HYDE Experiment / HYDE
HYDE Spielzeit: 34:11
Medium: EP
Label: Metal Mammut, 2010
Stil: Prog Death Metal

Review vom 11.12.2011


Andrea Groh
HYDE - hat das etwas mit verstecken (englisch: to hide) zu tun? Man könnte es meinen, als ich die Promo einer italienischen Truppe erhielt, auf der eben jener Name stand, über die erst einmal im Internet wenig zu finden war, wenn man nicht nach HYDE Experiment suchte, weil dies der eigentliche Bandname ist und "HYDE" lediglich der Titel der EP.
"Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde" (Originaltitel: "Strange Case Of Dr. Jekyll And Mr. Hyde"), die Novelle von Robert Louis Stevenson gehört bekanntlich zur Weltliteratur.
Mr.Hyde - der unterdrückte (versteckte), böse Teil des 'Ich' des Protagonisten, bzw. wenn man es mit Sigmund Freud betrachten will ist Dr. Jekyll das 'Über-Ich', das gegen das 'Es' (Mr. Hyde) kämpft.
Wo könnte man sein 'Es' besser von der Leine lassen als in einem Film oder einer Band?
2008 kamen fünf Musiker in Vicenza, Italien, auf die Idee, musikalische Grenzen und Gesetze zu überschreiten, also ihr 'Es', ihren 'Mr. Hyde' loszulassen.
Nach einiger Entwicklungszeit und einem Besetzungswechsel in der Position des Schlagzeugers erschien 2010 die erste EP "HYDE", wobei EP hier knapp 35 Minuten bedeutet, da die vier Tracks allesamt Überlänge aufweisen.
Nach einer kurzen gesprochenen Sequenz geht "Bereft Of Reason" los und macht seinem Titel ('der Vernunft beraubt') alle Ehre: Eine Mischung aus proggigen Riffs, klimpernden Keyboards und Death Metal Gebrülle. Dazwischen abgedreht wirkende Fuddelparts und harte, kantige Gitarren. Dann plötzlich ganz zart und mit Klargesang, bevor gegen Ende wieder die Keule ausgepackt wird.
Der Folgesong "Cypress" bietet ebenfalls keine Entspannung im Schatten von alten Bäumen, sondern haut in die gleiche Kerbe. Nicola brüllt hier fast schon in Metalcore-Manier (man muss beinahe befürchten, dass die titelgebenden Koniferen vor lauter Schreck anfangen zu nadeln), dazwischen gibt es schräge Sounds, sowohl von den Tasten- als auch Saiteninstrumenten.
Klare erkennbare Strukturen sind wiederum Fehlanzeige, in jedem Moment muss man mit einem Umschwung rechnen, wie eine Verwandlung von Dr. Jekyll in Mr. Hyde.
Es kommen immer wieder andere Facetten des vernünftigen 'Über-Ich' und des wilden, bösen 'Es' zum Vorschein. Wie schon bei der bereits erwähnten Romanfigur tobt hier ein Kampf zwischen diesen beiden Seiten, wobei jede eine Zeitlang mal die Überhand gewinnt.
Beim dritten Song "Chilling Secrets" kann sich das Ruhige und Klare mal etwas länger halten. Dieser ist damit etwas zugänglicher als die ersten zwei und hat stellenweise schon eine fast sphärische Atmosphäre.
Doch die Bestie ist noch nicht besiegt, sie tobt sich dann wieder in "Primordial" aus. Dennoch wirkt die komplette zweite Hälfte der EP etwas gemäßigter als die erste. Kann das 'Ich' von "HYDE" nun langsam einen Ausgleich schaffen, pendelt sich allmählich auf einem niedrigeren Level ein oder habe ich mich nur daran gewöhnt?
Interessante und irgendwie faszinierende Sache, egal ob man das nun als Prog Death Metal oder Extreme Progressive Metal oder wie auch immer bezeichnet.
Seltsam ist es jedoch schon und für viele Hörer wahrscheinlich zu schräg, aber wenn man sich auf HYDE Experiment einlässt, hat man tatsächlich das Gefühl, einem solchen zu lauschen.
Seit der Veröffentlichung sind nun einige Monate vergangen, in denen die Band live aufgetreten ist - was macht eigentlich das Publikum auf solchen Konzerten? Stehen und staunen? Oder den 'Mr. Hyde' in sich loslassen und ungezügelt wild ausrasten?
Außerdem entschloss man sich, mit nur einem Gitarristen weiter zu machen, Frederico Leder ist mittlerweile nicht mehr dabei.
Line-up:
Nicola Traversa (guitar, vocals)
Daniele Ferraro (drums)
Federico Leder (guitars, backing vocals)
Chiara Giacon (keyboards, backing vocals)
Federico Saggin (bass)
Tracklist
01:Bereft Of Reason (8:15)
02:Cypress (9:27)
03:Chilling Secrets (7:42)
04:Primordial (8:48)
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