Frontiers Records ist ein italienisches Label, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, Musik für erwachsene Leute heraus zu bringen. Nach Soul Sirkus und Hartmann hab ich nun Harem Scarem auf dem Tisch. Und gleich beim ersten Durchgang wird klar: auch hier sind alles andere als pickelgesichtige Spätpubertierende am Werk. Hier wird "anständiger" Hard Rock für gestandene Leute geboten.
Die kanadische Band hat in ihrer knapp 20-jährigen Vita so einiges an Stilrichtungen belegt:
Glam-Rock, Pop-Rock, der (viel zitierte) "Wetten, dass"-Rock, Melodic Rock, AOR und Grunge. Damit wurde sicherlich einigen Fans immer mal wieder vor den Kopf gestoßen, andererseits aber auch neue Anhänger dazu gewonnen. Außerdem: Welche Band kann schon von sich behaupten, ein Album für jede Stimmung herausgebracht zu haben?
Die aktuelle Veröffentlichung "Overload" ist mit ihrem Gitarren-Sound wieder in Richtung Grunge unterwegs, aber nicht auf die sonst - zumindest meine - Nerven strapazierende Art und Weise. Harem Scarem klingen frisch und sehr kraftvoll. Harry Hess hat eine ganz besondere, leidenschaftliche und ausdrucksstarke Art zu Singen, Pete Lesperance spielt sehr gekonnt die - meist tiefer gestimmte - Gitarre, Creighton Doane haut ein sehr zackiges Schlagzeug drüber und Barry Donaghy setzt mit seinem bissigen Bass-Spiel Akzente. Zu erwähnen sind auch die Backing Vocals von Pete und Barry sowie Darren Smith - aber dazu später mehr.
Die Songs auf "Overload" sind zu zwei Drittel hart, intensiv, sehr melodisch. Gegen Ende des Albums gibt es - für die Romantiker unter uns - etwas balladeskere Töne. Auch Prog-Fans werden auf ihre Kosten kommen dank einiger Rhythmuswechsel und der musikalischen Abwechslung.
Anspieltipps:
Der Opener "Dagger" gibt einen guten Einblick in die Gesamtwirkung der Scheibe: Hard-Rock Gitarren in Kombination mit melodiösem, sanftem Gesang in den Strophen und harten Grunge Refrains - die Mischung ist sehr gelungen!
"Forgive & Forget" hat einen schönen Mit-Sing-Ref; meine Nackenmuskulatur schmeißt wie von selbst meinen Kopf rhythmisch noch vorne, das Stück ist ein echter Ohrwurm.
Mein absoluter Lieblingssong auf "Overload" ist aber Nummer 7, "All You're Getting". Harry Hess und Pete Lesperance geben auf ihrer Bandhomepage Freddie Mercury bzw. Brian May als musikalischen Einfluss an. Und dieser Song ist eine Hommage an ihre Helden. Ja, Harem Scarem klingen mehr nach Queen als diese heutzutage selber, inklusive Freddie-ähnlicher Stimme, Brian-May Gitarren Sound und Solo und dem charakteristischen mehrstimmigen Backing Chor - klasse Song!
Bei den Balladen möchte ich Euch "Understand You" ans Herz legen - wenn Bon Jovi diesen Song spielten, würden sämtliche Radiostationen das Stück den Rest des Jahres rauf und runter nudeln.
In einige Songs kann man auf der Bandhomepage reinhören.
Mit dieser Scheibe wird wohl ein Teil der Harem Scarem-Fans nicht wirklich glücklich sein, nach den doch eher poppigen Veröffentlichungen vorher. Aber man kann es halt nicht jedem recht machen. Mir gefällt das Album mit seinem härteren Sound sehr gut. Acht harte, überladene Rocktimes-Uhren zum Beweis!
Spielzeit: 40:41, Medium: CD, Frontiers Records 2005
1:Dagger 2:Afterglow 3:Rise And Fall 4:Don't Come Easy 5:Can't Live With You 6:Gorgive & Forget 7:All You're Getting 8:Leading Me On 9:Understand You 10:Same Mistakes 11:Wishing (bonus track)
Ella Wirtz, 16.05.2005
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