Wow, was für eine Konkurrenz wächst denn hier für
Henrik Freischlader & Konsorten heran???
Mitch Hillford legt dieser Tage mit "Music From The Front" sein zweites Album vor - mit einer richtig starken Band im Hintergrund. Die Truppe agiert derart kompakt, dass die namensgebende Fokussierung auf den Frontmann fast etwas einengend wirkt. Vielleicht sollten sich die Vier sich aus gegebenen Anlass 'The New Town Musicians Of Bremen' nennen?
Mitch Hillford und seine Jungs mögen mir bitte diesen augenzwinkernden, auf die Bremer Stadtmusikanten verweisenden Kalauer verzeihen...
Grundsätzlich ist diese "Music From The Front" (glücklicherweise) nicht stupide und stur im einspurigen Zwölftakter-Betrieb verortet, sondern bedient sich aus der breiten Palette des 'schwarzen Amerika'. Funk und Soul sind ebenso vertreten wie einige Spitzer Delta Blues und eine gehörige Portion Fusion. Der Jazzrocker "Tapir" gehört - für meine Ohren - gar zu den stärksten Stücken des Albums. Manchmal ist es eben doch besser, wenn man sich - wie
Mitch Hillford - für sein zweites Album etwas mehr Zeit nimmt, die Erfahrungen aus der ersten Produktion etwas länger 'reifen' lässt. Diesen Reifeprozess glaubt man "Music From The Front" anzuhören.
Sehr gefällig ist auch
Hillfords warmer Gitarrenton, der mich des Öfteren an einen
Robert Cray erinnert, und natürlich die überaus analogen Hammond-, Hohner Clavinet- und Fender Rhodes-Klänge des starken
Andreas Hölscher. Was für ein Kontrast zum mittlerweile omnipräsenten Nord Stage-Keyboard! Sehr auffällig sind die abwechslungsreichen Arrangements, die bei jedem Titel für eine Überraschung gut sind.
Die Produktion ist ziemlich dicht und doch stets am Live-Sound orientiert. Hier ist schon auffällig, dass mit
Helge Preuß ausgerechnet der Drummer der Truppe dafür verantwortlich zeichnet. Die Fokussierung auf eine strukturierende Snare kommt der Dynamik der Songs sehr zugute.
Nix mit 'mal sachte einsteigen'... gleich der Opener "Terabyte Blues" 'shuffelt' in die Vollen. Für die Wah-Wahs sorgt einer der besten und umtriebigsten deutschen Blueser,
Richie Arndt aus der benachbarten Hansestadt. Das sehr gut tanzbare "Tearing Me Down" geht direkt in die Blutbahn und hat das Zeug zum Ohrwurm. Mit dem funkigen "Rolling In" wird nicht nur erstmals die Handbremse leicht angezogen, sondern auch die Produktion angenehm reduziert. Hier gefällt (wie im weiteren Verlauf immer wieder)
Hölschers glockiges Rhodes-Klimpern,
Hopfs hüpfender Bass und die knallige Snare von
Preuß.
Gleich zwei Slow-Blueser hat
Mitch Hillford hier am Start - sehr seelenvoll und intensiv, aber ehrlich gesagt macht mich das persönlich seit geraumer Zeit nicht mehr so recht an. Ich weiß - reine Geschmackssache, aber mein Bedarf an Slow Blues ist wohl bis ans Lebensende gesättigt. Da wende ich mich doch lieber genussvoll dem rabenschwarzen Rhythm'n'Blueser "Hoochie" zu, bei dem
Hillford sogar dezent zu rappen beginnt. Oder eben dem bereits angesprochenen "Tapir" - ein Fusion-Teil, das nicht nur durch ein exzellentes 'Gebläse' von
Katharina Maschmeyer besticht. Auch die intensive Ballade "Visions From The Front" ist ein echter Hinhörer, wenn auch ungewohnt am Ende der Laufzeit platziert.
Hillfords distinguiertes Spiel erinnert in den Solopassagen an einen
Derek Trucks. Solche 'Visionen von der Front' sind mir momentan sehr viel lieber als jeder Slow Blues...
Bis hierhin kamen ausschließlich Eigenkompositionen des 28-jährigen Bremers zur Sprache. Das einzige Cover hat er dem Country-Veteran
Merle Robert Travis, noch vor
Hillfords Geburt verstorben, entliehen und für seine Akustikgitarre, die auch für ein kleines Solo herhalten darf, umarrangiert.
Was mir zudem an "Music From The Front" gefällt, ist, dass die Truppe den Blues nicht einfach 1:1 transferiert. Bremen ist nun mal weder Memphis noch Chicago oder Nawlinzz. Somit kommen Mitch Hillford und seine Band absolut authentisch, dabei aber keineswegs 'typisch deutsch', rüber. Bluesfreunde mit 'offenen Ohren' können bedenkenlos zugreifen.