Der Name
Merle Haggard ist eng verknüpft mit einem speziellen Begriff aus der Welt der Countrymusik, dem 'Bakersfield Sound'. Angefangen hatte es eigentlich mit
Buck Owens, der einen etwas härteren Stil auf der Gitarre in die ländliche Musik einbrachte. Einer der anderen wichtigen Musiker in der Entwicklung und Gestaltung dieses Sounds war eben
Haggard. Die Bedeutung dieser Stilrichtung ist heute viel geringer geworden. Nur noch einer hält im Popularbereich die Fahne so richtig hoch: Das ist
Dwight Yoakam.
Haggard hat im Laufe seines Lebens viele Scheiben veröffentlicht und dabei oft die Plattenfirmen gewechselt. Nun ist er bei Vanguard Records gelandet und dies ist sein zweites Album für diese Company.
Manchmal sind Alterswerke die besten - manchmal kann die Musik wie ein zweiter Aufguss wirken. Nun, "Working In Tennessee" ist eine gute Platte geworden. Auffällig ist, dass der Künstler so gar nicht dem typischen Sound, den er einst mitprägte, huldigt. Vielmehr bedient er sich verschiedener Stile der Countrymusik. Gleich der erste Titel geht eindeutig in Richtung Western Swing, "Down In The Houseboat" könnte glatt als ein Titel der
Amazing Rhythm Aces durchgehen, ein wenig
Dire Straits meine ich ebenfalls mitschwingen zu hören und das elektrische Piano ist so gar nicht Country-typisch, aber auf jeden Fall klingt das doch sehr nach dem Song "City Girls" von
J.J. Cale. Der alte Herr lässt sich offenbar nicht festnageln, das ist auch gut so. Vielmehr ist der mittlerweile Vierundsiebzigjährige, nach einer vor drei Jahren durchgeführten Teilentfernung der Lunge, recht gut drauf und hat ein sehr modernes Album abgeliefert, das sich der Tradition bedient, diese aber nie in Wohlgefälligkeit erstarrt wirken lässt. Der Outlaw von einst ist zwar geglätteter, aber ohne den gewissen Biss verloren zu haben. Spuren von Blues halten genau so Einzug wie Anklänge an eher unbequeme Titel, wie es sie einst von
Shel Silverstein gab. Ein gewisses Augenzwinkern meine ich immer wieder durchscheinen zu hören, wenn er beispielsweise im Titelsong seine nicht immer ganz unproblematische Beziehung zu Nashville zum Thema macht.
Klar, persönlich vermisse ich das spezielle Bakersfield-Feeling, doch diese stark subjektive Empfindung soll bei der qualitativen Beurteilung der Musik außen vor bleiben. Und ungeachtet dessen ist die Qualität sehr hoch, ob im träumerischen Gewand von "Sometimes I Dream", im groovenden "Truck Driver's Blues" oder im rockenden "Too Much Boogie Woogie", dem Titel, mit dem sich
Haggard bei
Emmylou Harris und
Willie Nelson bedankt. Auf zwei Titeln gibt es gesangliche Gastbeiträge: Der soeben genannte
Nelson ist beim "Workin' Man Blues" dabei, ebenso wie der Sohn
Ben Haggard und Gattin
Theresa unterstützt beim sicher allen bekannten "Jackson", das sich in einer flott abgehenden Version präsentiert.
Merle kommt dabei der Stimme von
Johnny Cash ziemlich nahe.
Also insgesamt betrachtet ist "Working In Tennessee" ein tolles und unterhaltendes Album geworden - weder ein reifes Alterswerk, dazu klingt es noch zu jung, noch eine Blaupause vergangener Tage, denen tieftraurig nachgetrauert wird.