Wie bei einigen 'jungen' Bluesern, deren Väter die Säulen des Blues waren, haben die Fußabdrücke ihrer Väter Dinosaurierausmaße. Die wollen erst einmal von Leuten wie Bernard Allison oder Big Bill Morganfield ( Muddy Waters Sohn) ausgefüllt werden. Ergeht es auch John Lee Hooker Jr., der nach "Blues With A Vengeance" (2004) seine zweite CD, "Cold As Ice", veröffentlicht, so? Dazu später…
Übersetzt man den Titel seines ersten Silberlings (Blues mit aller Macht), ist der schon ganz schön provokant, wie ich finde. Mit dem Album hat er allerdings einen Grammy eingefahren.
Ist das Cover meiner Meinung nach nicht gerade ein Hingucker, ist der Inhalt umso hörenswerter. John Lee Hooker Jr. hat (fast) nichts mit dem Delta-Blues seines legendären Vaters gemein. Sohnemann, so um die 50 Jahre alt, macht da eher sein eigenes Ding und das in einer Art, die imponiert und bewegt.
Im Alter von 18 Jahren war John Lee Hooker Jr. bereits auf einem Album von Hooker Sr. zu hören: "Live At Soledad Prison".
Und warum mit 50 Jahren erst zwei Alben veröffentlicht?
Über 25 Jahre Alkohl- und Drogenprobleme haben ihn von seinem musikalischen Schaffen abgehalten.
Umso gestärkter und gereifter ist Hooker Jr. jetzt am Ball.
Gegenüber seinem Debüt finden wir mit "I'm In The Mood" nur einen Song, der von seinem Vater geschrieben wurde. Die Grundstruktur des Tracks beibehaltend, entsteht hier alleine schon durch das Piano (Will Griffin, einer der zentralen Begleitmusiker) als auch durch die beiden Gitarristen John Garcia, Jr., der mit Albert Collins und John Lee Hooker Sr. spielte, und Jeffrey James Haran eine andere, nicht so deltaorientierte Version, die ihren Charme hat.
Bleiben wir gleich mal beim folgenden Stück: "I Got To Be Me". Mit jazzigen Anteilen erinnert Hooker Jr. sowohl musikalisch als auch stimmlich an Gil Scott Heron. Der Vergleich hätte sich bei seinem Vater nie aufgetan! An der Gitarre Gastmusiker Ray Rente, um das Gitarren-Trio komplett zu machen.
Das höllisch groovende "Cold As Ice" schlägt in die gleiche jazzige Kerbe. Typisch auch die swingende Gitarre von Garcia, Jr. Nachgewürzt wird mit der Horn-Sektion und einem Trompetensolo von Frankie Bailey.
"Oh Baby" glänzt durch dezent eingesetzte Slide-Gitarre und hat doch etwas vom alten Hooker.
Genauso wie auf seinem Erstling überzeugt Hooker am Mikrofon. Er spielt kein Instrument.
Hooker Jr. schöpft die gesamte Bandbreite des Blues aus. Funky-Feeling oder R&B, es wird alles bedient und das in hochklassiger Weise.
Mit "Do Daddy (Requiem For John Lee Hooker)" ruft er uns Hooker Sr. ins Gedächtnis zurück. Junior singt in lockerer Form über die Blues-Legende als Vater.
Schleppender, nach vorne treibender, hypnotischer Bluesrhythmus, den jede Konzertgesellschaft auf die Beine bringt, ist das fast neunminütige "4 Hours Straight/Blues Man". Im ersten Teil erzählt Hooker Jr. im wahrsten Sinne des Wortes. Im zweiten Teil ("Blues Man") singt er über seine Sozialisation in Verbindung mit dem Blues. Jimmy Reed, Muddy Waters u.a. werden genannt und das klingt echt: »I'm A Blues Man….«
Auch nach mehreren Hördurchgängen kommt keine Tristesse auf. John Lee Hooker Jr. hat zugeschlagen und mit seinen alleine oder gemeinsam mit seinem Bassisten Frank Thibeux, Gitarristen John Garcia, Jr. und Keyboarder Will Griffin geschriebenen Songs eine Marke gesetzt, die hoffentlich mit weiteren Veröffentlichungen gehalten wird.
Zunächst erfreuen wir uns aber an der aktuellen CD "Cold As Ice". Etwas, was vom Titel her in diesen heißen Sommertagen passt.
Auf der anderen Seite ist der Hooker-Blues nicht cool. Man möchte immer mehr davon: Die CD lässt momentan keine anderen Silberlinge im Player zu…
John Lee Hooker ist einmalig und, egal mit wem, ein Vergleich wird immer hinken. Also lassen wir das mit der Parallele.
John Lee Hooker Jr. zeigt, dass er die traditionellen Blues-Strukturen ohne Probleme in unser Jahrtausend transportieren kann. Wie ein roter Faden zieht sich in den Lyrics seine und die Geschichte seines Vaters durch "Cold As Ice".
Spielzeit: 54:23, Medium: CD, Telarc, 2006, Blues
1:You Blew It Baby (5:27) 2:Fed Up (4:52) 3:Cold As Ice (4:20) 4:Somebody's Out To Get Me (3:46) 5:Do Daddy (Requiem for John Lee Hooker) (3:20) 6:Wait Until My Change Comes (3:42) 7:4 Hours Straight/Blues Man (8:40) 8:Trapped (3:56) 9:I'm In The Mood (4:24) 10:I Got To Be Me (3:52) 11:Oh Baby (4:44) 12:Eva'body Pays Attention (2:57)
Joachim P. Brookes, 19.07.2006
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