Hannover Big Band
22. März 2009, Pumpwerk Wilhelmshaven
Pumpwerk Hannover Big Band
Pumpwerk Wilhelmshaven
22. März 2009
Konzertbericht
Stil: Big Band


Artikel vom 29.03.2009


Wolfgang Giese
»It don't mean a thing if it ain't got that swing«, so einst Duke Ellington.
Ja, den swingenden Elementen mangelte es so gar nicht, als sich die 17 Musiker der Big Band um ihren Bandleader Lothar Krist zum 15. Mal im Pumpwerk vorstellten, und das - man bemerke - ohne Gage! Der Reinerlös aus den Eintrittsgeldern kommt wie immer kulturellen Zwecken der Stadt zugute. Und dass die Kassen relativ gut klingelten, dafür hatten reichlich anwesende Besucher gesorgt.
Ein, für Jazzveranstaltungen nicht gerade üblich, gut besuchtes Haus überraschte mich dann auch wieder, obwohl ich feststellen musste, dass gut 80 % der Besucher auch sonst nicht unbedingt bei Jazzveranstaltungen anwesend sind. Und 'eingefleischte' Jazzer konnte ich andererseits so gar nicht erblicken.
Wieso eigentlich - war das anderer Jazz am Sonntag Nachmittag um 17.00 Uhr?
Musik zum Tanztee? Aber das ist eine andere Geschichte, hier geht es um die Hannover Big Band und ihre Vorstellung.
Die Band existiert nun bereits seit 1987 und 'beherbergt' professionelle Jazzmusiker, die sich, so erfuhren wir, jeden Montag Abend treffen, um zu proben! Und genau das hörte man auch - die Arrangements waren perfekt, das war dermaßen stimmig, die Band harmonierte so wunderbar miteinander, dass es eine Freude war, dieser daraus erwachsenden Elastizität im Spiel zu lauschen.
Ferner zeichnet sich die Band durch eine große stilistische Bandbreite aus, die es ermöglicht, sich verschiedenen Musikrichtungen zu öffnen, so auch belegt durch diverse Projekte in Verbindung mit Kirchenmusik beispielsweise.
Doch das Konzert am Sonntag war bestimmt durch drei Elemente: Erstens eine Hommage an den großartigen Klarinettisten und Bigband-Leader Benny Goodman, zweitens einige Arrangements von zeitgenössischen Titeln und drittens die Vorstellung des Gaststars, nämlich des Perkussionisten Nené Vásquez aus Venezuela, der u.a. mit Shakira, Celia Cruz, Bootsy Collins und Mousse T. zusammenarbeitete.
Diese drei Teile erstreckten sich über den Zeitraum von ca. 17.10 Uhr bis 19.40 Uhr, inklusive einer viertelstündigen Pause und zwei Zugaben.
Besetzt war die Band mit fünf Holzbläsern (Saxofone, Klarinette, Flöte) sowie neun Blechbläsern, mit fünf Posaunen und vier Trompeten. Dazu Piano, Bass und Schlagzeug, sowie später der genannte Perkussionist.
Der Benny Goodman-Reigen wurde mit dem "St.Louis Blues March" von W.C.Handy eröffnet und weiter ging es mit Titeln wie "Let's Dance", "Flying Home" und einem wahren 'Showcase' für ein Trio aus Klarinette, Piano und Schlagzeug, in dem Günther Peschke (cl), Andy Mokrus (p) und Michael Aures (dr) die Positionen von Benny Goodman, Teddy Wilson und Gene Krupa mit dem Stück "I Got Rhythm'" einnahmen - und das höllisch swingend und mitreißend!
Mit voller Kraft gab es satten Sound pur, u.a. mit "Jumpin' At The Woodside" und einer Komposition eines zeitgenössischen Swingers, Gordon Goodwin, mit seiner Widmung an Benny mit dem Titel "Sing Sang Sung", der auf unterhaltsame Weise den Stil Goodmans in die Neuzeit transferierte.
Nach der Pause dann der 'moderne Teil', wiederum mit einem Marsch beginnend: dem berühmten Stück von Benny Golson, das dieser auch schon mit Art Blakey's Jazz Messengers aufgenommen hatte, den "Blues March".
Eine wirklich außergewöhnliche Komposition Golsons durften wir auch miterleben: Das Stück "Vas Simeon", zu dem Golson angeblich inspiriert worden sein soll, als vor seinem Fenster ein Skateboardfahrer ständig hin- und herfuhr und ihn offensichtlich nervte. Das von einem Saxofon vorgestellte Thema bohrte sich ohrwurmmäßig schnell in die Gehörgänge und wurde durch das hervorragende Arrangement von der restlichen Band sehr gut 'umspielt'.
Anfänglich ein wenig zögerlich und nur bei "I Got Rhythm" etwas im Vordergrund, konnte sich hier der Pianist bei diesem Hard Bop-Titel entsprechend entfalten, wie auch die übrigen Musiker nun bei den modernen Arrangements, mehr Spielraum für ihre Soli erhielten.
Und, wie Lothar Krist bemerkte, seien alle Musiker auch Solisten. Hierbei fiel mir besonders positiv einer der Trompeter, Daniel Zeinoun, auf, der mit spitzem Ton in kraftvolle Höhen vorstieß und bei mir Erinnerungen an Maynard Ferguson weckte. So konnte er dieses besonders in dem nun folgenden, mehr lateinamerikanisch orientierten Teil mit Mambo- und Salsaklängen zeigen; zum Beispiel bei einem Stück seines Trompeterkollegen Arturo Sandoval.
Nun war der Gaststar Nené Vásquez an der Reihe. Mit großen Schritten eilte er aus dem Publikum herbei, erklomm schwungvoll die Bühne und setzte sich an seine drei Trommeln. Im Schwenk der Band zu den neuen Klängen, untermauerte er durch sein perkussives Spiel den hitzigen Sound, den man von 'coolen Norddeutschen' vielleicht so gar nicht erwartet.
Die erhoffte Präsenz eines 'special guests' und der damit im allgemein einhergehender besonders hervorstechender Virtuosität vermochte Vásquez meiner Meinung nach nicht ganz zu erfüllen, waren seine beiden Soloeinlagen nicht unbedingt von der erhofften Ideenvielfalt gestaltet. Im Dialog mit dem Band-Drummer konnte Vásquez den 'Vorteil' seiner lateinamerikanischen Herkunft aus meiner Sicht zumindest nicht ausspielen, war ihm Aures in seinem elastischen Spiel doch mindestens gleichwertig im emotionalen Ausdruck.
Und überhaupt wusste der Drummer durch sein einfühlsames Spiel in den unterschiedlichen Stücken zu überzeugen.
Mein persönlicher Höhepunkt war dann der letzte Titel des offiziellen Teils, eine Komposition von Chick Corea: "La Fiesta". Ursprünglich bekannt geworden ist diese Nummer auf 'der Platte mit der Möwe', dem ECM-Album "Return To Forever", das Corea 1972 zusammen mit Joe Farrell, Stanley Clarke, Flora Purim und Airto Moreira vorlegte.
Hier, in der Big Band-Bearbeitung, zusammen mit der lateinamerikanischen Perkussion, wurde dieses Stück zu neuem Leben erweckt, das spanische Element riss emotional mit und Krist brachte ein feines Solo auf der Querflöte.
Anschließend gab es zwei Zugaben, wobei die letzte sehr geschickt gewählt wurde: Die wunderschöne "Moonlight Serenade", die Serenade, die uns leicht romantisch-beschwingt auf den Heimweg entließ. Ein schöner Abschluss eines sehr guten Konzertes, dass uns zeigte, dass Jazz noch nicht ganz tot ist, solange er auch, wie im Falle der Hannover Big Band, fast schon eher als 'Freizeitvergnügen' betrieben wird.
Allen Freunden guter Musik empfehle ich, eine der nächsten Auftrittsmöglichkeiten zu nutzen:
26.04.2009 Soltau
20. und 21.05.2009 Hannover
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