Mir ist das stets suspekt, wenn ein 'neuer Name' so vehement angepriesen wird seitens der Unterhaltungsbranche und sich bei mir der Eindruck aufdrängt, hier wolle man wieder Kasse machen und das große Geschäft, und das mitunter mit Künstlern, die oft nicht mehr sind als heiße Luft.
Ganz so dreist ist es nicht immer: In etwas abgemilderter Form hatte ich jedenfalls diesen Eindruck mit Künstlern wie Norah Jones oder Joss Stone, die zwar sicher gut sind, aber nicht so phänomenal, wie man sie darstellte.
Melody Gardot, also wieder ein neuer Name, der uns 2007 mit dem Album "Worrisome Heart" vorgestellt wurde. Böse Zungen könnten jetzt behaupten, in diesem Falle hätte man noch ganz bewusst einen 'Mitleidsfaktor' in die Waagschale geworfen. Denn schließlich begab es sich im Jahre 2003, dass Melody im Alter von 19 Jahren von einem Autofahrer derart folgenreich überfahren wurde, dass sie schwere Hüftschäden und starke Kopfverletzungen davontrug, die sie noch heute zwingen, sich mittels einer Gehhilfe und mit starken Sonnengläsern in der Öffentlichkeit zu bewegen und zudem oft auf die Hilfe eines Muskelstimulationsgerätes angewiesen ist.
Während des langwierigen Krankenhausaufenthaltes, versuchte sich Melody mit Hilfe von Musik über Wasser zu halten, das Geschehene zu verarbeiten und in Texte zu fassen. Bereits zu Zeiten ihres Unfalles war sie als Barpianistin tätig, um sich das Studium zur Modedesignerin zu finanzieren. Die Musik half ihr jedenfalls und schon bald gab es eine EP mit einigen Titeln, auch benannt gewesen als "The Bedroom Sessions".
War das erste Album noch sehr stark von bluesigen Tönen im Bereich des Singer/Songwriter-Umfeldes geprägt, so haben auf diesem neuen Album eindeutig der erfolgreiche Produzent Larry Klein und der Musical Director Vince Mendoza deutliche Spuren hinterlassen - klar zum Vorteil der Musik!
So, und um wieder darauf zurück zu kommen, Hype Or Not Hype?
Das erste Album sagte mir nicht sehr zu, es war aus meiner Sicht zu konstruiert und auch leicht überbewertet. Hier aber passt es besser, das tragische Schicksal einer jungen Frau, eine Verarbeitung mit Musik, Einblicke in die Seele mit den selbst geschriebenen Texten (bis auf #6,8 (Gandolf Harris) und #11 (Arlen/Harburg)).
Dazu dieses absolut professionelle Arrangement von Spitzenkönnern: Eine Schar ausgesuchter guter Musiker. Doch auch das muss nicht alles sein, das sind letztlich alles Einzelzutaten, die noch kein wohlschmeckendes Ganzes darstellen müssen.
Der Opener, ein Einstieg nach Maß, das ist 'großes amerikanisches Kino', das ist wie aus dem "Great American Songbook" entsprungen… dieses wunderschöne Streicherarrangement in Kombination mit der akustisch-elektrischen Gitarre, einfach perfekt.
Lasziv-jazzige Vokalartistik mit dem Hauch Blues auf "Who Will Comfort Me", das betörende Piano/Hammond-Arrangement plus der 'muted trumpet' auf "Your Heart Is As Black As Night", ein Chanson, selbstverständlich in französisch ("Les Etoiles" = Die Sterne), die Pianoballade "The Rain" und eine überraschende Version des an und für sich ausgelutschten Klassikers "Over The Rainbow" runden das Programm ab.
Bei letzterem hatte ich befürchtet, eventuell einen Reinfall zu erleben, ein Sturz vom Regenbogen, irgendwo da draußen, aber Gardot und die Band haben hier eine neue Variante vorgelegt, nämlich im lateinamerikanischen Stil, an Antonio Carlos Jobim erinnernd und an die Leichtigkeit eines Sommertages am Strand. Sicher nicht die definitive Version, aber eine nette Bereicherung dieses Titels.
Insgesamt atmet die Musik eine Leichtigkeit, für einige vielleicht auch zu wenig zupackend, für andere vielleicht zu berechnend arrangiert, mitunter vielleicht sogar steril, aber was bleibt, ist die Perfektion.
