Daniel Hall / System Overload
Aufmerksam wurde ich auf den jungen Künstler als ich mal zufällig in den TV-Sender NBC hineinzappte. Da verbreiteten zwei Burschen, der eine lässig locker eine Akustikgitarre zupfend, der andere mit sehr angenehmer Stimme singend, quasi unplugged jede Menge Westcoast-Feeling. Sie präsentierten einen Song namens "Everybody's Darling", den ein leichtes Flair des Eagles-Klassikers "Hotel California" umgab.
Wie sich herausstellte, handelte es sich um den Sänger Daniel Hall. Danach folgte die übliche Internetrecherche, Anfrage beim Label Safety-Records, das mir dankenswerterweise die CD des Interpreten zur Rezension zur Verfügung stellte.
Beim Durchlesen seiner Biografie musste ich mit Erstaunen feststellen, dass uns beide neben dem Interesse an der Musik, nicht nur der gleiche Vorname verbindet, denn wir können auch beide, jeder auf seine Art, auf eine recht ordentliche sportliche Karriere zurückblicken (er im Basketball und ich im Tischtennis), die jeweils dann durch eine Verletzung abrupt beendet wurde, was mir allerdings nach fast zwanzig Jahren Aufenthalt in Deutschlands beiden Oberhäusern im für Sportler biblischen Alter von 36 Jahren sicher leichter fiel, als einem jungen Spund in seiner Sturm- und Drangzeit.
So landeten wir beide im Musikbusiness: Daniel Hall als aktiver und kreativer Musiker, meine Wenigkeit, schrieb zwar einige Texte, wie z.B. den des gleichnamigen Titelsongs der Southern-Rock-Band Street Survivors, die mit ihrer Debüt-CD einige Beachtung in der Szene fand, und es zumindest bis ins Vorprogramm der Südstaaten-Top-Band Molly Hatchet schaffte, wurde dann aber aufgrund beruflicher und familiärer Verpflichtungen zum Kritiker der Gilde.
Beschränken wir uns jetzt aber auf Daniel Hall. Sympathisch macht den Deutsch-Amerikaner, dass er sich trotz diverser Angebote, nicht von einem Major einvernehmen ließ, obwohl er auch aufgrund seines Aussehens ideal zu vermarkten wäre. Der Junge wählte lieber die Zusammenarbeit mit Produzenten Franz Plasa (Selig, Echt) und dem bereits o.a. Label, das ihm die nötigen Freiheiten zur Umsetzung seiner Ideen gewährten.
Erster großer Erfolg: Daniel wird zum Performer der Pro7 We-Love-To-Entertain-You-Kampagne auserwählt und setzt sich dabei gegen namhafte Konkurrenz durch. Erwähnenswert sicher auch, dass er bereits vor einiger Zeit ein paar Songs mit George Michael geschrieben hat, der diverse Demobänder von Daniel begeistert zur Kenntnis genommen hatte. Die geplante gemeinsame Welttournee zerschlug sich leider, nachdem sich der Pop-Star mit seiner Plattenfirma überworfen hatte.
Daher wohl neben der eigenen Note auch die in großen Zügen unüberhörbaren musikalischen Parallelen zu den Soloscheiben der Ex-Wham-Diva, die sich wie ein roter Faden durch sein jetzt gerade erschienendes Pop-Album "System Overload" ziehen. Dazu kommen vielleicht ein paar Michael Jackson-, Stevie Wonder- und Britney Spears-Anleihen (zugegebener Maßen bin ich nicht gerade ein Experte des Genres). In meinem Plattenschrank stehen Interpreten wie Roachford, Anastacia, Dakota Moon oder Michael learns to Rock, deren Sachen mir noch im weitesten Sinn übertragbar erscheinen. Insgesamt recht einfach gestrickte, gut tanzbare und knackig produzierte Popmusik mit souligen Elementen, an der doch eher das junge Publikum seine Freude finden dürfte.
Mir persönlich gefallen die Stücke die ein wenig aus dem Rahmen fallen. Da ist das sonnig-leichte "Survive", das wirklich mal angenehmes Westcoast-Espirit der Marke America oder Poco versprüht. Klasse die Nummern wie "Drive" und "As Hard As You Take It" (dazu ist ein schöner PC-kompatibler Videoclip auf der CD), wo ziemlich dominante elektrische Rhythmus-Gitarren den Songs eine rockige Note verleihen. Richtige Lead-Gitarren sucht man allerdings vergebens auf dem Silberling.
Dem eingangs erwähnten "Everybody's Darling" wurde durch klebrig süße Stringarrangements und synthetisch klingende Drums leider viel von seinem anfangs erwähnten Charme genommen - schade. Was übrig blieb, ist die nette Melodie. Das über sechs Minuten dauernde Titelstück "System Overload" sticht nicht nur der Länge wegen aus dem Gesamtbild heraus. Die cool-jazzig relaxte Nummer mit leichten Hip-Hop-Gesangselementen verleiht dem Werk dann noch mal eine überraschende Variable.
Mir erscheint es fast so, als wenn Daniel Hall noch am Anfang eines Weges zu stehen scheint, und sich irgendwie noch selbst nicht so ganz sicher zu sein scheint in welche Richtung die Zukunft gehen soll. Um es mal sportlich auszudrücken: Für die erste Popliga hat der Bursche ohne Zweifel alle Voraussetzungen, muss aber wahrscheinlich dann doch irgendwann Kompromisse in Sachen Kommerz eingehen und auch noch für das heute übliche eine oder andere Skandälchen offen sein. Für einen ernstzunehmenden Rockmusiker bedarf es sicher der einen oder anderen zusätzlichen Trainingseinheit, ein paar Ecken und Kanten wären nicht schlecht, und vor allem die Einbindung etwas gitarrenlastiger Spielzüge.
Ob genügend Biss, das richtige Händchen und das gewisse Quäntchen Glück dazu kommt, um ein ganz Großer zu werden, werde ich weiter aufmerksam verfolgen.
Spielzeit: 54:08, Medium: CD, Safety Records, 2004
1: To Be With You 2: As Hard As You Take It 3: Out Of Order 4: Survive 5: Drive 6: Get It On 7: I Don't Know Enough 8: Forbidden Woman 9: I Wish 10: Everybodys Darling 11: U Got Me 12: System Overload
Daniel Daus, 8.9.2004