Wie so oft, schreibt Roger Glover seine Erlebnisberichte während des Tourens auf und so kann ich diesmal seinen Zeilen über die Russlandtour den Lesern präsentieren.
Rogers Review ist wie immer humorvoll, nachdenklich, tiefgründig und selbstkritisch. Ich hatte das Gefühl dabei zu sein, so gut beschreibt er manche Situation.
Es kann sein, dass der ein oder andere Fehler beim Übersetzen dabei ist, aber im Großen und Ganzen habe ich mich bemüht, den Sinn festzuhalten. Ich wünsche Euch viel Freude dabei, seinem Bericht zu folgen:
Roger Glover:
Diese Tour geht durch 17 Städte, die über Abschnitte des Gebietes verteilt
sind, welches vor kurzem noch als Sowjetunion bekannt war und jetzt Russland und
die Ukraine genannt wird. Während ich dies schreibe, sind wir ungefähr bei der
Hälfte angelangt und noch immer nicht in der Ukraine.
Aufgrund der weiten Entfernungen, reisen wir mit unserem eigenen, gecharterten
Dreimotorenflugzeug, einer PAK 42. Aber das bedeutet nicht, dass wir ohne Checks durch die Sicherheitsabteilungen der Flughäfen gelangen.. Das Echo unserer
Schritte hallt unter der kuppelartigen Decke kaum beleuchteter Gebäude wieder
(diese ähneln oft mehr einer Kirche, denn einem Terminal), während wir
gehetzt unsere Taschen schleppen. Uniformierte Frauen in unglaublich sexy
hochhackigen schwarzen Lederboots dirigieren uns ohne ein Lächeln in die
X-Ray- Kabine.
Unser Flugzeug hat eine eigene Persönlichkeit, obwohl es schon
viele Jahre in Betrieb ist und die Sitze und Ausstattung veraltet und angegriffen
sind. Die Stewards wechseln von Tag zu Tag, aber es gibt einen Mann, der
regelmäßig da ist. Er spricht ein wenig Englisch und sieht wie ein junger
George Formby aus. Ich habe ihn aus verständlichen Gründen "Short back and sides"
genannt.
Bei der Ankunft werden wir an den meisten Flughäfen von einer Menge Leute des
lokalen Sponsors, Security-Personal, TV-Reportern, Fotografen und
Autogrammjägern empfangen, die sich eng um uns zusammendrängen und ein paar
Worte hören, oder ein Autogramm haben wollen, während wir in einen
klappernden Van klettern, um in einer abenteuerlichen Fahrt zum Hotel
gelangen. Dieser wird von einem heulenden Polizeiwagen begleitet.
Einige unserer Hotels sind nicht allzu eindrucksvoll. Verkommen wäre wohl der richtige Ausdruck. Die Glühbirnen haben wohl 15 Watt und die Möbel sehen aus, als kämen sie aus den 50ern. Damals war es sicher modern, aber jetzt wirkt es eher respekteinflößend, obwohl
da echte Perlen darunter sind.
Wir reisen mit einer tollen russischen Crew, die absolut professionell ist
und unsere eigene Crew ebenfalls schätzt.
Nach den Auftritten bin ich mittlerweile in den Hotelbars dazu gekommen dem Ausspruch "es ist eine russische Tradition", auszuweichen. Sie bieten einem Gläser voll klaren Wodka an, die eigentlich erstaunlicherweise ziemlich leicht runtergehen, egal was man
vorher getrunken hat. Bevor man es merkt, ist das Glas wieder gefüllt und
ein neuer Toast wird gehalten. Das kann sehr leicht der Beginn eines kulturellen
Austausches sein, der einem bis in den nächsten Morgen verfolgt. Und es ist
ein harter, gemeiner Morgen, der viel zu früh kommt.
Das Essen lässt viel zu wünschen übrig. Manchmal lädt uns ein Sponsor nach
einer Show in ein Restaurant ein. Die Manager und Kellner wollen uns wohl
beeindrucken und erfreuen, aber je mehr sie es versuchen, umso eher geht es normalerweise
schief.
Wir werden zu Tischen geführt, die mit allem möglichen Essen beladen sind und
Vieles davon ist undefinierbar. Es scheint eine beängstigende Anzahl an
Tellern zu geben, die eine schleimige Substanz enthalten, welche mit irgendetwas
Eingelegtem garniert ist. Fisch wird häufig ganz gekocht, die Augen starren
uns leer an. Das Fleisch kommt in verschiedenen Grautönen auf den Tisch und das Gemüse ist entweder verkocht, kalt oder beides. Der Wodka ist gut und reichlich und
hilft das andere Zeug runterzukriegen. Trotzdem sollten wir uns nicht beschweren,
denn schließlich zahlen wir mit nichts Anderem, als unserer Anwesenheit und wir
hatten bis jetzt eine gute Zeit.
Die Auftritte waren im Großen und Ganzen exzellent, die Menge war begeistert
uns zu sehen. Am nächsten Tag flog ein Sponsor über halb Russland, um ein Foto mit
uns zu machen. So konnte er es nach seiner Rückkehr in der Zeitung
veröffentlichen lassen. Tatsächlich hat niemand richtig geglaubt, dass wir wirklich in die Stadt kommen. Schon beim ersten Titel "Silver Tongue" kann man an der Reaktion des Publikums erkennen, wie sie anscheinend zu sich selbst sagen: "sie sind es, sie sind es wirklich " und sie gehen dann voll mit.
Und wie wir dort willkommen geheißen werden....Die Altersspannweite ist beeindruckend. Es gibt grauhaarige Vertreter der älteren Generation, die ihre beste Zeit hatten , als unsere Lieder noch illegale Kopien von Kopien waren. Unter den Fans sind aber auch viele rotwangige Jugendliche, die auf und ab hüpfen und sogar noch Jüngere, die ihre Hände in die Luft strecken und Spaß haben. Überall sind lächelnde Gesichter.
Die Security ist überwältigend. Wo immer wir auch hingehen, begleiten uns 30
oder 40 Männer. Es sind grimmige, blasse, breitschultrige Typen in
Lederjacken, die nach eventuellen Problemen ausschauen und diese sofort im Keim ersticken. Trotzdem bin ich froh, dass sie uns zur Seite stehen. Eines Morgens verließ ich mein Zimmer um frühstücken zu gehen und ich sah einen von ihnen, der am Ende meines Korridors postiert war. Mit seiner Sonnenbrille und seinem kurzgeschnittenem Haar sah er wie ein typischer Verbrecher eines Hollywoodfilmes aus. Als ich mich ihm auf dem
Korridor näherte, nickte ich und lächelte unsicher, weil er in seine übergroße Lederjacke griff - es hätte ja leicht eine Pistole sein können, aber zu meiner Erleichterung war es nur eine "Bananas"-CD, die er unterschrieben haben wollte.
Wenn wir unser farbloses Hotel verlassen, um zum Konzert zu gehen, fahren wir in einem Konvoi von PKWs und Jeeps, welcher am Anfang und am Ende von normalen Polizeiwagen begleitet wird. Diese haben strahlendes Rot- und Blaulicht, um sich einen Weg durch den Verkehr zu bahnen. Dabei heulen die Sirenen und signalisieren anderen Autos, anzuhalten oder aus dem Weg zu fahren.
Das alles geschieht bei einem halsbrecherischem Tempo. Nachdem das öfters passierte und wir uns mit angehaltenem Atem in unseren Sitzen festhielten und uns dabei wie in einer Achterbahn fühlten, mussten wir mit ihnen reden. Wir rieten ihnen langsamer zu fahren, da es sich schließlich nicht um eine Verfolgungsjagd handelt.
Das Security-Personal im Stadion, das meistens eine Sportanlage ist, reagiert manchmal ein wenig übertrieben, aber das ist nicht typisch für dieses Land; woanders passiert das genauso. Die Zuschauer wollen natürlich aufstehen und sich der Bühne nähern. Sie werden nicht nur von diesen Schränken zurückgehalten, sondern auch von einer Spezialeinheit uniformierter Soldaten mit hohen Militärhüten, die einschreiten, sobald sie denken, dass die Situation außer
Kontrolle gerät. Aber ich denke, alte Gewohnheiten sind nur langsam abzulegen.
Die Ordnungshüter können manchmal sehr grob sein, aber sie sind in der Unterzahl und müssen manchmal zurückweichen. Meistens jedoch haben die Zuschauer viel Spaß und
genießen es, direkt vor der Bühne zu stehen.
Die Backstage-Räume sind oft ziemlich ungemütlich: Umkleideräume sind
entweder stickig oder kalt. Platten die unter einer Plastikfolie komisch
aussehende Snacks enthalten, die selten gegessen werden, bedecken die Tische.
Und es liegt ein komischer Geruch von Irgendetwas, das schon längst weggeputzt
sein sollte, in der Luft. Security füllt die Korridore und ist wie gewöhnlich im Weg. Die meisten Gebäude sind alt und gut genutzt. Tatsächlich gibt es im ganzen Land viel Ähnlichkeit. Alles wirkt wie in Grau getaucht, sogar die Bäume und Felder scheinen sich selbst zu bemitleiden. Auch wenn einige Städte dem Rest von Europa ähneln, gibt es doch sehr viele, die man nur als Kommunistenblocks bezeichnen kann. Zweckmäßige Gebäude, die aussehen, als ob sie ein uninspirierter Architekt mit möglichst wenig Geld entworfen hätte.
Wenn wir die Außenbezirke der Städte passieren, können wir sehen, wie einige
der ärmeren Menschen leben. Kleine Holzhäuser, die bemalt und dekoriert sind,
um sich scheinbar selbst aufzuheitern, werden von kleinen Gärten umgeben, die aussehen, als
kämen sie aus dem Mittelalter. Überall werden Feuerholz-Vorräte für den
brutalen Winter angelegt. Manchmal sieht man die neueren Bauten aus rotem Ziegelstein,
die in einem grandiosen Architekturbaustil gebaut sind. Aber irgendwie verschöneren sie die Nachbarschaft nicht wirklich. Trotz all dem Gemecker kommen wir bestmöglich klar, verwöhnte Bälger, die wir sind. Die Russen sind so glücklich uns zu sehen, dass es unangebracht wäre, sich zu sehr zu beschweren.
Ian Gillan sagt öfters, dass wir echte Glückspilze sind. Es ist eine
tolle Erfahrung, dieses Land zu sehen und Menschen zu treffen. Eine Bevölkerung, die bodenständig ist und uns herzlich willkommen heißt. Sie haben so lange unter einem
unterdrückenden System gelitten, dass es tief in ihrer Psyche verwurzelt ist und sie
überwinden dies und das harte Wetter, indem sie so belastbar sind und sich nicht viel
beschweren, ganz anders als wir!!!
In Irkutsk hatten wir vor kurzem einen seltenen freien Tag. Wir wurden zu
einer nachmittäglichen Bootsfahrt auf dem berühmten Baikalsee eingeladen. Es ist
ein riesiges Gewässer, 400 Meilen lang und liegt in Sibirien. Obwohl sich bereits der
Winter ankündigte, war es ein wundervoller, sonniger Tag und ein ganz besonderes
Erlebnis. Nicht nur für uns, sondern auch für die Bootsmannschaft, die aus
Stan, dem Besitzer, seiner Familie und Sergei, dem Kapitän bestand. Wir
wurden auf der Valeria, einem antiken Boot, dass schon viele Jahreszeiten gesehen
hat, wie Könige behandelt. Und wir fuhren von einem Dock ab, welches voller Stände,
Rauch, Fisch- und Souvenirverkäufer war. Nach dem Ablegen gab es zu essen und zu trinken, Gläser wurden gehoben und auf das Glück angestoßen.
Das Wasser dieses Sees ist für seine Klarheit bekannt, tatsächlich kann man es sogar trinken und darin leben sehr viele verschiedene Fischarten.
Es gibt zwei Traditionen am See: als Gruß einen Wodka ins Wasser zu schütten, oder man wirft eine Münze ins Wasser, verbunden mit dem Wunsch, eines Tages wiederzukommen.
Ich hoffe, das werden wir.
RockTimes:
Die beiden Gemälde stammen übrigens von der Autorin selbst. Da wir viele ihrer Bilder kennen und schwer begeistert sind, wird die RockTimes demnächst ein Künstlerportrait über Evi Ivan bringen und ihre Bilder einer breiten Öffentlichkeit vorstellen.
Also: stay tuned.
Rogers Eindrücke über die Russlandtour, Übersetzung: Evi und Johanna Ivan
Evi Ivan, 27.11.2004
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