Hildegard / Same
Hildegard Spielzeit: 46:05
Medium: CD
Label: Eigenproduktion 2015
Stil: Art Pop, Prog Rock, Jazz Pop, Avantgarde


Review vom 11.07.2015


Ingolf Schmock
Zugegebenermaßen blockiert eines Rezensenten tastenführender Drang anfänglich jene Vorstellungen, sich eines Plattenlabels und deren bis zum Erbrechen angepriesenen Innovationskanonaden sowie musikalisch mit übermäßigem Kunstwollen und zumeist selbstverlorener Virtuosität verbastelten Produkten vorbehaltlos anzunehmen.
Bisweilen unterliegen jedoch journalistische Neugierde allem ersten Nackenhaarsträuben und brechen durchaus erste Hörproben eben jenen Bann, musikalisch als Kunst sowie mit einem altdeutschen Bandnamen etikettierte Stilvermischungen mit taktiler Feinsicht zu sezieren.
Naheliegend scheint demnach der Umstand, dass unser an dieser Stelle zu besprechendes Debütwerk sein gleichwohl kompositorisches Seltsamkeits-Konzept und mit Widerhaken versehenes Wohlklang-Mäntelchen dem schöpferischen Einfluss der einst erfinderischen Jazz-Ur-Schmieden nebst Multikulti-Traditionen am Mississippi-Delta unterlag.
So bleiben indes die Intentionen zum Bandprojektnamen Hildegard vermutlich in den Vorlieben für historienverwobene Äbtissinnen und unter deren schwarzen Tuch insgeheimer Inspirationsquellen vorerst verborgen, des Schöpfers musikalische dagegen, eine mit studentischen Kunstadern durchzogene Vita.
So feilten der mittlerweile weit über die Bundesstaaten-Grenzen hinaus renommierte New Orleanser Frickel-Gitarrist und Notentüftler Cliff Hines sowie die vokalisch der enormen Sogkraft zeitgenössischer, zudem exotischer Jazz-Kombinationen verschriebene Sasha Masakowski schon geraume Zeit an jener großkopferten Studio-Erstgeburt.
Ein selbsternanntes Artrock-Ensemble und eine nicht zuletzt um dessen Dirigenten gescharte Ansammlung avantgeprüfter Musiker exerzieren hierbei ein sowohl nicht immer kantenfreies Stück elektroversponnene und zudem rockige Verspieltheit, als auch eine akustisch einlullende High-Fashion-Konfektion.
Ein wahrhaftig farbenreiches Klangfest zieht sich durchs gesamte Machwerk, rauschen die wohlgemerkt anspruchserfüllten Kompositionen mit dem digital modernisierten Scharfsinn der Jetztzeit samt ihrer unorthodoxen Taktarten und kunstdevoten Instrumental-Texturen wie ein friedlicher, dennoch nicht gänzlich unbewegter Fluss dahin.
Dabei gleichen Hines' Fingerfertigkeiten denen eines Connaisseurs edler Saitenkomponenten, gereichen dem Wohlklang eines gestreichelten, bis zum modulatorisch kratzbürstigen, zudem pompgestützten Akkorde-Abklopfens und versenkt dieser seine stilistischen Mimikry-Gaben im bisweilen schwungvoll wavigen und Crimsonesken Ensemble-spielerisch aufbereiteten Klangbecken.
Mit einer unaufdringlichen Liebe zur stimmlich wohltuenden Gravidität beschwören obendrein Awards-Anwärterin Sasha Masakowskis aphrodisierende und überdies latinwurzelige Sangesformeln, die teils an Soundtracks vernebelter Film Noirs und äquatorial angefixte Pop-Preziösen erinnern, das reizüberflutete Klangbild.
So kämpfen dabei nicht selten Sashas liebreizende Fragilitäten gegen temporär synthetische Backpfeifen und musikalisch vertrackte Versuchsanordnungen verbünden sich anderseits gleichwohl mit dem melodiebegabten Gebinde aus wattebauschenden Jazz-Seligkeiten sowie Artrock-kontaminierten Pop-Bastarden.
Wirkt das meiner Meinung nach für populärmusikalische Kunstauslotungen und Entdeckungs-Garantien gegenüber aufgeschlossene Prognerds empfehlenswerte Debütwerk anfangs stilistisch noch konfus oder gar als tönender Triumphmarsch zur Höchstkultur, so erschließt sich dessen schlüssiger Genius spätestens beim zweiten Durchlauf.
Ich bin mir sicher, Hildegards jenseits musikalischer Dürreperioden aktionierende Fähigkeiten, ausgefuchste Schwurbel-Melodien in einem zugleich verstörenden wie musikalisch schillernden Kokon zu verspinnen, werden noch von sich reden machen.
Line-up:
Cliff Hines (guitar, bass VI, vocals, synthesizer, string arrangements)
Sasha Masakowski (vocals, synthesizer)
Max Zemanovic (drums, percussion)
John Maestas (guitar, synthesizer)
Max Moran (bass)
Andrew McGowan (piano, Rhodes, organ)

Guest Artists:
Ciel Rouge (drum programming - #1)
Joe Shirley (synth & drumming programming - #2,5)
Lulu Reeks, Susan Miller Boldissar (strings - #2,4,6,7)
Oliver Bonie, Emily Frederickson, Stephen Lands (horns - #2,7)
Nicholas Solnick (percussion- #1,3)
Paul Thibodeaux (percussion - #7)
Martin Masakowski (acoustic bass - #2,4,6,7)
Tracklist
01:A-Z
02:Sally Brown
03:Siren Song
04:Karma
05:Cabin 72
06:Austria
07:Isolation
08:The Witness
09:Quetzal
10:Vanishing Hue
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