Stimme - eine schöne und klare, modulationsfähige Stimme hat sie! Diese Vorlieben vereinigt sie auf dieser Platte im Zusammenspiel mit den mehr jazzorientierten Kollegen. Doch ist es kein reiner Jazz, den man zu hören bekommt. Dafür sorgt unter anderem sicher auch der Gitarrist Vögeli, der oft weit außerhalb des Jazz angesiedelte Akzente setzt, was zum Beispiel auf dem zweiten Titel oder beim dritten Song, wenn er für rockende Klänge sorgt, zu hören ist.
Avantgarde wäre sicher eine passende Schublade für diese Musik, ansonsten kann man sie nicht eindeutig zuordnen. Aber auch scheinbare Punk-Einflüsse und Free Jazz lassen sich orten. Sind es Schreie oder ist es die Trompete auf "Mult ma-ntreaba frunza-ngusta"? Auf jeden Fall springt mir etwas Neuartiges entgegen, das ich auf diese Art und Weise bisher nicht kennenlernte. Das ist ein klarer Pluspunkt für diese Platte, weil man so wunderbar auf Entdeckungsreise gehen kann. Schwer beeindruckt mich die Eingangssequenz zu "Doina de Maria Lataretu" mit diesem drohnenhaften Keyboard, der dazu gespielten Violine und dem artikulationsstarkem Gesang. Das wäre noch eine Spielwiese für Kate Bush, vielleicht gar als Duettpartnerin?
Die Kompositionen stammen überwiegend aus der Folklore und die Band scheint sich den Raum zu nehmen, diese Titel auf sehr individuelle Weise auszugestalten. Gegensätze bilden ebenfalls eine Besonderheit dieser Musik, wenn ein Weihnachtslied (#7) auf unbequeme Klänge im "Interlude" trifft oder eine zittrige Slide-Gitarre auf "Haulita de la Gorj" mit hüpfendem Folklore-Rhythmus gepaart wird. Am meisten nach Jazz klingt vielleicht der letzte Song, der in Englisch gesungen wird und wo die Trompete eine führende Position einnimmt.
Musik der Extreme, polarisierend in sich selbst, aber unglaublich faszinierend und ich empfehle Folk- wie Jazzfans sich hieran zu 'wagen', es lohnt sich!
Line-up:
Irina Ungureanu (voice)
Matthias Spillmann (trumpet)
Vera Kappeler (piano, harmonium)
Urs Vögeli (guitar)
Nina Eleta (violin)
Dominique Girod (double bass)
Tracklist
01:Margine de Gând [Girod/Sorescu] (3:47)
02:Cine iubeste si lasa [trad.] (5:50)
03:Mult ma-ntreaba frunza-ngusta [trad.] (3:39)
04:Doina de Maria Lataretu [trad.] (4:49)
05:Horea frunzei verzi [trad.] (5:35)
06:Nu-l dau pe azi pentru mâine [Andries] (3:50)
07:Seven Variations Of A Christmas Song [trad./Girod] (5:17)
08:Interlude (3:35)
09:Rêve sans fin / ni trêve à rien [Girod/Beckett] (1:39)
10:Leagana-se frunza-n soare [trad.] (10:07)
11:Haulita de la Gorj [trad.] (4:15)
12:Postlude (4:29)
13:Thirteen Ways Of Looking At A Blackbird [Girod/Stevens] (7:46)
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