Ja, der Plattentitel ist hier Programm - nämlich die Aufforderung, die Tür weit geöffnet zu lassen! Bereits der erste Titel, einer von zweien mit Saxofon, löst dadurch eine besonders abwechslungsreiche Stimmung aus. Der Kontrast zwischen diesem Instrument und dem Sarode, einem indischen Saiteninstrument, bildet eine gewisse Spannung und Reibung - ein Treffen zwischen Ost und West. Schade, dass diese Kombination nicht durchgehend vorgeführt wird. Gleichzeitig geben bei diesem Stück Ruhe und Unruhe einander die Hände. Es beginnt recht beschaulich, ein guter Drive mit perlend-packendem Pianosolo und federnden Schlagzeug entwickelt sich im Laufe der Spielzeit - gleich ein Auftakt nach Maß, der etwas ganz Besonderes verspricht.
"Leave The Door Open", die Tür wird nun offen gelassen, die Gitarre bestimmt stark die Ausprägung und hier passt das Sarode als weiteres Saiteninstrument sicher besser für den einheitlichen Sound. Dazu der akustische Bass und das ganz filigran agierende Schlagzeug, mit dem Hauptaugenmerk auf den Becken. Ja, auch hier wird das mit der Eröffnung eingeleitete Versprechen nach großartiger und interessanter Musik eingelöst! "Madhuvanti" stellt sich dann mit erneutem Einsatz des Saxofons vor. Von der Stimmung her und hinsichtlich der wirbelnden Rhythmik erinnert das stark an Shakti, jener akustischen Formation mit John McLaughlin.
Ruhig, beschaulich dahinfließend - das ist "Multiplicity", der erste Song, der durch die menschliche Stimme unterstützt wird und musikalisch ganz in die indische Richtung treibt. Gleichzeitig ist es mit fast elfeinhalb Minuten der längste Song des Albums. Auch hier ist die Gitarre wieder ein wichtiges Element, ständige Rhythmuswechsel und der für viele sicher gewöhnungsbedürftige Gesang stellen den Song für 'Normalhörer' und stressgeplagte Seelen sicher ins Abseits. Aber das ist wahre Fusion, neben Folk und freien Elementen strömen Jazz und Jazz Rock mit ein, verleihen dem Titel den Anschein einer kleinen Suite.
Nun war ich gespannt auf die Version des alten Bluestitels von Willie Dixon, "Spoonful", zudem ich von diesem bereits verschiedene, interessante Bearbeitungen kenne, die sich außerhalb des eng gesteckten Bluesumfelds damit befasst haben. Die geslidete National Steel führt uns hinab ins Mississippidelta, das schwebende Schlagzeug versetzt in dezente Jazzstimmung und die Orgel bringt weitere Farbe hinein. Nun, ein Blues ist es auf diese Weise nicht geworden, dafür aber ein sehr gutes Beispiel dafür, wie man mit artfremdem Material und ganz anderem Arrangement auch umgehen kann. Es folgt ein traditionelles Stück aus Bengal, hier auch mit Gesang - das ist viel East und wenig West.
"Turning World", die sich drehende Welt lebt von verschachtelten Melodiefolgen, Musik, die einerseits eher dahinschwebt und andererseits spontan reagiert, bis dann der Blues vom Bergteufel den Blues als Element transportiert, und ihn vom Mississippidelta nach Afrika und Indien und wieder zurück trägt. Die Slide ist stilbestimmend und der Sound erinnert mich stark an jene gemeinsame Platte von Ry Cooder mit Vishwa Mohan Bhatt, "A Meeting By The River". "Deep River" - wie mit Musik zu einem Film werden wir, unseren Gedanken überlassen, in eine für jeden Hörer individuelle Welt verabschiedet und ich freue mich zurückschauend über eine sehr gelungene, ganz hervorragende Produktion. Schade ist aus meiner Sicht nur, dass die ersten vier Stücke über eine gute lange Spielzeit verfügen und die Musik sich so gut entwickeln kann, doch dass die restlichen Songs dann in dieser Hinsicht ein wenig zu kurz kommen.
Zusammengefasst betrachtet hat man die Möglichkeiten vielfältig genutzt, einerseits die Ausprägung gen Osten, andererseits gen Westen und als zusätzliche Variante die gelungene Fusion beider Elemente.
Line-up:
Joel Harrison (guitars)
Anupam Shobhakar (sarode)
Gary Versace (piano, organ, accordion)
Hans Glawischnig (acoustic & electric bass)
Dan Weiss (drums, tabla)
David Binney (alto saxophone - #1,3)
Todd Isler (percussion - #6,8)
Bonnie Chakraborty (voice - #6)
Chandrashekar Vase (voice - #4)
Tracklist |
01:The Translator (9:50)
02:Leave The Door Open (7:03)
03:Madhuvanti (8:04)
04:Multiplicity (11:26)
05:Spoonful (6:19)
06:Kemne Avul (3:17)
07:Turning World (3:23)
08:Devil Mountain Blues (3:47)
09:Deep River (5:47)
(compositions by Joel Harrison, except #3, 4 by Shobhakar,
#5 by Willie Dixon, arr. Harrison, #6 Bengal tradionial arr. by Harrison,
#8 by Shobhakar/Harrison, #9 trad., arr. Harrison) |
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Externe Links:
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