Hellmüller Risso Papaux / Waiting For You
Waiting For You Spielzeit: 56:32 (CD 1), 50:55 (CD 2)
Medium: Doppel-CD
Label: Unit Records, 2013
Stil: Jazz

Review vom 22.08.2013


Wolfgang Giese
Heute stelle ich erneut ein Jazztrio vor, Hellmüller Risso Papaux. Aber nicht, wie es in letzter Zeit meistens der Fall war, in der Besetzung Piano/Bass/Schlagzeug, sondern das Piano macht in diesem Trio der Gitarre Platz. In dieser Besetzung gab es in der Vergangenheit auch schon einige Vorbilder, sei es in den Fünfzigern und auch in den Sechzigern, aber keine jener Formationen ist mit dieser hier zu vergleichen. Diese Musik hätte in ihrer Gestaltung auch in den Siebzigern entstehen können und von der ungefähren Stilrichtung hinsichtlich einiger der Titel ließe sich das Debütalbum von Pat Metheny, "Bright Size Life", heranziehen, 1976 auf ECM veröffentlicht und mit Jaco Pastorius und Bob Moses eingespielt. Für die damalige Zeit war das (und ist es noch) für mich ein Referenzalbum, aber an jener Musik sollte man die auf dieser aktuellen Doppel-CD des Schweizer Trios auch nicht messen. Der Gitarrist Hellmüller mag noch am ehesten den Ton von Metheny treffen, aber auch ein wenig von John Abercrombie schwingt mit. Risso spielt jedoch am Bass ganz anders als sein oben genannter Kollege und zu Papaux am Schlagzeug springt mir - zumindest nach den ersten beiden Titeln der ersten CD - Paul Motian entgegen, denn er spielt ähnlich ruhig und gestaltend.
Zusammen bilden die Drei ein sehr gut eingespieltes Team, die Musik fließt locker und unverkrampft auf sehr hohem Niveau - und das nicht kühl und akademisch, sondern schon mit sehr viel Gefühl. Dabei sticht besonders die Interaktion der Musiker positiv hervor. Wenn man sich die Zeit nimmt, intensiv und unvoreingenommen zu lauschen, dann werden einem viele Feinheiten und die Intuition in der Gestaltung auffallen. Ja, ein kollektives Erlebnis scheint es für die Band zu sein, und an diesem Kollektiv kann man als Hörer sehr angenehm teilhaben.
Einerseits wird Schweizer Präzision präsentiert, die aber auch vor Offenheit und Ungeordnetem nicht Halt macht. Die Form der weitgehend ruhig und entspannten bzw. entspannenden Musik wird gelegentlich durchbrochen, beispielsweise durch eher freie Ausgestaltung ("Bricherasio", "Walk In The Winter") oder marschierendem Rhythmus in "Schneegestöber". Doch so wie wir mit "Sehnsucht" (und irgendwie sehnsüchtig klingt der Song auch) und melancholischem Unterton aus der ersten CD verabschiedet werden, der unweigerlich ins Träumen gleiten lassen kann, ist der Gesamteindruck der Musik überwiegend.
CD zwei startet mit einem teilweise hypnotischen Stück, das unter anderem fernöstlich klingende Elemente einbindet, plötzlich improvisieren Bass und Gitarre und eröffnen eine andere Welt - ein sehr empfehlenswerter Titel, der etwas abweicht. Aber auch sanfte Elemente frühen Jazz Rocks, etwa in Richtung Weather Report, halten Einzug, hier mit "Late Night". So hält die zweite CD etwas mehr an Überraschungen bereit, die Musik scheint sich mehr zu öffnen und weitere Einflüsse zuzulassen. Auf jeden Fall dringt mir mehr gespielte Kreativität ins Ohr und das ist eine sehr positive Überraschung, nachdem bereits die erste CD sich angenehm bemerkbar machen konnte.
So scheint es fast, als hätte man den Hörer zunächst mit viel Ruhe auf ein gewisses Level gebracht, damit er nun bereit ist, sich anderen Horizonten zu öffnen und diesen positiv und aufgeschlossen zu begegnen. Wunderbar die Interaktion auf "Notre Premier", wenn das scheinbar unkontrolliert dahinschwebende Stück an Entwicklung zunimmt, man sich offensichtlich gegenseitig die Bälle zuwirft und mit ihnen allein und doch zusammenspielt. Mal wird der Bass schräg gestrichen, dann scheint der Drummer nur zu improvisieren und der Gitarrist schleicht sich durch verträumte Sequenzen. Bis es dann mächtig rockt!! "Ca Bouge" ist eine weitere Nuance mit einer weiteren Überraschung dieser drei Musiker, die so traumhaft und kreativ miteinander verkehren.
Ja, hier ist nicht der Gitarrist der Star, es ist nicht das Franz Hellmüller Trio, das hier spielt - der Name der Band zeigt es ja bereits: hier agieren Hellmüller Risso Papaux!!! Schade, mit "Svol" ist das alles schon wieder vorbei. Nur gut, dass man nun die erste CD erst einmal wieder einlegen kann!
Line-up:
Franz Hellmüller (guitar)
Stefano Risso (bass)
Marcel Papaux (drums)
Tracklist
CD 1:
01:Confidentiel [Hellmüller] (8:08)
02:Herbst-Zeit-Lose [Hellmüller] (5:01)
03:Fade [Risso] (4:30)
04:Waiting For You [Hellmüller] (5:03)
05:Nick [Risso] (5:15)
06:Last Summer Night [Hellmüller] (7:43)
07:Walk In The Winter [Hellmüller-Risso-Papaux] (2:53)
08:Schneegestöber [Hellmüller] (4:39)
09:Evensong [Hellmüller-Risso-Papaux] (4.14)
10:Sehnsucht [Hellmüller] (8:45)
CD 2:
01:Viaggio [Risso] (7:40)
02:Bricherasio [Hellmüller-Risso-Papaux] (10:40)
03:Valpellina [Risso] (5:05)
04:Late Night [Hellmüller-Risso-Papaux] (3:28)
05:Notre Premier [Hellmüller-Risso-Papaux] (5:00)
06: Ça Bouge [Hellmüller-Risso-Papaux] (2:04)
07:Unverhofft [Hellmüller] (2:04)
08:Getting There [Hellmüller-Risso-Papaux] (2:54)
09:Crepuscolo [Hellmüller-Risso-Papaux] (1:55)
10:Svol [Risso] (8:34)
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