Harem Scarem / Mood Swings II
Mood Swings II Spielzeit: 57:24
Medium: CD
Label: Frontiers Records, 2013
Stil: (Melodic) Hard Rock


Review vom 02.11.2013


Jochen v. Arnim
Noch vor wenigen Tagen hatte ich das Glück, diese allseits beliebte Truppe aus dem kanadischen Toronto live und in Farbe auf den Brettern der Bühne des niederländischen Rock Temple sehen zu dürfen und schon liegt die neue Scheibe bei mir im Player. "Mood Swings II" heißt das gute Stück und es kommt sogar noch mit einer Bonus-DVD daher.
"Mood Swings"? Das hatten wir doch schon mal vor zwanzig Jahren. Richtig, 1993 war das Teil erstmalig erschienen und just zum Jubiläum dieser Scheibe reinkarnieren die Jungs die Band und nehmen die alten Stücke neu auf. Dem aufmerksamen Follower der Szene war bestimmt nicht entgangen, dass sich die Combo vor einigen Jahren aus dem Geschäft zurückgezogen hatte. Kürzlich allerdings gab man bekannt, fortan (zumindest zeitweise) wieder die Fahne hochzuhalten, auf eine kleine Promo-Tour zu gehen und eben jener "Mood Swings" frisches Leben einzuhauchen.
Dass so etwas auch mal ganz schön in die Hose gehen kann, wird für keinen Leser eine bahnbrechende Neuigkeit sein. So manch ein Künstler hat sich schon dazu hinreißen lassen, seine alten (und guten) Stücke der Restaurierung zu unterziehen und dabei auch noch dem Wandel der Zeit Rechnung zu tragen. Heraus kamen dabei oft Songs, die mit der ursprünglichen Version (und dem zeitlichen Kontext) nicht mehr viel gemein hatten.
Unsere Jungs hier haben das allerdings unterlassen und stattdessen alles quasi originalgetreu eingespielt und nur etwas frisch gemacht. Dazu gibt es noch drei ganz feine Bonustracks, die wir auf der Originalversion nicht finden und zudem eine Bonus-DVD. Letztere (Laufzeit ca. 20 Minuten) beinhaltet eine Dokumentation des Re-Making der "Mood Swings" in Interview-Form sowie einige Audio-Files von den Aufnahmen.
"Saviors Never Cry" ist nach wie vor der Opener und erinnert einmal mehr an den (für mich) unsterblichen Status, den sich dieser Song eingespielt hat. Hier stimmt erneut einfach alles: die Melodieführung, die Gesangsharmonien, der Refrain - und das Feeling. AOR at its best, und zwar ohne Weichspüler.
Harem Scarem transportieren das kompromisslos und glaubhaft in unser Jahrtausend. Den Vocals von Harry Hess, nebenbei übrigens erfolgreicher Produzent, merkt man die zwanzig zusätzlichen Jahre nicht an und Pete, ach Pete, der spielt immer noch so schön Gitarre, reißt die Riffs runter, flicht ein paar fantastische Licks ein und bringt die Soli nach wie vor makellos. Davon kann man sich direkt beim zweiten Track, "No Justice"; überzeugen (und dass das live ebenso hervorragend klappt, müsst Ihr mir mal einfach so glauben).
Balladen konnten sie damals schon - und die können sie auch heute noch bis zur absoluten Vollendung. "Stranger Than Love" hat alles, was so eine Power-Ballade braucht, gute Instrumentierung, mehrstimmige Gesangsharmonien, minus Schmalz. Ich glaube, man muss diese Zeit 'damals' aktiv mitgemacht haben (oh Gott, wie scheiße klingt das denn!), um sich von der Musik so richtig mitreißen lassen zu können. Das sind melodisch-harte Mitgröler allererster Sahne und auch das an vierter Stelle folgende "Change Comes Around" gibt Zeugnis dazu ab - nicht umsonst ist es einer der Encore-Songs der aktuellen Tour.
Weiter und weiter reicht ein Kracher dem nächsten die Hand, mal ein wenig balladenhaft, mal knackig rockend (und ab und zu gibt es sogar mal einen Anflug funkiger Töne bei "Jealousy"). Für "Sentimental Blvd." greift Sonst-Drummer Darren Smith zum Mikro und singt die Lead Vocals ein - wie auch bei der Show und macht eine richtig starke Figur, besonders im Wechsel mit den Lesperance'schen Gitarrenläufen. Dessen Fähigkeiten bekommen wir auch noch einmal in dem Instrumentalstück "Mandy" zu Gehör, nur leicht unterlegt von ein wenig Tastenarbeit
Irgendwann ist dann Schluss mit der originalen "Mood Swings"-Abfolge und es geht über zu den drei Bonus-Tracks. Diese wurden, wie auch im Interviewteil bestätigt, nach althergebrachter Manier mit neuzeitlichem Touch eingespielt und zeigen, dass man sich selber treu sein kann, ohne jedoch auf sinnvolle Konzessionen an die Jetztzeit verzichten zu müssen.
"World Gone To Pieces" ist eine ganz starke Power-Ballade mit Hard Rock-Einschlägen, cooler Gesangslinie und einem eingängigen Refrain. "Anarchy", ebenfalls für dieses Re-Make geschrieben, haut genauso voll in dieselbe Kerbe und lässt uns die Erinnerung an 'days gone by' schmerzlich spüren. "Brighter Day" dagegen driftet ein wenig in Richtung Weichspüler-Pop-Rock-Stammtisch, aber nicht durchgängig. Entschädigend wirken hier wieder die Fähigkeiten von Sonnyboy Lesperance, seinen Saiten tolle Töne zu entlocken.
Leute, wer es nicht schafft, sich die Combo in ein paar Tagen in Ludwigsburg beim H.E.A.T.-Festival anzusehen, wo sie sicherlich auch wieder die komplette Scheibe spielen werden, dem sei dringlich angeraten, ein paar Münzen lockerzumachen und sich die "Mood Swings II" an Land zu holen. Dicke (und voll voreingenommene) Kaufempfehlung!
Line-up:
Harry Hess (vocals, keyboards)
Pete Lesperance (guitars, bass, keyboards)
Creighton Doane (drums)
Darren Smith (backings, lead vocals - #6)
Tracklist
01:Saviors Never Cry
02:No Justice
03:Stranger Than Love
04:Change Comes Around
05:Jealousy
06:Sentimental Blvd.
07:Mandy
08:Empty Promises
09:If There Was A Time
10:Just Like I Planned
11:Had Enough
12:World Gone To Pieces
13:Anarchy
14:Brighter Day
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