Endlich wieder in Berlin und auf Wunsch der Musiker in der Columbiahalle, die selbstverständlich binnen kürzester Zeit ausverkauft war, zieht Sandra Nasic mit ihren Apes wieder alle Register, um die Massen zum Toben zu bringen. Ich bin gespannt, wie die Leute auf die Live-Versionen der neuen Studiosongs reagieren werden und kann es selbst kaum abwarten, die Band zum ersten Mal hautnah zu erleben.
Im Vorprogramm steht eine Band auf der Bühne, die mich sehr in Verwunderung versetzt. Für mich völlig unbekannt, stellen sie sich als
Twenty Two (Angabe ohne Gewähr) vor, wobei das sicherlich nicht dem Durchschnittsalter entspricht, sondern bestimmt an das aktuelle Jahrhundert angelehnt ist. Ein Tasteninstrument im Miniformat neben dem Gesangsmikrofon lässt mich ahnen, dass etwas Elektronisches auf mich zukommt.
Und ja, pünktlich um 20:00 Uhr setzt eine Flut von Geräuschen ein und mit zunehmender Dunkelheit schleichen sich vier Gestalten auf die Bühne, von denen nur ein schmaler, waagerechter Leuchtstreifen in Höhe der Augen zu sehen ist. Sieht erst einmal hochspannend aus und bevor die Jungs zu ihren Instrumenten greifen, gibt es ein Schauspiel, welches an die
Blue Man Group erinnert. Die drei Frontmänner bewegen sich zu Industrial-Klängen im Schwarzlicht und die Menschen im Publikum bleiben vor Erstaunen so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Nach etwa fünf Minuten des gespenstischen Spektakels wird das Licht etwas hochgefahren und die Akteure geben sich zu erkennen.
Was nun folgt ist eine musikalische Mischung aus
Yes,
A Flock Of Seagulls und
Depeche Mode in ihren Anfängen. Die ersten Stücke sind echt cool und wecken mein Interesse. Ich gewinne den Eindruck, dass in der Band jeder spielt was ihm gerade einfällt, es aber trotzdem hervorragend zueinander passt. Dabei wirkt der Sänger sehr distanziert und trägt seinen wenigen Text fast unbeweglich vor. Ganz im Gegenteil zu seinem Bassisten und dem sehr stylischen Gitarristen. Beide drehen auf der Bühne völlig ab und wenn sie nicht gerade minutenlang auf dem Boden vor ihren Effektgeräten hocken um die Knöpfe im Tausendstel-Millimeter-Bereich zu verändern, ziehen sie eine tierische Show ab.
Leider findet der gesamte Auftritt im Dämmerlicht statt und um einigermaßen brauchbare Bilder zu bekommen, bin ich gezwungen den Blitz zu aktivieren und damit die Musiker zu nerven. Zeitweilig wirken die Songs unnötig in die Länge gezogen und manchmal fällt es mir schwer einen Übergang zum nächsten Stück zu finden, werden doch die Pausen ständig mit Einspielern gefüttert. Trotzdem hat es mir die Band angetan. Irgend etwas haben die Jungs an sich das die Menge in ihren Bann zieht. Leider erfährt man vom Sänger nur die X-te Wiederholung ihres Namens, aber mehr Info kommt leider nicht rüber. Die 45 Minuten ihrer Vorstellung vergehen bei dieser Darbietung wie im Zeitraffer und wie sie gekommen sind verschwinden sie in der Dunkelheit.
Nach der Umbaupause sind nun endlich die
Guano Apes angesagt und die Bühnendeko verrät, dass sie sich wohl noch in Urlaubslaune befinden. Vier beweglich Wände, bedruckt mit Palmenmotiven vermitteln den Eindruck, dass es recht gemütlich wird. Die aktuelle CD "Bel Air" hat sich musikalisch etwas dem Mainstream angepasst wie der Auskoppeller "Oh What A Night" deutlich beweist und die Musiker haben inzwischen ein Alter erreicht, bei dem man viel schneller ins Schwitzen gerät. Warum sollte das Konzert also nicht eine Nummer zurückgefahren werden. Ich habe aber nicht mit dem Energiebündel
Sandra Nasic gerechnet. Wie eh und jäh voller Tatendrang stürmt sie nach dem Intro auf die Bühne und hetzt sofort wie ein Wirbelwind von einer zur anderen Seite. Das Mikrofon während der ganzen Show fest umklammert in der rechten Hand, als wenn jemand ihr Lieblingsspielzeug stehlen könnte, legt sie los, als wäre sie in den vergangenen Jahren keine Sekunde gealtert.
