The Hollies / Midas Touch - The Very Best Of
Midas Touch - The Very Best Of Gesamt-Spielzeit: 155:11
Medium: Do-CD
Label: EMI Records Ltd., 2010
Stil: Beat, Rock, Psychedelic

Review vom 17.03.2010


Grit-Marina Müller
Neulich in der Gemüseabteilung: Noel Gallagher schlendert vorbei an Broccoli, Paprika und Sellerie zu den Weißkohlköpfen aus ökologisch einwandfreiem transzendentalem Anbau. Nach sorgfältiger Selektion fasst er das schönste Exemplar ins Auge. Da schiesst die ausgestreckte Hand eines sympathischen, gutaussehenden Best Agers von gegenüberliegender Seite direkt ins malerische Zentrum dieses zauberhaften Stilllebens und schnappt dem Oasis-Mastermind das auserwählte Prachtstück vor der Nase weg. Das Gesicht zur Faust geballt, verschiebt Gallagher die berüchtigten Augäpfel Richtung Norden und weitet verdutzt die Pupillen. Vor ihm stand kein Geringerer als Hollies-Frontmann Tony Hicks, verschmitzt lächelnd mit der saftig-blättrigen Trophäe in der Hand. Noel Gallagher lockert behutsam die finster versteinerte Miene und versöhnt sich augenblicklich mit dem smarten, hoch verehrten Dieb: »Love yer band man - You've got the songs! « ...
So in etwa kann es sich zugetragen haben, glaubt man den einleitenden Worten Bobby Elliotts im Booklet der brandneuen Hollies-Anthologie "Midas Touch", wonach Tony Hicks und Intim-Verehrer Noel Gallagher ihre schmeichelhaften Einkäufe offenbar im selben Supermarkt erledigen. In der Tat seien die Leute immer wieder überrascht, wieviele der unsterblichen Sixties-Perlen aus den charakteristisch stimmgewaltigen Goldkehlen der Hollies drangen, erklärt Elliott die Tragweite des gemeinsamen Lebenswerks. Grund genug also, die nächste Generation darüber in Kenntnis zu setzen, wer auf "Carrie Anne" an der 'Bushaltestelle' wartete, sich dafür bei "Suzanne" entschuldigte und zeitgleich bereits "Jennifer Eccles" hinterher pfiff.
Die Botaniker unter den Britpoppern der ersten Stunde waren übrigens tatsächlich Buddy Holly-Fans. Benannt haben sich die Engländer allerdings nicht nach dem personifizierten Heiligenschein mit der markanten Nickelbrille, sondern nach den Zweigen einer Stechpalme, erfährt der interessierte Leser im einschlägigen virtuellen Lexikon. Eine Mordswaffe halten die piekenden Hollies heute nun in den nicht mehr ganz so jungen Zweigen - »A catalogue of songs to kill for ...« nämlich, schwärmt stolz Stechpalmen-Urwuchs Bobby Elliott, Rhythmusgeber des brillanten Glitter-Quintetts, das zu keinem Zeitpunkt wohl jemals Anlass hatte, irgendwelche Selbstzweifel hegen zu müssen.
So präsentiert sich die neue Best-Collection in luxuriös-schlichtem Stil: Goldbarren von überdimensionaler Größe umrahmen die hitträchtigste Frühbesetzung der Band auf dem Plattencover.
Der 'königlichen Berührung' nähert man sich auf "Midas Touch" in sage und schreibe 48 Songschritten. Eine Auslese unwiderstehlicher, unheilbarer melodiös-harmonischer Infektionen, die sich nicht nach wertenden oder chronologischen Gesichtspunkten richtet. Auch die Platzierung auf den 2 CDs entzieht sich der Möglichkeit analytischer Schlussfolgerungen. Kurzum - die Hollies fahren "On A Carousel" fröhlich, frisch und quicklebendig quer durch die Jahrzehnte auf dem schwindelerregenden Höhen-Niveau ihrer Welt-Erfolge. Denn Triumphe feierten die letzen großen britischen Invasoren gleichermaßen auf ihrem Feldzug jenseits des Atlantiks. Ein glanzvolles Arrivée, das längst nicht jedem noch so ambitionierten Charts-Act aus dem Vereinten Königreich gelang. Hollies-Trademarks à la "He Ain't Heavy He's My Brother" und der gnadenlos schwülstige Schmachtfetzen "The Air That I Breathe" raubten den Amerikanern ebenso gnadenlos ihren schmachtbezüglich routiniert geglaubten Atem.
Die Cleverness der amtlichen Beatles-Konkurrenten lag nicht zuletzt in ihrem instinktiven Gespür für die Auswahl treffsicherer Fremdkompositionen einiger Songwriter-Hochkaräter in den goldenen Jahren. Hollies-Synonyme wie "Bus Stop", "Look Through Any Window" oder das coolistische "Schoolgirl" beispielsweise, stammen aus der Feder des Pop-fachlichen Universalgenies Graham Gouldman. Gerry Goffin schrieb die charmant-getreue Einverständniserklärung "Yes I Will", ein Stück, das die Hollies 1965 'Fab-Four'-stilistisch - wenn nicht verwechselbar identisch intonierten. Nicht jeder Hollies-Classic-Konsument wird "Honey And Wine" kennen, eine unheimlich intelligent aufgebaute, dramatisch verführerisch swingende Traum-Nummer, wiederum aus dem schöpferischen Dreamhouse Gerry Goffin/Carole King. Diese Nr. 9 auf CD 1 darf als absoluter "Midas Touch"-'Geheimtipp' gelten!
