Jerry Garcia Band / Live At Shoreline
Live At Shoreline
'Shoreline Amphitheater', Mountain View, CA, September 1st 1990 - The Grateful Dead
So jedenfalls war es geplant. Leider starb einen guten Monat vorher, (am 26. Juli) der GD Keyboarder Brent Mydland im Alter von gerade mal 37 Jahren an einer Überdosis und die Band cancelte das Konzert.
Jerry Garcia, der neben seiner Hauptbeschäftigung Grateful Dead auch die Jerry Garcia Band am Laufen hatte, übernahm mit eben dieser Band das Date - auch um dem verstorbenen Brent Tribut zu zollen.
Jerry kann man eine gewisse Liebe zu Gospelsongs nicht absprechen und gerade mit der JGB konnte er dieser Leidenschaft frönen. Was passt außerdem besser, den Tod eines Freundes zu 'verarbeiten', als derlei Songs zu spielen?
Gerade wenn er mit Melvin Seals zusammen arbeitete, kann man das Gospel-Herz ganz besonders spüren.
Dabei war es Melvin anfangs nicht ganz geheuer:
"I had no idea what was going on. I was fresh out of the church and suddenly I was in a strange place where all the locals had skeletons with flowers in their hair. I didn’t talk much, I was shy, playing the organ and getting out of there as soon as I could"
Aber es dauerte nicht lange, und er fühlte sich wohl:
I realized that it was just what it was. It made me feel a whole lot better. Jerry knew the Bible inside out. He respected my values. I saw that these were peaceful people........There was church vibe all over the music, a sacredness vibe, it was like what’s known in church as a spiritual experience. Musically, I felt compatible. The way I played the organ was exactly what Jerry wanted". (Zitate stammen von Melvin's Website)
"How Sweet It Is To Be Loved By You" (Holland/Dozier/Holland) eröffnet die Show und es ist ein Genuss Gloria Jones und Jackie LaBranch an den backing vocals zu hören. Toll an diesem lange überfälligen Film (die Original Master lagen gut behütet im Tresor und wurden seit der Aufnahme 1990 erstmal wieder bei Erstellung dieser DVD angeschaut) ist auch die Kameraführung. Keine Gimmicks, keine filmemacherischen Spielereien: die Kamera hat immer den Musiker bzw. das Instrument und dessen Bedienung im Focus. Und im Falle Jerry ist es wahrlich ein Genuss, denn er spielt die 90er 'Rosebud' - Doug Irwin's dritte Gitarre für Jerry (nach Wolf und Tiger) und 11000 Dollar teuer.
Es folgt "Stop That Train" (Peter Tosh), gerade wegen der Lyrics sehr bewegend und irgendwie 'passend' zum Tod des Freundes und Bandkollegen. Schön die Lennon/McCartney Nummer "Dear Prudence", welche von Grateful Dead nur einmal (1982) und dann ohne Text gespielt worden ist. Aber das ist nicht der Grund, wenn ich 'schön' sage, sondern es ist einfach toll anzusehen, wie Jerry und Melvin hier per Blicke und Mimik miteinander kommunizieren. Die Beiden verstehen sich! Herrlich natürlich wieder die Damen an den backings.
Wurde "Dear Prudence" wenigstens einmal von GD gespielt, so hatten sie den Dylan Tune "I Shall Be Released" noch nie gespielt. Bei der Jerry Garcia Band stand der Track oft auf der Setliste und wenn man der Band hier zuschaut, weiß man auch warum. Das Stück scheint wie für die JGB geschrieben und man kann schwerlich den Blick von Jerry's Fingern auf den Saiten der 'Rosebud' lösen. Keyboard und Gitarre 'zelebrieren' den Titel, Gloria und Jackie sorgen ebenfalls für Gänsehaut.
"Run For The Roses" beinhaltet eine Textaussage, die ich einfach nur genial finde. Kurz nur, aber da steckt so viel drin:
Run, run, run for the roses
Sooner it opens, the quicker it closes.

Souverän die beiden Männer am 'Unterbau': John Kahn, der ja sechs Jahre nach dieser Aufnahme starb, und Drummer David Kemper sorgen unspektakulär für das nötige Fundament. Es macht einfach Spaß diesen Zweien zuzuschauen und gerade was Mr. Kahn betrifft, hat man hier außerdem die Gelegenheit, den Basser einmal live zu 'sehen' - zu sehen, dass er selbst die Saiten rauf und runter huscht und somit mitnichten zu reiner Begleitung 'degradiert' ist..
Vorletzter Song des ersten Sets ist ein Gospel, stammt von Charles Johnson und da sollte man sich ruhig mal den Text zu Gemüte führen. Schade, denn hier, wie auch an anderen Stellen fällt auf, dass die 'Hochzeit" zwischen Bild und Ton nicht immer hundertprozentig gelungen ist.
"Deal" ist eine echte Grateful Dead Nummer, es wird also richtig gejamt und Jerry gibt ein minutenlanges Solo zum Besten.
Set II startet mit einer Motown Nummer. Jerry spielte "I Second That Emotion" relativ oft, 71 mit GD etwa, aber auch mit der JGB Vorgänger Band Legion Of Mary. Man merkt ihm an, dass er diesen Titel mag; seine Mimik spricht für sich und der Koloss am Keyboard hat ebenfalls sichtlichen Spaß.
Auf Gospel folgt Blues in Form von "Think" - ganz toll anzuschauen, wie die 'Rosebud' bearbeitet wird. Phil Lesh mag diesen Jimmy McKracklin, Don Robey Track, denn zusammen mit den Friends kann man seine Interpretation davon noch heutzutage immer wieder hören.
Ja die Mimik verrät dem Zuschauer viel. Die ganze Emotionalität der Show (vor dem Hintergrund des Anlasses) kann man in Garcia's Gesicht bei "And It Stoned Me" (Van Morrison) erkennen. Trauer und Hilflosigkeit, vielleicht auch Unverständnis liegen in diesem Gesicht. Die typische Morrison Komposition tut ein Übriges, um diesen Teil des Konzertes als etwas ganz Besonderes zu empfinden.
"Waiting For A Miracle" gibt den beiden Damen Gelegenheit, uns in ihren Bann zu ziehen: diese leckeren Uuh uhh's.... Jerry liefert die entsprechenden Soli - ja auch eine Bruce Cockburn Nummer ist perfektes Futter für die Jerry Garcia Band.
Gemütlich groovt sich die Band durch "Don't Let Go (Jesse Stone). Zumindest durch die ersten Minuten, bevor sich ein entspannter Jam - eingeleitet durch musikalische Späßchen zwischen Jerry und Melvin- entwickelt. Krönung ist dann ein spaciges Solo von Jerry und David Kemper kann endlich mal so richtig aus sich rausgehen.
Tempomäßig geht "That Lucky Old Sun" mächtig zurück, gefühlsmäßig zeigt die Kurve jedoch steil nach oben. Nun ja, dieser Haven Gillespie, Beasley Smith Titel stand nicht umsonst auch bei Größen wie Louis Armstrong, Frank Sinatra und Ray Charles auf dem Programm. Mr. Seals zerkleinert fast das Keyboard, Die beiden Sängerinnen sind richtig gut drauf und dann kommt er: "Tangled Up In Blue", diese irre Dylan Nummer. Für mich persönlich das Highlight unter vielen Highlights.
Zwei Stunden und sechs Minuten dauerte diese emotionsgeladene Show. Auf CD gebrannt wäre nun Schluss, aber die DVD wartet mit weiteren Highlights auf: Es gibt ein Interview mit Robert Hunter, dem Haupt Songwriter der Grateful Dead und langjähriger Mitmusiker von Jerry.
Ein zweites Interview führt Blair Jackson mit den noch lebenden Musikern dieses JGB Line-ups und er gibt viel über Garcia zu erfahren. Sei es die musikalische, oder aber die menschliche Seite. Wobei, das war bei Jerry Garica eh' das Gleiche, weil untrennbar miteinander verbunden.
Weiterhin gibt es Fotos und Erklärungen zu jedem Song, dessen Herkunft, Original Interpret usw.
Insgesamt sind das noch mal 47 Minuten Material und da - wie bereits erwähnt - auch deutsche Untertitel vorhanden sind, eine lohnende Sache für alle Kenner und speziell auch für diejenigen, die den brillianten Menschen und Musiker Jerry Garcia gerade entdecken (wollen),
Kaufen, kaufen, kaufen - auch wenn ein wenig Kritik in Richtung Technik geht, denn NTSC sollte in Deutschland die Ausnahme sein.
Technik:
Bild Format:
4:3 (NTSC)
Tonformat:
DD 5.1 + L-PCM Stereo
Disc Type:
DVD-9
Länder Code:
2/3/4/5 (NTSC)
Sprache:
Englisch
Untertitel:
Englisch, deutsch, französisch, italienisch, portugiesisch,japanisch


Spielzeit: 116:00, Medium: DVD, Warner Music Group/Rhino, 2005
First Set:
1:How Sweet It Is To Be Loved By You 2:Stop That Train 3:Dear Prudence 4:I Shall Be Released 5:Run For The Roses 6:My Sisters And Brothers 7:Deal
Second Set:
8:I Second That Emotion 9:Think 10:And It Stoned Me 11:Waiting For A Miracle 12:Don't Let Go 13:That Lucky Old Sun (Just Rolls Around Heaven All Day) 14:Tangled Up In Blue
Ulli Heiser, 27.09.2005