John Hammond / The Paris Concert
The Paris Concert
Instant-Lektion in Sachen Blues gefällig? Von einer echten Legende? Mit authentischen Video-Lehrbeispielen? Und das Ganze in einer tollen Live-Atmosphäre?
John Hammond - Live aus dem 'New Morning'-Club in Paris!
Zwei alte Gitarren, eine Handvoll Harps, zwei Mikros, ein Stuhl, ein aufmerksames Publikum und ein Mann wie der New Yorker Altmeister genügen, um die Bluesgeschichte in zwei Stunden aufzurollen. Am 19. Februar 2004 gab John Hammond ein beeindruckendes Solo-Konzert in seinem 'Lieblingsclub', erzählte charmant und überaus interessant in französisch und englisch über seine Begegnungen mit den schwarzen Bluesgrößen, mit denen er in den letzten 40 Jahren zusammen gespielt hat. Ein lebender Fundus, ein mitreißender Interpret der unterschiedlichsten Stile und Spielweisen auf der akustischen Gitarre samt Dobro und ein Meister auf der Mundharmonika.
Bluesfreunden ist John Hammond (jr) natürlich ein Begriff. Seinen Ruf begründete er in den frühen 60er Jahren als außergewöhnlicher junger und noch dazu weißer Harper, den selbst die konservativen Bluesmen aus Chicago und aus dem Süden gern auf die Bühne holten. Ein erster Meilenstein war seine LP "So Many Roads" von 1965, mit dem er auch internationale Anerkennung fand. Insgesamt veröffentlichte er rund 40 gute bis exzellente Alben, die ihn selbst zu einem Großen des Blues machten und für den der Titel 'lebende Legende' durchaus angemessen ist. Der Grammy- und mehrfache W.C.Handy Award-Gewinner bekam dafür diverse Auszeichnungen in verschiedenen Ländern. Aber erst im neuen Jahrtausend trat er auch als Songschreiber ins Rampenlicht. Sein letztes Album "In Your Arms Again" (2005) erhielt in vielen Musikzeitschriften genreübergreifend beste Kritiken und machte ihn außerhalb der Bluesgemeinde bekannter.
Noch davor trat er in Paris auf und das Konzert wurde nun auf DVD veröffentlicht. Puristischer und ehrlicher geht es kaum, allein vor Publikum, mit umgeschnallter Harp, sogar seine beiden verschrammten Gitarren werden nur akustisch abgenommen. Ein paar Spots sind wohl eher dazu da, das Bild für die Kameras etwas bunter zu gestalten. Selbst das hat der damals 62-jährige nicht nötig, seine Präsenz allein ist saalfüllend.
25 Titel, meist schnelleren Tempos, stehen auf der Setliste, Klassiker neben Unbekannterem, aber auch neueres Material. Drei Titel von Tom Waits, den er fast so verehrt wie den großen Chester Burnett. Wenn er dessen Songs spielt, dann hört man den legendären Wolf heulen, es gibt wohl keinen besseren Interpreten. Robert Johnson darf im Repertoire nicht fehlen, ebenso wenig Sonny Boy Williamson, Muddy Waters, John Lee Hooker und B.B. King, aber auch Jimmy Rodgers, Skip James, Blind Willie McTell, Blind Boy Fuller oder Big Boy Arnold. Auch die frühen Stones ("Spider And The Fly") und Chuck Berry ("Maybeline") tauchen auf.
Ob John Hammond ein Virtuose auf der Gitarre ist, erschließt sich mir nicht. Jedenfalls ein äußerst expressiver Harper, phänomenal, was er aus den Blechdingern rausholt. Überhaupt ist alles, was er macht, kraftvoll und energiegeladen. Für seine Performance gibt es nur einen Ausdruck: Emotion. Er schrubbt seine beiden Gitarren, reißt die Saiten hart mit Picks an Daumen und Zeigefinger an, jagt den Bottleneck (ein Ratscheneinsatz, wenn ich das richtig verstanden habe) über das Griffbrett und klopft darauf herum. Die Schrammen sprechen eine deutliche Sprache. Die Stimmung ist oft nicht ganz sauber und ob er immer die richtigen Töne trifft, das scheint ihm bei dem Tempo auch egal zu sein. Durch die Mikrophonaufnahme klingt sowieso alles recht harsch. Der linke Fuß stampft den Takt dazu. Auch seine Stimme schont er nicht, die kommt scharf, überschlägt sich oft (bewusst), jault, croont oder predigt, immer nah am Stil der Original-Interpreten. Hammond ist kein Stutenflüsterer, nichts für Schöngeister, sondern ein Shouter, der schwitzt, der brüllt, der den Blues auf der Bühne auslebt. Aber er kann auch ganz anders: Eine ausgesprochen zärtliche Version von Waits´ "Fanin Street".
Im Bonusmaterial gibt es noch mehr Anschauungsunterricht. Ein gut aufgelegter John mit seiner Gitarre beim Soundcheck oder backstage, weiter locker erzählend und die Spielweisen seiner Bluesfreunde vorstellend. Dazwischen Bilder vom Ehepaar Hammond im nächtlichen Paris.
Nun das ist bester, ursprünglicher, ungekünstelter Blues: sprich authentisch. Blues-Einsteiger werden damit sicher ihre Probleme haben, so rau und direkt, so wenig 'gewohnt' und 'unterhaltend' ist das, was da in zwei Stunden dokumentiert wurde. Aber alle, die wirklich zurück zu den 'Roots' wollen, können wohl kein besseres Anschauungsmaterial finden. Ergänzend dazu empfehle ich die beiden genannten Alben des Künstlers, die auch seine Entwicklung gut wiedergeben.
Zu wünschen übrig lässt aber das fehlende Begleitmaterial. Kein Booklet, nur Minimalinformation auf dem Cover mit einem Vorwort des Haus-Produzenten, aber nicht mal die Autoren der Songs (auch nicht auf den Internetseiten). Mangelhaft und respektlos für ein derartiges Medium. Gegenüber den Urhebern, den Blues-Fans und dem Rezensenten!
Der Sound ist angesichts der puristischen Bühnentechnik, ebenso wie die Bildqualität, sehr ordentlich. Auch die Kamera- und Schnittführung ist angemessen. Nur ein paar gekantete Aufnahmen (generell von der Back-Kamera, der Künstler sieht so aus, als wenn er ständig vornüber vom Hocker fallen würde) spiegeln halt einmal mehr den offensichtlich unbezwingbaren Regisseurtrieb wieder, das Geschehen 'interessanter' zu machen. Aber angesichts des 'Rockpalast'-Schrotts durchaus sehr ansehbar. Der empfindliche Rezensent hat die 126 Minuten plus diverser Um- und Rückblenden in einer Sitzung absolviert!
Technik:
Tonformat: Stereo, Dolby Digital 5.1., dts
DVD-Format, DVD 9, 4:3
Ohne Altersbeschränkung, Englisch, Ländercodefrei


Spielzeit: 126 Min., Medium: DVD, inakustik, 2006
1:Just Your Fool 2:Phonograph Blues 3:Fattening Frogs For Snakes 4:Get Behind The Mule 5:Who's Loving You Tonight 6:Walking Blues 7:Come On in My Kitchen 8:Mother In Law Blues 9:Love Changing Blues 10:Spider & The Fly 11:Slick Down Vric 12:No Place To Go 13:Step It Up And Go 14:My Time After A While 15:Can't Be Satisfied 16:Hard Time Killing Floor 17:Whish You Would 18:She's Tough 19:Jockey Full Of Bourbon 20:Homeless Blues 21:Someday Baby Blues 22:Maybeline 23:Fanin Street 24:Preaching Blues 25:Honest I Do
Norbert Neugebauer, 02.05.2006