Joe Henry / Blood From Stars
Blood From Stars Spielzeit: 57:15
Medium: CD
Label: ANTI, 2009
Stil: Singer/Songwriter

Review vom 15.08.2009


Wolfgang Giese
Joe Henry - ich war am Überlegen, den Namen hatte ich doch auch anderweitig schon einmal gelesen, bis mir schließlich einfiel, dass er relativ aktuelle Veröffentlichungen von Bettye LaVette, Solomon Burke und Mavis Staples produziert hatte, und ihnen einen großen Teil von Authentizität der eigenen Musik wiedergab, mit einem stark groovenden Sound.
Selbst ist er als Musiker schon lange aktiv, 1986 erschien sein Debüt, "Talk Of Heaven". Seit dieser Zeit hat er zehn weitere Alben, inklusive dieses neuen, veröffentlicht. Allen gemein, oder eben nicht, ist, dass sie größtenteils sehr unterschiedlich klingen.
War der Erstling noch sehr am Singer/Songwriter-Idiom orientiert, rockte der Nachfolger, "Murder Of Crows", schon beachtlich los. Als nächstes wieder ein ganz und gar akustisch und ruhig gehaltenes Album ("Shuffletown"), bis es dann in Country-Gefilde ging. Anschließend gab es wieder Rock, bis er nun auf dem neuen Album bei bluesigen und jazzigen Klängen angelangt ist, die man vielleicht am ehesten mit der Musik von Tom Waits vergleichen kann.
"Prelude": Die lyrische Einleitung am Piano, gespielt vom Jazzmusiker Jason Moran, der sonst nicht immer derart sanfte Töne anschlägt. Weiter geht's, so ganz im Stil eines Tom Waits, unterstützt von Marc Ribot, dem Gitarristen, hier am Koronet, einem alten, trompetenartigen Instrument. "Channel", das klingt dann schon wieder ganz anders, so wie die Musik dieser Platte ohnehin ganz anders klingt, als die anderen von Henry, dem 'musikalischen Chamäleon'.
Plattenkritiker sind in der Regel ohnehin daran gescheitert, Henry musikalisch einzuordnen, weil er, wie anfänglich erwähnt, in den verschiedensten Musikstilen unterwegs war.
Neben dem folkigen "This Is My Favorite Cage", das aber auch einen leichten jazzigen Touch trägt, dazu aber auch wieder eine Flamenco-orientierte Gitarre die Ballade mitbestimmt, sehr interessant; kommen mit dem nächsten Stück, "Death To The Storm", dramatische Momente zum Klingen - wieder einmal an Tom Waits erinnernd. Bluesiges fließt auf "All Blues Hail Mary" ein, aber ein Blues ist es eigentlich nicht, der Track atmet nur dessen Atmosphäre; und zwar werden hier alte Formen zitiert, der Mississippi lässt grüßen und die Samples hauchen dem Titel zu Beginn und zum Schluß noch etwas sehr Unheimliches ein: Gespenstisch scheinen hier Geister durch die schwüle Luft zu schweben, und mit verzweifelt klingenden Worten einer Stimme aus der Tiefe und einigen Perkussionsklängen verstummt das Stück abrupt, um sogleich der nächsten scheinbar düsteren Stimmung Platz zu machen. "Bellwether", ein Titel, der zum lasziven, aber extrem gefühlvollen Fingerschnippen animiert.
Das hat auch die Atmosphäre einer verräucherten Kneipe im düstersten Voodoo-Viertel einer Grossstadt der amerikanischen Südstaaten. Und dazu wieder das Koronet, das dem ganzen ein altes Jazzfeeling verleiht. Ich glaube, das ist mein Lieblingstitel, weil er so intensiv im Ausdruck ist, Verzeiflung und Begeisterung zugleich vermittelnd.
Henrys 17-jähriger Sohn, Levon, ist auf der Platte am Saxofon zu hören. Am besten kommt das auf den Titeln "Truce", wo er über sanft swingendem Rhythmus mit tupfenden Pianoklängen, der gespürten, aber extrem zurückgehaltenen Energie der fast ausbrechenden Gitarre ein lyrisches, watteweiches Solo legt, oder beim Instrumental "Over Her Shoulder", wo er fast, wie einst Ben Webster, verhalten, aber dennoch druckvoll haucht. Auf dem rumpelnden "Stars" spielt er dann zupackender und beherzter auf und zwar mit dem Sopransaxofon.
Ich glaube, hier wächst ein Talent heran, von dem ich gespannt bin, ob er sich noch intensiv dem Jazz zuwenden wird.
Zusammenfassend kann ich feststellen, dass sich auf diesem Album Hintergrundklänge wie auf den anfangs erwähnten Scheiben der von Joe Henry produzierten Musiker finden - immer sehr 'erdig' und sehr perkussiv rumpelnd.
Auffällig ist, dass trotz der festen Kompositionsstrukturen viele Freiheiten der einzelnen Musiker auszumachen sind. So gestalten sie auf diese Weise den oft spontanen Sound der Musik entscheidend mit, eine weise Entscheidung des Chefs! Damit kann das alles innovativ wirken, kann man stets neue Nuancen entdecken und diese Musik bleibt dauerhaft interessant. Nichts, zu dem man schnell Zugang findet.
Das wird im Umkehrschluss bedeuten, dass, trotz allen Kritikerjubels, auch diese Platte leider kaum bewirken wird, dass Henry einen Hit landet.
Ich wollte nicht scheiden ohne den diskreten Hinweis, dass Joe Henry eine sehr prominente Verwandte hat, ist der doch mit Melanie Ciccone, der Schwester von Madonna, verheiratet.
Line-up:
Joe Henry (vocals, guitar)
Marc Ribot (guitar, koronet)
Patrick Warren (keyboards)
Jason Moran (piano)
David Piltch (bass)
Jay Bellerose (drums, percussion)
Marc Anthony Thompson (vocals - #5)
Levon Henry (saxophone)
Keefus Ciancia (sampling)
Tracklist
01:Prelude:Light No Lamp When The Sun Comes Down (2:14)
02:The Man I Keep Hid (5:06)
03:Channel (5:20)
04:This Is My Favorite Cage (4:09)
05:Death To The Storm (4:59)
06:All Blues Hail Mary (5:27)
07:Bellwether (4:02)
08:Progress Of Love (Dark Ground) (4:28)
09:Over Her Shoulder (3:27)
10:Suit On A Frame (6:20)
11:Truce (3:46)
12:Stars(5:11)
13:Coda:Light No Lamp When The Sun Comes Down (2:36)
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