Peter Gabriel / New Blood - Live In London
New Blood - Live In London Spielzeit: ca. 162:00
Medium: DVD
Technik:
Bildformat: 16:9 Soundformat: DTS-HD Master Audio, DTS Surround Sound, Dolby Digital Stereo (Blu-ray, 3D Blu-ray), Dolby Digital Stereo (DVD)
Untertitel: Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, Holländisch (nur Interviews)
Regionalcode: 0
FSK 0
Label: Eagle Vision, 2011
Stil: Symphonic (Rock)


Review vom 05.11.2011


Steve Braun
Rockstar trifft auf klassisches Orchester - besonders aufregend klingt das nicht. Dass Rock und Klassik bestens harmonieren, ist seit vierzig Jahren bekannt. Peter Gabriel machte mit der "New Blood"-Tour im vergangenen Jahr allerdings einen äußerst bemerkenswerten Schritt: Statt seiner Band orchestrale Untermalung eines prominenten Orchesters zu verordnen, richtete er die Arrangements gemeinsam mit John Metcalfe komplett auf das für diesen Anlass zusammengestellte New Blood Orchestra aus und schuf ein herausragendes Werk moderner klassischer Musik.
Für diese DVD wurde der Abend des 23. März 2011 im Londoner Hammersmith Apollo (dem legendären Hammersmith Odeon) mit 3D-Kameras gefilmt. Bemerkenswert sind die aufwändigen Licht- und Grafikinstallationen, die dem akustischen Genuss eine krönende visuelle Umsetzung verpassen und aus "New Blood - Live In London" ein einzigartiges Erlebnis machen.
Wie viele Veröffentlichungen Peter Gabriels ist auch diese DVD nicht für den schnellen Konsum zwischendurch - als musikalisches Fast Food - gedacht. Das würde wohl auch niemand von dem charismatischen Sänger ernsthaft erwarten. Nein, auf diese zweieinhalbstündige Reise sollte man sich mit Ruhe und Muße begeben und sich die völlig neu arrangierten Klassiker wie "Biko", "Red Rain", "In Your Eyes" oder "Don't Give Up" 'auf der Zunge zergehen lassen'. Die fein differenzierte Ausgestaltung durch das 46-köpfige New Blood Orchestra verpasst jedem einzelnen Song eine völlig neue Dimension. 'Song' klingt in diesem Zusammenhang unglaublich banal - es werden hier keine Hits abgefeuert, sondern kleine Kunstwerke zelebriert. Jedes einzelne Stück ist auf seine eigene Art einzigartig! Zu keinem Zeitpunkt steht Gabriel im Mittelpunkt - er fügt sich vielmehr völlig in den Kontext des New Blood Orchestras ein. Wenn sein typischer, unergründlicher Blick in die Ferne gelegentlich 'wässrig' wird, merkt man, dass sich Gabriel der aufkommenden Emotionen nicht entziehen kann und mag.
"Rhythm Of The Heat" war wohl die spannendste Herausforderung für Gabriel, wie dieser im Interview zugab, weil dieser Song im Original sehr stark von Technik (Synthesizern, Samples und Drum-Machines) geprägt war. Überhaupt stellten die schnelleren Songs eine echte Hürde dar, weil hier die Gefahr am größten war, sich geschmacklich zu verirren - möglicherweise ein Grund, warum das vermisste "Sledgehammer" ausgespart wurde. Bestens, geradezu spektakulär wurde dies allerdings mit "Digging In The Dirt" und "Solsbury Hills" inszeniert, das hat etwas von einem modernen Beethoven.
Wenn man auf ein derart erfülltes (nicht nur) musikalisches Leben zurückblicken kann wie Peter Gabriel, hat man die Wahl, sich entweder auf seinem Erfolg selbstgefällig auszuruhen, oder - wie Gabriel - ständig neue Herausforderungen zu suchen. Ziel des Projektes New Blood Orchestra war, die Rockband aus den Songs zu eliminieren und das zu nutzen, was ein Orchester bieten kann: eine Vielzahl gleichzeitig musizierende Charaktere und Persönlichkeiten. Dies ergab Momente mit einer enormen Klangfülle und Vielfalt, die den Zuschauer in Verbindung mit den subtil gestalteten Bildern geradezu wellenartig überschwemmen. Zu keinem Zeitpunkt vermisst man die treibenden Elemente Schlagzeug und Bass, denn diese Energie wird vor allem von den Streichern in einer anderen, aber ebenso kraftvollen Weise erzeugt. In diesem Zusammenhang muss der 'einfühlsame' Taktstock des Dirigenten Ben Foster, der zumeist im Tonstudio für Filmmusiken oder Fernsehproduktionen arbeitet, Erwähnung finden. Er holt nicht nur alles aus den beteiligten Musikern heraus, sondern weckt in ihnen ein 'Feuer', das man bei den zahlreichen Kameraschwenks in aller Augen sehen kann. Man kann förmlich spüren, wie er dem Orchester das Gefühl vermittelt, wichtig und sehr eng involviert zu sein. Da Foster bestens mit Gabriel interagiert, muss man ihn als zweite Hauptfigur dieses Konzertes bezeichnen.
Die beiden Sängerinnen, Melanie Gabriel und Ane Brun, sind weitere auffällige Hauptakteure, wobei für meinen Geschmack die Norwegerin stimmlich gegenüber Gabriels Tochter abfällt.
Fazit: Wer 'Gabriel light' oder '...unplugged' erwartet hatte, wird möglicherweise enttäuscht sein. Wer sich dagegen auf das einlässt, was den großen Meister ganz offensichtlich bewegt hat und wohl ein Herzensanliegen war, wird nach dem Erwerb dieser DVD/Blu-ray ein neues, wegweisendes und bahnbrechendes Highlight in seiner Sammlung haben!
Abgerundet wird der Silberling durch ein Booklet, das diesen Namen auch verdient, was bei DVD-Veröffentlichungen wahren Seltenheitswert besitzt. Demzufolge kann hier bedenkenlos die Höchstnote gezogen werden: 10 von 10 RockTimes-Uhren - musikalische Grande Cuisine!
Line-up:
Peter Gabriel (vocals)
Melanie Gabriel, Ane Brun (vocals)
The New Blood Orchestra, Conductor: Ben Foster
Arrangements: John Metcalfe
Director: Blue Leach
Tracklist
01:Intruder
02:Wallflower
03:The Boy In The Bubble
04:Après Moi
05:The Drop
06:Washing Of The Water
07:The Book Of Love
08:Darkness
09:The Power Of The Heart
10:Biko
11:San Jacinto
12:Digging In The Dirt
13:Signal To Noise
14:Downside Up
15:Mercy Street
16:The Rhythm Of The Heat
17:Blood Of Eden
18:Red Rain
19:Solsbury Hill
20:In Your Eyes
21:Don't Give Up
22:The Nest That Sailed The Sky

Bomusmaterial:
Blood Donors - Making of... mit Interviews (ca. 20 Min.)
Externe Links: