Der Weltraum...unendliche Weiten...wir schreiben das Jahr 1972...das
Raumschiff Hawkwind mit seiner sechs Mann starken Besatzung bricht auf
um....Aber lassen wir das!
Hatten Hawkwind auf ihren ersten beiden Alben ("Hawkwind" von 1970 und "In
Search Of Space" von 1971) bereits die richtige Idee und ihre Nische im Rock
'n' Roll-Zirkus gefunden, so sind diese Frühwerke mit bereits beachtlichen
Songs im Nachhinein aber eher als Vorbereitung für ihr Meisterwerk zu
sehen, welches ihnen mit "Doremi Fasol Latido" gelang.
Und das hatte mehrere Gründe. Ein Hauptgrund war die 'Einstellung' eines
gewissen Ian 'Lemmy' Kilmister, der zwar Gitarrist war, weil aber Dave Brock
dieses Instrument zukünftig weiterhin alleine übernehmen wollte, zum Bassisten "degradiert" wurde. Und degradiert ist hier ganz bewusst in Anführungszeichen gesetzt, da sich Lemmy auch schon im Herbst 1971 nicht mehr als 'Unterstützer', sondern vielmehr als 'Gestalter' sah.
Die bisherigen Köpfe der Band, Dave Brock und Nik Turner, hatten plötzlich
einen neuen 'Wind' an ihrer Seite, der nicht nur musikalisch auf ihrer
Wellenlänge war, sondern auch einen nicht unerheblichen Teil zur
Entwicklung und zum Fortschritt der Band beitragen wollte und vor allem auch
konnte. Dies barg natürlich auch jede Menge Konfliktpotential, aber
der Zweck heiligte auch hier wieder mal die Mittel. So geschehen, als es
einen Song namens "Silver Machine" gab, der ursprünglich von (dem
sporadischen Gruppen-Mitglied) Robert Calvert eingesungen, aber als nicht
(Gesangs-) akzeptabel empfunden wurde. Nachdem sich danach Brock und Turner ebenfalls vergeblich versucht hatten, wurde die Single mit Lemmys Gesang veröffentlicht und erreichte eine fantastische Nr. 3 Platzierung in den
englischen Charts.
Plötzlich war Hawkwind ganz oben und es war höchste Zeit, dies mit dem
nächsten Album zu untermauern. Und das nach der C-Dur Tonleiter benannte
Album "Doremi Fasol Latido" hatte es in sich. Dieses, meiner Meinung nach
beste Werk der Engländer, startet mit dem 11:32 Minuten Kracher
"Brainstorm", der keine Gefangenen macht und den geneigten Hörer
raketenmäßig in Richtung Weltall schickt, bevor man mit dem langsameren,
aber noch spacigeren "Space Is Deep" dann endgültig in die Milchstrasse
befördert wird.
Nach dem kurzen Piano/Bass Intermezzo "One Change" setzt das Raumschiff mit
dem patentierten 'Lemmy-Bass-Motor' seine Expedition dann wieder erheblich
rockiger fort, um dem "Lord Of Light" einen Besuch abzustatten. Aber da es
die Kumpanen auch dort nicht länger als sieben Minuten halten kann, treibt
es sie weiter "Down Through The Night", auch hier wie in "Space Is Deep"
wieder mit wunderschöner Akustikgitarre, die Brock völlig losgelöst zu
der "Time We Left This World Today" führt, auf dem gesamten Trip von Beginn
des Albums an, begleitet von den Space-Synthesizern von Del Dettmar und Dik
Mik. Treibend und hypnotisch!!
Und als Schlusspunkt des eigentlichen Albums konnte Lemmy, teilweise
wohl wegen dem Erfolg von "Silver Machine", vor allem aber wegen seiner
Willensstärke und Durchsetzungskraft, seinen ersten (für Hawkwind) sowohl
eigenkomponierten als auch gesungenen Song auf einem Album dieser Truppe
unterbringen. Das Ergebnis: Brock war sauer und verließ das Studio. Der
Song: "The Watcher". Zwar nicht so spacig in der Instrumentierung wie der
Rest des Albums, aber ebenso spannend und futuristisch durch seinen wohl auf
George Orwells "1984" bezogenen Text. Gruselig schön!!!
Ein voller Erfolg. Das Album beinhaltet keinen Filler und ist als das Space-Rock-Album überhaupt in meinem Platten- bzw. CD-Schrank
einsortiert. Auf dem mir vorliegenden schönen Digi-Pack, welches 'EMI
Records' 1996 veröffentlichte, sind mit den Songs "Urban Guerilla" und
"Brainbox Pollution" (Single A- und B-Seite vom August 1973), einem
Single-Edit zu "Lord Of Light" und einer vorher unveröffentlichten Version
von "Ejection" vier Bonustracks enthalten.
Danach folgten in nahezu gleicher Besetzung die Alben "Space Ritual" (1973,
damals eine Doppel-Live-LP und KULT!!!), "Hall Of The Mountain King" (1974)
und "Warriors On The Edge Of Time" (1975), bevor Lemmy Kilmister aus
hypokritischen Gründen gefeuert wurde, denen jedoch eher Machtkampf-Konflikte zu Grunde lagen.
Die Folge? Hawkwind kamen ab von ihrem Weg und verloren sich in immer
poppigere Winkel des Alls und die von Lemmy gegründeten Motörhead traten
langsam, aber sicher, ihren Weg in den Rock-Olymp an.
Wie auch immer: Für mich gibt es keinen geileren Weltraum-Trip! Ein
Meilenstein der englischen Rockmusik!
Spielzeit: 59:08, Medium: CD, EMI Records Ltd., 1996 (1972)
1:Brainstorm (11:32) 2:Space Is Deep (6:20) 3:One Change (0:50)
4:Lord Of Light (6:59) 5:Down Through The Night (3:04) 6:Time We Left This
World Today (8:43) 7:The Watcher (4:10) 8:Urban Guerilla (3:41) 9:Brainbox
Pollution (5:42) 10:Lord Of Light [Single Edit Version] (3:59) 11:Ejection
[previously unreleased version] (3:47)
Markus Kerren, 28.03.2006
|