Für mich sind jedoch die klaren Gewinner jene Stücke mit diesen süchtig machenden und filmmusikreifen Streicherarrangements… welche Dramatik doch z .B. "Our Love Is Easy" inne wohnt! Das soweit zur Musik, doch wie singt Melody nun?
Der erste Eindruck lässt eine zerbrechliche und zarte Stimme hören, die in gewisser Weise eine große Traurigkeit ausstrahlt. Aber das ist nicht eine solch überzeugende Traurigkeit wie ich sie von Billie Holiday liebe ("Lady Day" bleibt hier für mich unerreicht!). Das ist noch nicht diese geschundene Stimme, hier ist noch Zuversicht mit im Spiel. Ist das also vielleicht nur gespielt?
Im Gegensatz zur ersten Platte, wo mir das etwas sehr aufgetragen vorkam, bin ich hier bereits mehr davon überzeugt, dass Gardot ihre Stimme im Sinne der Arrangements einsetzt, und gibt ihnen damit Inhalt und das Tüpfelchen der Abrundung. Ihre Stimme wirkt hier luftiger, gelöster und kommt ehrlicher, so mein Empfinden, und das ist letztlich ein positiver Eindruck. Leichtigkeit hat Einzug gehalten.
Ob man solche zarten, relativ vibratolosen Stimmen mag, das muss man für sich selbst entscheiden, für diese Arrangements hätte ich auch lieber bereits genannte "Lady Day" oder Shirley Horn oder Abbey Lincoln beispielsweise. Aber hier liegt der Ausdruck nicht in der Kraft, hier ist es eine gewisse Subtilität, die selten durch mehr zupackendere Töne, wie z. B. auf dem stimmlich gänsehautmäßigen Titel "Who Will Comfort Me", unterbrochen wird.
Fazit: Für mich kein Hype, sondern eine hochwertig komponierte und arrangierte Musik, die für beschauliche Stunden des Tages genauso gut geeignet ist, wie für konzentriertes Zuhören oder auch zum Hören nebenbei. Und ich denke, Melody singt, was sie empfindet und drückt ihre Gefühle hier in einem sehr eleganten Umfeld aus. Das könnten allesamt Titel aus dem "Great American Songbook" sein!
Ich bin gespannt, wie es mit ihr weiter geht.
Einen Kritikpunkt darf ich jedoch nicht auslassen:
Das Booklet, über das man sich hinsichtlich des Abdrucks aller Texte zunächst sehr freut, enttäuscht mich dann letztendlich dahingehend, dass die Texte mit irgendeinem 'Handschrift-Format' abgedruckt sind, was das Lesen grundsätzlich erst einmal erschwert. Es sieht ja recht nett aus, aber man muss sich doch anstrengen.
Hat man an das Lesen der Texte gewöhnt, bekommt man den nächsten Schlag, denn es grenzt mitunter an Qual, die Besetzungsliste entziffern zu müssen. Das ist ganz einfach zu klein in dieser Schriftart (man möge mir auftretende Unrichtigkeiten im Line-up daher vergeben).
Line-up:
Melody Gardot (vocals, guitar, piano)
Gary Foster (alto saxophone - #7)
Bryan Rogers (tenor saxophone - #3-8,11, background vocals - # 3)
Patrick Hughes (trumpet - #3-7,11, background vocals - # 3)
Andy Martin (trombone - #6)
Ken Pendergast (bass - #1,3,4,6-8,11, background vocals - # 3)
Larry Klein (bass - #5,9, background vocals - #3)
Charlie Paterno (drums - #1,3,7,11, background vocals - #3)
Vinnie Colaiuta (drums - #4-6,9)
Paulinho Da Costa (percussion - #2,3,11)
Behn Gillece (vibraphone - #6,11)
Larry Goldings (hammond organ - #3,4)
Marcia Dickstein (harp - #5,9,10)
String ensemble (- #1,5,6,9-11)
Tracklist |
01:Baby I'm A Fool
02:If The Stars Were Mine
03:Who Will Comfort Me
04:Your Heart Is As Black As Night
05:Lover Undercover
06:Our Love Is Easy
07:Les Etoiles
08:The Rain
09:My One And Only Thrill
10:Deep Within The Corners Of My Mind
11:Over The Rainbow
12:If The Stars Were Mine (Orchestral Version)
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Externe Links:
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