Zwei Jahre ist es her, dass MIG-Music den ersten Teil der Krautrock-Legenden-Serie vorstellte. Seinerzeit hatte man sich zu Recht Epitaph ausgesucht, denn dass die dazugehören, wenn man von Legenden reden will, steht sicherlich außer Frage. Nun aber ist die ebenfalls in diese Kategorie gehörende Truppe um Mani Neumeier mit "Krautrock Legends Vol. 2 - Live At Rockpalast 1976 + 2004" an der Reihe und es wurden zwei Rockpalast-Shows dafür ausgegraben. Am 4. Juni 1976 (dem Jahr der grandiosen Tango Fango-Veröffentlichung) trat die Band im Kölner Studio L auf und kurz vor Weihnachten 2004 beehrte sie die Bonner Harmonie, die sich ja seit Jahren einen großen Namen für immer wieder tolle Rockpalast-Produktionen macht.
Jener Rockpalast steckte seinerzeit zwar nicht mehr so ganz in den Kinderschuhen, immerhin war man schon zwei Jahre auf Sendung, hatte bis dato jedoch mehr den Fokus auf ein internationales Publikum gesetzt. Mit Guru Guru holte man sich dann aber erstmalig eine deutsche Band vor die Kameras. Mani Neumeiers Trio hatte sich mittlerweile zum Quartett gemausert, wohl auch wegen der angeblich gewissen Eintönigkeit, die 'nur drei' Musiker produzieren können. Er selbst wollte weg von dem Image des kiffenden Revoluzzers, sondern hatte als erklärtes Ziel, gute Unterhaltung zu machen. »Mein Ziel ist es, dass die Leute endlich mal ihre Schuhe und Unterhosen in die Luft werfen vor lauter Spaß, dass sie enthemmt sind.«
Nun, dem Publikum im Studio L konnte man Erregung öffentlichen Ärgernisses zumindest nicht vorwerfen, saß es doch brav auf den Bänken und klatschte artig. Das mag eher mit den Vorgaben des WDR zu tun gehabt haben, denn mit mangelndem Engagement der Band. Diese gibt sich voller Spielfreude und Witz, liefert eine für damalige Zeit tolle Show ab, Slapstickeinlagen inklusive. Mancher textliche oder musikalische Exkurs in eher schräge Sphären mag dem Zeitgeist entsprochen haben, heute würde man es vielleicht als blödsinnigen Klamauk abtun.
Es wird durch das gesamte Set hinweg ein schöner Stilmix geboten, der dem Wandel der Band hin zu weltmusikalischen Akzenten entsprang. Jazz, Bossa Nova, Tango, weitere lateinamerikanische Einsprengsel und andere Anlehnungen werden ebenso unverkrampft dargeboten wie Rock jeglicher Ausrichtung. Dazu gehören auch gefühlt ellenlange Exkurse in nordamerikanischem Jam-Modus, die speziell den Rezensenten sehr erfreuen.
Drehen wir die Uhr mal um knapp dreißig Jahre vor und begeben uns im Bonner Stadtteil Endenich in die Harmonie (übrigens durchaus ein Location-Tipp!), wo sich am 21.12.2004 Neumeier und Co. die Ehre gaben. Im Line-up hatte es ja schon einige Jahre zuvor einige Wechsel gegeben, so dass von der 1976er-Truppe lediglich der Meister himself sowie Gitarrist und Saxofonist Roland Schaeffer übriggeblieben sind. Luigi Archetti steht nun an der zweiten Gitarre, während Peter Kühmstedt den Tieftöner bedient.
Dreißig Jahre Bandgeschichte sind nicht ganz spurlos an den Musikern und an deren Präsentation vorbeigegangen. Natürlich fehlt der alte 'Klamauk' mit dem Um- und Ausziehen weitestgehend und die Band wirkt ausgereifter (was die Darbietungen der siebziger Jahre auf keinen Fall schmälern soll). Die ellenlangen instrumentalen Ausflüge gibt es immer noch - für die jazz-rockigen oder besser free-jazzigen fehlt mir persönlich die Geduld. Immer noch aktuell sind die Verneigungen vor fremdländischen Musikstilen, so spielt Schaeffer zum Beispiel sehr überzeugend auf dem Nadaswaram, zu dessen Verbreitung in Deutschland auch er maßgeblich beigetragen hat. Sehr schön zu sehen übrigens die Intonation der "Elektrolurch-Mutation" im direkten Vergleich zu der aus dem Jahre 1976.
MIG-Music ist mit dieser Veröffentlichung ein tolles Dokument gelungen, nicht zuletzt gehört da auch das Interview von Albrecht 'Mr. Tschörman Telewischn praudli priesänts' Metzger mit Neumeier und Schaeffer aus dem Jahre 1976 zu. Schade nur, dass es nach gefühlten 60 Sekunden schon wieder vorbei ist. Eine kleine Anmerkung in Richtung der 2004er-Aufnahme sei mir gestattet: Rotes Licht auf der Bühne ist scheiße, wenn man Bildaufnahmen machen muss. Da könnte man vorab doch mal ein kleines Wort mit dem Techniker wechseln…
Ansonsten ist alles gut, wer aber lieber die frühen, sehr anstrengenden Guru Guru mag, der wird hier ein wenig enttäuscht.
Line-up:
Mani Neumeier (drums, vocals, percussion) [1976, 2004]
Roland Schaeffer (saxophone, guitar, vocals, nadaswaram) [1976, 2004]
Josef Landrisits (guitar, vocals) [1976]
Jogi Karpenkiel (bass, vocals) [1976]
Luigi Archetti (guitar, vocals) [2004]
Peter Kühmstedt (bass, vocals) [2004]
Tracklist |
WDR-Studio L/Köln, 4.6.1976:
01:Einmarsch
02:Salto Mortadella
03:Banana Flip
04:L. Torro
05:Rattenfänger
06:Ooga Booga Spezial
07:Bossa Nova
08:Night Bear
09:Tomorrow
10:Medley: Elektrolurch-Mutation/Tango Fango
11:Medley: Woman Drum/All You Want
Harmonie/Bonn, 21.12.2004:
01:Read Air
02:Il Maestroso
03:Living In The Woods
04:Izmiz
05:Tribes & Vibes
06:Kleines Pyjama
07:Moshi Moshi
08:Incarnation Stomp
09:Elektrolurch-Mutation |
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