Optisch natürlich eine Augenweide und somit ein Hochgenuss für die Fotografen, sucht sie ständig den Kontakt zur dicht gedrängten Masse in ihrer, anscheinend geliebten, Columbiahalle. Ein Kracher jagt den anderen und als mit "Open Your Eyes" einer ihrer größten Erfolge gespielt wird, gibt es auch für den Letzten in der Halle kein Halten mehr. In der Mitte vor der Bühne hat sich eine riesige Moshpit gebildet und alles stürzt durcheinander. Stimmung pur ist angesagt und: Schade, dass manche Titel so kurz sind. Aber die Band gönnt ihren Fans keine Pause; "Pretty In Scarlet" "She's A Killer" und "Tiger" heizen ebenfalls gewaltig ein und die Sehnsucht nach einer funktionierenden Klimaanlage wird immer größer. Ich hätte im T-Shirt erscheinen sollen, dadurch wären mir größere Schweißausbrüche erspart geblieben.
Den Musikern scheint es nicht anders zu gehen und es werden Kästenweise Getränke auf die Bühne geschleppt, die dann in der Menge verteilt werden. Ein sehr fairer Zug der
Apes um kollabierenden Mädels zu helfen, die inzwischen an der Absperrung zusammensacken. Mit solch einer Action habe ich ehrlich gesagt nicht gerechnet und war völlig baff was hier abgeht. Ich kannte
Guano Apes-Konzerte bislang nur aus dem TV und da kommt bei weitem nicht das rüber was hier in Wirklichkeit passiert. Inzwischen ist
Sandra anzusehen, dass auch ihr die Luft wegbleibt und die Erholungsphasen zwischen den Songs werden etwas länger.
Immer wieder wird die Bühnendeko geändert und nun sind vier riesige Affenköpfe zu sehen, über denen zu lesen ist "Apes Shall Kill Apes" mit dem Zusatz "Never" hinter Drummer
Dennis Poschwalla. Vorbei mit der optischen Entspannung, jetzt sieht es deutlich aggressiver aus. Ich fühle mich auf den Planet der Affen versetzt und warte nur noch darauf, dass sich die
Guano Apes blutrünstig in die Menge stürzen, um in der Moshpit richtig aufzuräumen. "Fanman" und "This Time" tun musikalisch ihr übriges dazu und als Gitarrist
Henning Rümmapp "This Time" als letzten Song ankündigt, macht sich leichte Enttäuschung in der Menge breit. Gerade mal 70 Minuten sind vergangen und bei
Sandra ist nach eigenen Angaben die Luft raus.
Nach kurzer Verschnaufpause beginnt der Zugabenblock, ohne
Sandra, die sich noch immer hinten erholt. Ein nicht benanntes Instrumentalstück wird zum Besten gegeben, das sehr in den Prog Rock Bereich abdriftet. Drummer
Dennis zeigt dabei seine ganze Klasse. Bearbeitet er doch sein Set wie nie zuvor und macht nicht die geringsten Anzeichen das Stück zu beenden. Die Band ist plötzlich in Jam-Laune verfallen und spielt unvermindert weiter als
Sandra wieder 'on Board' ist. Erneut werden der Menge Getränkeflaschen zugeführt, um die Fans für das nahende Ende zu stärken. "Big In Japan" und natürlich die Hymne schlechthin "Lords Of The Boards" holen noch einmal das Letzte aus Band und Publikum bevor die
Guano Apes ohne viel Abschied und Lobhudeleien in ihren Urwald verschwinden.