Cary Hudson / The Phoenix
The Phoenix
Cary Hudson dürfte vielen Americana-Aficionados als Mitbegründer, Kopf und Stimme von Blue Mountain wohlbekannt sein. Immerhin hat er mit dieser Band eine Reihe vorzüglicher Alben veröffentlicht, die allesamt einen Tip wert sind. Seine Sehnsucht nach Authentizität verankert seine Musik stilistisch im Spannungsfeld zwischen Blues, (Southern und Roots-) Rock, Soul und ländlichem Musikantentum.
Nach dem Split seiner Band macht er da weiter, wo Blue Mountain aufgehört hatte, geht aber konsequent noch einen Schritt weiter. Der Opener "High Heel Sneakers" etwa katapultiert den Hörer mit ungezähmter Slidegitarre mitten in die Vergangenheit des Southern-Rock, "Mad, Bad And Dangerous" steht dem in nichts nach.
Als stilsicherer Musiker versteht es Cary aber auch, eher getragenere Songs absolut überzeugend zu intonieren.
Vor meinem geistigen Auge sehe ich während vieler Songs den glutroten Himmel über der endlosen Prärie, während der V2 einer Harley unter dem Hintern hämmert, im Rückspiegel das blitzende Chrom eines Riesentrucks.
Oder den knarrenden Schaukelstuhl auf einer Veranda, während sich weiter unten der Mississippi majestätisch durch sein Tal schlängelt, unaufhaltsam dem Delta entgegen. Unbeirrbar, wie diese Musik.
Wer zu solchen Tönen noch ein Bild auf der Mattscheibe braucht ist wirklich zu bedauern.
Die Aneinanderreihung verschiedener Stile, sei es Country-Blues, Rock, Folk, jeder sattelfest vorgetragen, erzeugt nie das Verlangen nach der Skip-Taste, zu gelungen und spannend ist dieses Album. Es gibt nur einen einzigen Coversong ("God Don't Never Change" von Blind Willie Johnson), ansonsten stammt die gesamte Musik von Cary Hudson.
Die Band setzt kongenial um, was Cary Hudson an kompositorischen Geistesblitzen hatte, nie wirkt es zerrissen, das Ganze ist unwahrscheinlich "tight" auf den Punkt gespielt. Ein klarer Fall für alle Fans handwerklich virtuoser Musik! Bei dieser Qualität sollte man zuschlagen, die CD in den Player werfen und die Repeat-Taste aktivieren.
Manche Songs sind dermassen "echt", dass man zuerst denkt, es seien Interpretationen von altbekannten Standards. "Haunted House Blues" etwa, wenn mir jemand gesagt hätte, dieser Song stamme von Robert Johnson, hätte ich das sicher geglaubt und mich über den erfreulich guten Vortrag gefreut. Dass so was von ihm selbst komponiert wurde - fast unfassbar...
Die Produktion ist hervorragend, der Klang superb. Das Booklet ist etwas dünn geraten, es gibt beispielsweise keinerlei Songtexte, die bei Cary Hudsons Geschichten sicher willkommen gewesen wären. Das hätte wohl den Rahmen des Budget gesprengt. Aber was zählt, ist allein die Musik - und die hat's faustdick hinter den Ohren.
Spielzeit: 48:29, Medium: CD, Black Dog Records, 2002
1:High Heel Sneakers 2:By Your Side 3:The Phoenix 4:Bend With The Wind 5:Lovin' Touch 6:Butterfly 7:Mad, Bad & Dangerous 8:God Don't Never Change 9:August Afternoon 10:8 Ball Blues 11:Free State Of Jones 12:Haunted House Blues
Manni Hüther, 07.07.2002
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