Ich war zugegebenermaßen relativ enttäuscht, als ich mir vor einiger Zeit ihre CD "There You'll Be" zugelegt habe. Von New Country keine Spur, die Produktion empfand ich trotz hochkarätiger Musikerbesetzung ein wenig blass und langweilig.
So ging ich an diese Thanksgiving-Fernsehproduktion mit eher gemischten, ja sogar ein weinig skeptischen Gefühlen heran, zumal fünf Stücke des o.a. Werkes hier ebenfalls eingebunden wurden, allerdings in überarbeiteter Form, wie sich im Verlauf herausstellen sollte.
Und, um es vorwegzunehmen, ich habe bisher keine Sekunde dieser DVD bereut. Wirklich sehr unterhaltsam und angenehm gemacht. Bei einer so schönen Frau wie Faith Hill hört das Auge eben mit.
So zum Beispiel beim Auftakt-Smash-Hit "When The Lights Go Down". Faith im schwarzen, langen, tief ausgeschnittenen Glitzerkleid, braungebrannt, zart geschminkt, mit lockig nach hinten toupiertem blondem Haar, umringt von einem großen Orchester und ihren Musikern in einem mit Holzfußboden bestücktem, großen Studio in Los Angeles, im dezenten Lichtspiel mit an der Decke hängenden Reflektoren in atmosphärische Bilder gesetzt.
Ihre Stimme kann sich in der prächtigen Akustik richtig ausleben, Gitarrist Dann Huff setzt mit einem tollen Kurz-Solo ein erstes Zeichen. Eine Delikatesse für Auge und Ohr!
Sollte man meinen, dass so eine Geschichte völlig auf den Hauptakteur fokussiert ist, so wird man angenehm überrascht.
Zweifelsohne dreht es sich um Faith Hill, aber die Künstlerin bettet sich durch ihr unaufdringliches Verhalten - von Arroganz oder Affektiertheit keine Spur - in ein perfektes Gesamtkonzept fließend ein. Man spürt, dass sie das starke Fundament, auf dem sie steht, zu schätzen weiß.
Wie sagte mal ein Fußballtrainer, ich meine es war Huub Stevens, damals noch tätig bei einem Essener Vorstadt-Klub: "Der Star ist die Mannschaft." In diesem Fall würde ich es so formulieren: Der Star ist die Band, und Faith ein sicherlich nicht unwichtiger Teil davon.
Da wären Drummer Vinnie Colaiuta, der seine Trommeln nicht erbarmungslos, sondern mit viel Gefühl bearbeitet oder der mit einer viel zu großen Schlägerkappe bedeckte Bassist Paul Bushnell, der mit groovenden Kopfbewegungen den Rhythmus der Songs lebt und mitgestaltet. Der vollbärtige Keyboarder Greg Matheison, mit seinem zum Zopf nach hinten gebundenem grauem Haar, der bei der Neukonzeption von "Let Me Let Go", auf Zuruf von Faith, um dem Song einen Gospeltouch zu verpassen, mal so eben spontan die Hammond Orgel dazwischen streut.
Nicht zu schweigen von den beiden Gitarristen. Wunderbar filigrane Arbeit von Michael Thompson und Musikkoordinator Dann Huff an den Akustik-, Rhythmus- und Leadgitarren, einfach Weltklasse.
Man höre sich "Breathe" an. Dafür wurde Carlos Santana verpflichtet. Ziemlich niedlich, wie Faith ihn ehrfürchtig in seinem Zimmer besucht, um den Song durchzusprechen und außer Fassung vor Glück zu sein scheint, mit einer solchen Legende arbeiten zu dürfen. Dabei ist sie doch längst selbst ein großer Star, der sich hinter niemandem verstecken braucht.
Und so sitzen dann Faith, Carlos, Michael und Dann auf Barhockern in diesem anfangs erwähnten, großen Studio. Die beiden letztgenannten liefern mit ihrem akustischem Spiel ein fulminanten Teppich für Carlos typisch eingeworfene E-Gitarren-Riffs und Mrs. Hills klare Stimme.
Als das Stück zu Ende ist pustet Faith ihre überwältigten Gefühle mit einem lauten Uuh heraus und das kann man nachempfinden. Wow, das war Gänsehaut pur!
Nicht zu vergessen auch die drei Backgroundsänger Perry Coleman, Lisa Cochran und Bekka Bramlett. Letztere ein Energiebündel und blonder Irrwisch, die ihresgleichen sucht. Sie hat ebenfalls locker das Zeug zur Frontfrau.
So passt einfach, ob live oder im Studio eingespielt, ein Mosaiksteinchen ins andere. Wirklich mal eine lohnenswerte Alternative zum stümperhaften Bildmaterial, was man von unseren Musikfernsehsendern tagtäglich bis zum erbrechen vorgesetzt bekommt.
Die live gespielten Lieder sind alle in einem kleinen Klub aufgenommen. Die Band ungezwungen und hautnah auf der Bühne. Da kann man richtig neidisch werden, hier in unserem Land leider undenkbar.
Die Musik hat sicherlich nichts mehr mit New Country zu tun, auch wenn sämtliche Akteure hauptsächlich im Genre beschäftigt sind, stört in diesem Fall aber nicht großartig. Es geht alles mehr in Richtung, wie Joe Cocker, Rod Stewart oder Tina Turner ihre Performances zu geben pflegen. Melodischer Pop-Rock würde ich sagen. Sämtliche Songs sind zwischen Midtempobereich und Powerballaden anzusiedeln.
Die Spielfreude steht einfach im Mittelpunkt. Da kriegt wohl selbst so ein alter Hase wie Dann Huff nostalgische Gefühle, in Erinnerung wohl an zurückliegende Giant-Zeiten, und zaubert bei "Back To You" ein heavy-melodic-artiges Solo in den Song. Stark auch das funkig-dynamisch dahinrockende "Free". Da kommt selbst der letzte Tanzmuffel aus den Hufen.
Interessant auch mal zu sehen, wie so ein Videoclip entsteht. Faith in Mitte von drei durchsichtigen weißen Leinwänden, auf denen nett anzusehende Mädels mit schrillen Plastikkopfbedeckungen ihre tänzerischen Fähigkeiten zum Besten geben.
Durch Wandlungsfähigkeit besticht die Gute, ähnlich wie Shania Twain, beim "Pearl Harbor"-Titelstück "There You'll Be", wieder mit pompöser orchestraler Begleitung, das sie als Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere bezeichnet, bei dem sie äußerlich ein wenig Julia Roberts nahe kommt, oder richtig jugendlich mit glattem Haar und Mittelscheitel wirkend, bei der rockig aufgepeppten Version von "This Kiss".
So richtig nett wird es dann für das männliche Auge beim angehängten Fotospezial. Ja, Gatte und ebenso Superstar Tim McGraw hat auch hier viel Feingefühl bewiesen. Ich kann mich zwar ebenfalls glücklich schätzen, eine attraktive Dame an meiner Seite zu wissen, aber wie fordert der Kollege Schneider doch immer so oft, auch den Blick mal über den Tellerrand zu werfen. In diesem Fall tat ich es sogar sehr gerne.
Bildqualität und Sound sind sehr gut.
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