Es war einmal - jaja, so fangen alle Märchen an - ich weiß.
Dies ist ein Konzertbericht aus einer Ära - so scheint es mir aus heutiger
Sicht - kurz nach dem Aussterben der Dinosaurier, anno 1969.
Zu dieser Zeit stand in Berlin eine wundervolle Halle, 'der Sportpalast',
mit einer traumhaften Akustik und einer einmaligen altmodischen Ausstattung, in der man glaubt, Goebbels hätte hier vor 10 Minuten den 'totalen Krieg'
ausgerufen.
Nun Goebbels war nicht mehr da - die Zeiten ändern sich gottlob - und
andere Götter eroberten den Sportpalast.
Auf einem Plakat in der Berliner Innenstadt war zu lesen: 'Konzert am 23 Januar 69, Jimi Hendrix Sportpalast'.
Halleluja - das war was für mich. Da muss ich hin - egal was oder wer
da kommt. Ich hatte nur zwei kleinere Probleme: das Taschengeld reichte
nicht und dann gab es auch noch meine Eltern.
Die hatten durch verschiedene Platten, welche bei mir im 'Dauerbetrieb' liefen schon einen 'Hendrixschaden'. Auf gut deutsch: sie konnten ihn nicht mehr hören, geschweige denn sehen.
Problem Nummer eins löste sich von allein, bzw. durch eine Spende meiner Großmutter. Problem zwei gab endlose Diskussionen - Verbot - wieder Diskussionen - Hinweis
auf Enterbung - na die ganze Prozedur.
Der Tag des Konzertes war gekommen und immer noch keine Entscheidung. Oh, ich war sauer, ich kochte und wollte meine Sippschaft auslöschen.
Es dunkelte - ein Telefonat - mein Vater musste in die Firma. Gut so, ein Gegner war weg - nun meine Mutter bearbeiten und nach dem 12. Anlauf klappte es. Sie kam mit - zwar murrend - aber sie kam mit.
Mit hängender Zunge kamen wir am Sportpalast an, leider zu spät für die
Vorgruppe, aber rechtzeitig für Hendrix.
Der Saal kochte als Jimix auf die Bühne kam. Genauso hatte ich ihn mir
vorgestellt - da war er und spielte sich den Hintern ab. Was der Knabe aus seiner Gitarre und seinen Verstärkern rausholte war nicht von dieser Welt.
Einige Songs sind mir bis heute unvergesslich geblieben. "Fire" - mit einem Drumsolo, dass mir die Ohren wegflogen, "Hey Joe", "Spanisch Castle", "Foxy Lady", "Red House", "Come On" und "Purple Haze".
Ich liebte ihn vom ersten Ton - seine Art zu spielen und sein Gesang: einfach außerirdisch.
Der nächste Song sollte mein Leben verändern: "Sunshine Of Your Love".
Hier bin ich wohl,laut Aussage meiner Mutter, völlig ausgerastet. Nach dem letzten Ton dieses Titels war ich für die restliche normale Menschheit nicht mehr zu gebrauchen.
Erst jetzt bemerkte ich diesen seltsamen süßlich Geruch in der Halle. Meine Mutter wechselte mehrfach die Farbe während dieses Konzertes. Lag es an der Musik oder an dem süßlichen Geruch? Ich habe sie nicht gefragt.
Das Konzert war aus, meine Mutter taub und dem Brechreiz nah. Ich jedoch
war glücklich.
Was danach zuhause abging möchte ich hier nicht mehr schreiben - ihr könnt
es euch denken.
Ja, das war mein erstes Livekonzert, dem ich beiwohnte. In diesem Sportpalast habe ich bis zu seinem Abriss noch schöne Stunden verbracht. U.a. Uriah Heep, Ten Years After und Deep Purple.
Anno 1973 war Schluss mit dieser Halle - ein Stück Berliner Baudenkmäler ist für immer gegangen.
Gegangen sind auch Großmutter, Mutter ( denen ich heute noch Liebe und
Hochachtung für ihre Güte, Milde und Nachsichtigkeit all meinen Macken gegenüber, entgegenbringe).
Geblieben ist Hendrix, der in meinen Gedanken und meinem Gitarrespiel heute noch so präsent ist wie anno 69. Geblieben ist auch der 'Brechreiz', wenn ich an der Stelle vorbeifahre wo einst dieser Sportpalast stand.
Wie konnte man den abreißen - dieser selten bekloppte Berliner Senat.
Geblieben ist auch mein Vater, der sich jedoch standhaft weigert, auf diese Zeit von mir angesprochen zu werden.
RockTimes dankt Evi Ivan, die uns Bilder ihrer Gemäldesammlung für diesen Artikel zur Verfügung gestellt hat.
Jimi Hendrix - Berlin, Sportpalast, 23.01.1969
Frank Hesterberg, 08.05.2005
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