Lächeln wird das verträumte Ohr bei der leicht vergagten Fast-Forward-Version des vielfach interpretierten Maurice Williams-Klassikers "Stay". Und ordentlich Feuer unterm Hintern macht "Mickey's Monkey" aus der Gold-Fabrik der Motown-Kapazitäten Holland/Dozier/Holland. Dass die Hollies mit Allan Clarke, Graham Nash und Tony Hicks überdies natürlich ihre Ohrwurm-Spezialisten in den eigenen Reihen hatten, muss kaum erwähnt werden. Bewusst wird es einem aber wieder einmal, wenn man Graham Nashs string-verliebten "Butterfly" fliegen hört oder Hicks und Clarkes "I'm Down" auf den soundmagnetischen Erdboden unerschütterlicher Tatsachen folgt. Als sprichwörtlicher Überflieger gar war "Man With No Expression (Horses Through A Rainstorm)" im Hollies-Zweigwerk entstanden, um wenig später mit Graham Nash gen Westen auszuwandern und eine neue Heimat im überirdischen Repertoire des US-Super-Trios Crosby, Stills & Nash zu finden.
In den frühen Siebzigern behaupteten sich die Harmony-Kings von der britischen Insel trotz mehrfacher Besetzungswechsel mit Kampfgeist und angesagtem, lehrbuchgerechtem Blues Rock: "Hey Willy", "Curly Billy & Sam McGee" atmen den authentischen Staub südlich gelegener, hitziger Bühnen im Whiskey-Dunst und rücken die Rhythm-Section um Bobby Elliott souverän ins Rampenlicht. Stiller wurde es in den folgenden Jahrzehnten, Platten hat man aber weiterhin fleißig produziert, mit bescheidenerer, doch stets loyaler Resonanz. Und die Hollies im Jahre 2010? Ja, die gibt es! So futuristisch das klingen mag, so realistisch tickt die Uhr im unaufhaltsamen Rad der Geschichte. Einige Aufnahmen des aktuellen Tourgeschehens mit Hicks und Elliott als einzigen Originalen aus dem 60er Line-up künden von nach wie vor live-munteren Hollies in solider konstitutioneller Form. Eher klassisch-gediegen wirkt inzwischen die Performance, qualitativ sauber und gefällig die neuen Kompositionen, etwas verhaltener mittlerweile der Applaus ...
Die Speed-Dater von einst und ihre damals blutjungen, kreischenden Fans leben seit langer Zeit im Happy End einer treuen, glücklichen Ehe miteinander. "Midas Touch", das von Hicks-Sprössling und Grammy-Gewinner Paul Hicks stereo-mix-technisch co-verfeinerte Schmuckstück, scheint ein ideales Geschenk anlässlich ihrer goldenen Hochzeit zu sein. Und am 15. März feierten die Hollies das große Ereignis in denkbar würdigster Weise - beim Einzug in die Rock And Roll Hall Of Fame.
Tracklist
CD 1:
01:Here I Go Again (2:19)
02:Bus Stop [1997 Digital Remaster] (2:55)
03:I'm Alive (2:24)
04:I've Got A Way Of My Own [1997 Digital Remaster] (2:14)
05:King Midas In Reverse [new stereo mix] (3:08)
06:Sorry Suzanne [1998 Digital Remaster] (3:00)
07:Rain On The Window [1999 Digital Remaster] (3:11)
08:Heartbeat [1995 Digital Remaster] (3:36)
09:Honey And Wine [2003 Digital Remaster] (2:29)
10: (Ain't That) Just Like Me [1997 Digital Remaster] (1:58)
11:Jennifer Eccles (2:43)
12:Listen To Me (2:40)
13:Butterfly [1999 Digital Remaster] (2:42)
14:The Air That I Breathe [2003 Digital Remaster] (4:11)
15:Soldier's Song [2003 Digital Remaster] (4:01)
16:Pay You Back With Interest [1998 Digital Remaster] (2:43)
17:Long Cool Woman [In A Black Dress] [2003 Digital Remaster] (3:17)
18:Look Through Any Window [1997 Digital Remaster] (2:17)
19:On A Carousel (3:31)
20:Just One Look (3:54)
21:Carrie Anne [1998 Digital Remaster] (2:56)
22:We're Through (2:15)
23:Searchin' (2:24)
24:Stop Stop Stop (2:48)
25:Too Many Hearts Get Broken [2003 Digital Remaster] (4:50)
26:The Baby [Live] (3:54)
CD 2:
01:I Can't Let Go [1997 Digital Remaster] (2:25)
02:Gasoline Alley Bred [1998 Digital Remaster] (3:54)
03:Dear Eloise [1998 Digital Remaster] (3:05)
04:He Ain't Heavy He's My Brother (4:20)
05:Man With No Expression [Horses Through A Rainstorm] [1998 Digital Remaster] (3:24)
06:This Wheel's On Fire [1999 Digital Remaster] (2:54)
07:Yes I Will (2:55)
08:Stay [1997 Digital Remaster] (2:13)
09:Schoolgirl (3:04)
10:Mickey's Monkey [1997 Digital Remaster] (2:30)
11:Hey Willy (3:28)
12:The Day That Curly Billy Shot Down Crazy Sam Mcgee (3:49)
13:I'm Down [2003 Digital Remaster] (4:11)
14:So Damn Beautiful (4:04)
15:The Woman I Love [2003 Digital Remaster] (3:35)
16:Take My Love And Run [2003 Digital Remaster] (3:42)
17:Laughter Turns To Tears [2003 Digital Remaster] (4:12)
18:Don't Let Me Down [1996 Digital Remaster] (4:20)
19:I Can't Tell The Bottom From The Top (3:46)
20:If The Lights Go Out [First Version] [2003 Digital Remaster] (3:29)
21:Then, Now, Always [Dolphin Days] (3:31)
22:I Would Fly [Live] (4:00)
Externe Links: