Schön, die Vorstellung, der struwwelköpfige, linkshändige Stratocaster-Messias und einstige dämonische Despot über ganze Heerscharen von Effektarsenalen würde an diesem denkwürdigen 27. November im erlauchten Kreis der ewig 27-Jährigen siebzig, auf einer paradiesischen Marihuana-Torte drapierte Kerzen aushusten, sowie mit blauem Stirnband in schlohweißer Haarpracht und transzendentalen Akustikorgien ein himmlisches "Electric Ladyland" errichten.
Mit anzunehmender Sicherheit werden heute wieder unzählige Jünger ihre vinylenen Hendrix-Devotionalien vom Staube befreien und in seinem halluzinogenen Geiste zu Fleisch mutierte Sechssaiter-Helden das Tremolo in Verzückung versetzen, der Eine oder Andere hingegen beim "Scuse Me While I Kiss The Sky" einige Tränen aus den Augenwinkeln tupfen.
Da ist uns gerade recht, dass ein promovierter und am 'künstlerischen Hungertuch' nagender Philosoph kurze verschmitzte Essays über den »elektrifizierten Gitarrengott« und die Stationen eines abrupt verglühenden Ikaruses als dünnes und dementsprechend hosentaugliches Machwerk anpreist. Hier würdigt kein Theoretiker, sondern ein gestandener Akademiker mit schwermetallischem Hintergrund (einst Saitenmalträtierer bei den mittlerweile zum Kult erstarrten Riff-Teutonen Salems Law) das nimmermüde Mysterium einer »überlebensgroßen Aura« und dessen postume Wertstellung.
Der sich literarisch sonst in musikalischen Absurditäten und abgründigen Pop-Kulturen tummelnde Braunschweiger lästert nur allzu gern über die allerwertesten Nebensachen des Alltags und schreckt bisweilen nicht davor zurück, gestressten Großtädtern augenzwinkernde Idyllisierungen des Landlebens zu verkaufen.
Frank Schäfers philosophisches Biotop liegt dennoch mehr im Musikalischen, gelten seine frotzelnden Abhandlungen über Rock-affine Tonträger doch als literarische Kleinode und popindustrielle Stolpersteine.
Seine jüngst verlegten collagenhaften Kurzgeschichten über den einstigen Gesalbten elektrisch verstärkter Saiten könnten somit bestenfalls als hilfreiche Vehikel für eine alljährliche und sakral anmutende Heldenverehrung oder als Gegenserum bei Erinnerungsfraß taugen.
So versetzte ihn Jimi erstmals auf einer mittachtziger Garten-Party in nostalgische Rührseeligkeit und, »durchglüht von einem anachronistischen Zeitgeist«, in den Zustand taktiler Love and Peace-Wahrnehmungen.
Unter den Gesichtspunkten aufgewärmter Binsenweisheiten diverser Kulturforscher und Kronzeugen wie die, der Düsseldorfer Gespielin und ihrer letzten Tage mit dem Idol, zappen sichSchäfers ironisierte Anekdoten durch Lebensabschnitte eines größenwahnsinnigen Lebemannes und genialisch getriebenen Gitarren-Stockhausen.
Untermauert von Klaus Theweleits Wissenschaftlichkeiten, welcher dessen Musik als einen »Übergang aus dem formierten Körper in einen individuell vibrierenden« und über dessen »eindringlichste wie schwebendste Verkörperung« dozierte, verblüfft er uns mit dem wohl einschneidendsten Augenblick einer mit allen Mitteln und reichlich Rauchwaren nach Selbstverwirklichung strebenden 60er Bewegung - Jimis Auftritt beim Woodstock Music & Art Fair-Festival.
Eine bei Sonnenaufgang intonierte, »vermeintlich zerstörerische Version« der amerikanischen Nationalhymne, welche gleichwohl die »Gedankenwelt einer Generation in Töne oder auch nur Geräusche« fasste und »fünfhunderttausend Heiligenscheine«, die »den Matsch und die Geschichte« segneten, bezeichnete sicherlich den Zenit seines flammenden Aufstieges.
Das letzte packende Saitengefecht jenes götzengleichen Zeremonienmeisters auf einer traurigen Ostsee-Insel, ein Memorandum für das klägliche Siechtum der Blumenkinder und das eher erbärmliche als rühmliche Ableben ihres Helden, dient dagegen als Staffage für eine inhaltlich misslungene Schnitzeljagd nach einem menschlichen Phänomen und dessen Psyche.
Zugegebenermaßen versteht es der spätgeborene Autor, Freudsche Wortwürste und kolumnistisches Sprachspiel mit leckerer Glasur zu versehen, scheitert aber, mit Verlaub, am klugscheißerischen Verbraten handwarmer Historien und journalistischem Halbwissen.
Schäfers immergrüne Weisheiten, dass jener gitarrenschwingende Unterleibs-Akrobat »jede Fender Stratocaster von der Stange gänzlich originär, individualistisch klingen« ließ, sind wohl hinlängst bekannt, eignen sich dennoch allenfalls, dank ihrer komprimierten Kürze, als popliterarisch schmunzelige Zwischenmahlzeit.
Ungeachtet einer alljährlichen, in postumer Gedenkmanier suhlenden Medien- und Publikations-Maschinerie werden dieser Tage wieder Millionen Gitarren-Missionierte bei Johnny Allens entfesselter Musizierkunst innehalten oder am Fehmarnschen Mahnmal ihre über alles geliebte Klampfe dem Feuerteufel opfern, wie es ihr Held einst tat.
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