Wir schreiben das Jahr 2013 und das ganze Rockbusiness ist von Kommerz und lautstarken Schaumschlägern besetzt. Das ganze Rockbusiness? Nein, in der Independent- und Alternative-Szene gibt es eine unbeugsame Riege von aufrechten Musikern, Sängern und Songschreibern, die sich dem Diktat der Gewinnmaximierung widersetzen.
Oftmals dümpeln diese letzten Aufrechten des Rock in kleinen Clubs oder als Buskers auf den Straßen und Plätzen der Weltstädte herum, doch manchmal werden aus diesen Underdogs auch Stars. Manch ein neu entdeckter Stern am Showhimmel vergisst daraufhin umgehend frühere Ambitionen und die Tatsache, dass Songs auch eine Message transportieren können. Doch wie im Märchen gibt es auch jene 'old fighters', die von Plattenverträgen und großen Gagen nicht korrumpiert werden.
Die Geschichte der Karriere von Matthew Good gleicht solch einem Märchen.
Der Sänger und Multiinstrumentalist machte in den frühen 90er Jahren in der Folk- und später der Independentszene Kanadas von sich reden. Seine frühen Live-Aktivitäten beschränkten sich zunächst auf Vancouver, wo er sich aber bald als aussagestarker Sänger und Songschreiber profilieren konnte. Er scharte Gleichgesinnte um sich und die Matthew Good Band war geboren. Bald hatte die Gruppe auch über die Grenzen ihrer Heimatstadt hinaus einen exzellenten Ruf als Concert Act vorzuweisen und die Tourneen deckten ganz Kanada ab. Die CDs der Band wurden mehr als nur Achtungserfolge und setzten sich schnell an die Spitze der Charts innerhalb der alternativen Musikszene des Landes. Mit der Single "Apparitions" landete Good und seine Mitstreiter gar einen riesigen Hit in Kanada und sprengten damit die Grenzen der Independent-Liga. Die großen Radiostationen spielten die Nummer rauf und runter. Auch die nachfolgenden Singles erhielten gutes Airplay. Die Verkaufszahlen der Alben legten ebenfalls zu.
A star was born und die Matthew Good Band kam in einen Erfolgsstrudel. Dennoch geriet der Frontmann nicht ins Schlingern, was die Aussagekraft seiner Songs angeht. Verklärende Schmusenummern im Kuschelrockstil sind nicht sein Ding. Stattdessen kommentiert Good nationale und internationale Politik, prangert gesellschaftliche Missstände an. Dabei hält er sich aber fern von vordergründigen Betroffenheitsklischees. In "Weapon" beschreibt er die in uns allen streitenden Engel und Teufel. Das Böse ist hier nicht etwas, auf das mit dem Zeigefinger gedeutet wird, sondern bleibt immer ein Teil von uns selbst. Auch wenn das Leben auf diesem Planeten die Hölle sein kann, beendet Good das Lied doch mit der Hoffnung auf himmlische Zustände. Dennoch bleibt klar: Wir leben in merkwürdigen Zeiten ("Strange Days") und der Zweitname unserer Erde lautet Katastrophe ("A World Called Catastrophe").
Dass die angeführten Themen dem Songschreiber und Sänger tatsächlich wichtig sind und nicht nur ein künstlerisches Vehikel für seine Poesie darstellen, zeigt sich deutlich daran, dass Matthew Good auch engagiert als politischer Aktivist, Schriftsteller und Blogger ist. Wäre ich kein Musiker geworden, würde ich heute als Geschichtslehrer arbeiten, erzählte der unbequeme Star einmal in einem Interview.
Trotz allen Bewusstseins für die Schattenseiten unseres Daseins und deren Thematisierung in den Songtexten ist die treibende Kraft der Musik doch die Hoffnung. Die Kompositionen strahlen Power im positivsten Sinne aus, die aggressiven Licks werden zumeist in wunderschönen Harmonien kanalisiert. "Old Fighters" demonstriert das eindrucksvoll, besonders in den Liveaufnahmen: Der Hit "Apparitions" kommt höchst schnörkellos und erdig daher, melodischer Rock mit Gänsehautgarantie.
Knackige Gitarrenriffs münden nicht selten in elegische Keyboardexzesse. Keiner der Musiker spieltsich jedoch in den Vordergrund - jeder Ton steht ganz im Dienste des Songs und der Aussage des jeweiligen Stückes. Die Rhythmusgruppe verleiht den Arrangements, gerade in den Steigerungen, unglaublichen Drive und peitscht die Emotionen weiter nach vorne. Der Gesang des Bandleaders macht die Stücke endgültig zum großen Gefühlskino. Matthew Goods Interpretationen der eigenen Texte ist frei von überschäumender Vokalakrobatik - seine hohe Stimme bleibt stets aussagestark und verzichtet völlig auf theatralische Kapriolen, wie sie vielen Rockvokalisten zu eigen sind. Dabei erreicht er im Zusammenklang mit seinen Mitstreitern eine Intensität, die ihresgleichen sucht.
Die Matthew Good Band löste sich bereits 2002 nach internen Querelen auf. Seither ist der Sänger als Solist mit wechselnden Begleitmusikern unterwegs. "Old Fighters" dokumentiert alle Schaffensperioden des kanadischen Ausnahmekünstlers.
Mit diesem Album versucht Matthew Good nach fast zwanzig Jahren im Business, endlich auch international Anerkennung einzuheimsen. Verdient hätten seine Songs es allemal. Für die vorliegende CD hat der engagierte Musiker seine Lieblingsstücke persönlich zusammengestellt. Dennoch wirkt das Album wie ein homogenes, durchkonzipiertes Werk - ein weiterer Beweis für die künstlerische Feinfühligkeit des kanadischen Politrockers.
Line-up:
Matthew Good (lead vocals, guitar, bass, piano, percussion)
Ian Browne (drums)
Dave Genn (keyboard, guitar)
Geoff Lloyd (bass)
Rich Priske (bass) …
…and many more
Tracklist |
01:Strange Days
02:In A World Called Catastrophe
03:Weapon
04:Apparitions (Live)
05:Load Me Up (Live)
06:Born Losers
07:Last Parade
08:Zero Orchestra
09:The Future Is X-Rated
10:21st Century Living
11:Giant
12:Avalanche
13:Suburbia
14:While We Were Hunting Rabbits
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