»You took a sparrow and make it fly like an eagle«, heißt es in der gediegenen Ouvertüre des 'Spätstarters' - Tony Joe Whites "Out Of The Rain" präsentiert sich wunderbar dramatisch getragen und ungemein catchy. Ein brillanter Opener für ein exzellentes, arriviertes Album von entspannter Präsenz und erhabener Klasse.
Der vermeintliche Spatz von zierlicher Gestalt und kleiner Höhe hört in diesem Fall auf den Namen Mike Harrison. Ein Tschilpen war es allerdings nie, was er seinem Schnabel entlockte. Vielmehr shoutet der Fronter seit Gründung seiner Art- und Blues Rock-Formation vor rund 40 Jahren mit und ohne Spooky Tooth so manches 'Walrus' in die Flucht. Eine Live-Gelegenheit sollte man sich daher, so rar sie gesät sind, auf keinen Fall entgehen lassen!
Shouting Eagle Mike Harrison brachte 2006 mit seinem Longplayer "Late Starter" einen späten wie gewichtigen Adler in erstklassigen soul-bluesigen Gefilden zum Fliegen. Ein lang gehegtes Wunschprojekt von Halo Records-Chef Mike Maslen, dem bekennenden 'Harrison-Worshipper' sei es gewesen, ein paar richtig gute Lust- und Laune-Songs mit der speziellen Dosis »Herzweh« und »Musik aus den richtigen Gründen« zusammen aufzunehmen, erfährt man aus dem schlichten, schwarz-weiß gehaltenen Booklet.
Im Ergebnis legt der silbrig ergraute König der Lüfte eine äußerst geschmackvoll entschleunigte Bilderbuchlandung auf über weite Strecken samtweicher Tonspur hin. Etwaige Unebenheiten und spürbare bluesrockige Turbulenzen wirbeln dabei aufs Angenehmste in den Gehörgängen. Straight to the bone schütteln sich so beispielsweise Frankie Millers "A Fool In Love" oder das Powerpaket "I Can Give You Everything" mit famoser backgroundiger Unterstützung von Lady Rietta Austin aus den Boxen.
"Jealous Kind" baut auf Frankie Millers zweitem Original ein kühles E-Piano-Arrangement, das zur Spannungsmitte hin durch Orgeleinlassungen sorgsam unterfüttert wird und schließlich mit einsetzendem Saitenspiel an die Song-Spitze slidet, auf deren Höhepunkt Mr. Harrison seinen heroischen Kampf gegen die eigene Eifersucht - wir ahnen es - souverän verliert.
Delbert McClintons selten thematisierte, durchaus überraschende Erkenntnis "(I Never Lost You) You Were Never Mine" durchlebt 'The Voice' Mike Harrison in schmerzhafter Ernüchterung mit der ihm eigenen, so ausdrucksstarken gesanglichen Glaubwürdigkeit.
Sein blindes Vertrauen zur schöpferisch umgebenden Basis kann sich erwähnenswerter Weise auf überwiegend deutsche Wertarbeit stützen. Stichhaltig und akzentuiert operieren die Doktoren Axel Fuhrmann (org) und Mischka (piano) an den Tasten. Szenegröße Ralf Leeman versteht das Saitenhandwerk von allen S(a)eiten - akustisch, elektrisch, slide, pick etc. bestens und Urgestein Hans Wallbaum (dr, perc) ist nicht nur für Harrison der langjährig bewährte Griff, wenn es um den solide ausgelegten Rhythmus-Teppich geht.
Eine reine Ray Charles-Hommage an sein großes Idol seit Kindertagen sollte das Album nach Harrisons ursprünglicher Vorstellung werden. Eine interessante, hochwertig selektierte Kompromisslösung von durchaus differenzierten Ehrerbietungen ist letztlich in den Grange-Studios von Norfolk entstanden.
"Night Time" setzt die dunklen Brillengläser jedoch wiederum unmissverständlich und fachgerecht auf die Nasen, vermeidet jegliche Eskapaden und lässt dennoch keine Wünsche offen, um gleich anschließend ein weiteres Highlight anzusteuern: Gradlinig shuffelt die mysteriöse Harrison-Gang mit Liebe zum unendlich verlangsamten, subtil reduzierten Detail in Etta James' klassische finale Prophezeiung "Your Good Thing (Is About To End)" aus der Feder des im Jahr 2008 auch schon dahin gegangenen Isaac Hayes. Dezent im Einsatz, grandios abermals: Rietta Austin.
Bluesschematisch routiniert in Szene gesetzt, führen "Sinner's Prayer" und "Drown In My Own Tears" den Hörer in geistiger Blickrichtung unweigerlich wahlweise vor Altar oder Tresen während Ray Charles' herzerfrischende Aufforderung "Let's Go Get Stoned" von der Harrison-Combo wieder einmal saft-kraftvoll-partylike zum Leben erweckt wird. Otis Reddings herzblutend interpretierte Lost-Love-Ballade "I've Got Dreams To Remember" beschließt die sentimental journey des Spätstarters.
Mit "Late Starter" gelingt beiden Mikes eine leidenschaftliche, stilvoll veredelte Produktion von zeitloser Eleganz. Harrison und Co. verzichten bewusst und gänzlich auf überflüssige Spirenzien und gegebenenfalls Experimente. Einen späten Glanzflug vollführt er damit gleichwohl, unser erfahrener, instinktsicherer Pilot mit der enormen Spannweite. Manchmal scheint es eben sinnvoll zu warten, - »Waitin' for the wind«...
Tracklist |
01:Out Of The Rain
02:Fool In Love
03:Jealous Kind
04:Come Back Baby
05:I Can Give You Everything
06:Don't Touch Me
07:You Were Never Mine
08:Night Time
09:Your Good Thing Is About To End
10:Rock
11:Sinner's Prayer
12:Drown In My Own Tears
13:Let's Go Get Stoned
14:I've Got Dreams To Remember
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