Sandra Hempel ist eine 1972 in Pinneberg geborene Gitarristin. Kontakte konnte sie im Laufe der Jahre nicht nur zu nationalen, sondern auch zu einigen international bekannten Musikern knüpfen und vermag insofern neben im Studium erlernten Fähigkeiten auf Praxis zurückzugreifen. Zumindest in der Hamburger Jazzszene hat sie sich zwischenzeitlich einen Namen gemacht. Das, was sie auf ihrem Debütalbum bietet, gibt Anlass genug, diesen Bekanntheitsgrad sehr weitläufig zu erweitern. Diese Musik ist von internationalem Format und es ist nicht nur das Spiel der Gitarre, das dieses bewirkt, sondern die Band als solches steht wie ein gemeinsamer Klangkörper auf diesem Level.
Es sind noch nicht einmal drei Minuten verklungen, da kann ich bereits eine Richtungsbestimmung vornehmen. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man annehmen, es würde sich um eine neue Produktion des Münchener Labels ECM handeln.
Genau diese Offenheit, diese Verspieltheit und diese fließenden verträumten Elemente dringen in meine Gehörgänge und in meine Seele. Sandra Hempel hat für mich in ihrem Ausdruck eine große Nähe zu John Abercrombie, ohne eine Kopie des Kollegen darzustellen. Gleichzeitig spüre ich den Geist von Jim Hall. Dieser feine und kristallene Klang der Gitarre mit einem ganz leicht singenden Anstrich strahlt sehr viel Harmonie und Bedächtigkeit aus. Klarheit, Schönheit, Melodienreichtum, verträumte Stimmung, auch ein wenig Coolness und Abgeklärtheit, auch Entrücktheit - hier wird ein Sound geschaffen, der faszinierend ist.
Daran hat für mich der recht ungewöhnlich agierende Saxofonist Sebastian Gille einen wesentlichen Anteil. Er ist einer, der manchmal so spielt, als wäre er gar nicht anwesend. Oft mittig in der Tonlage, wirkt er sehr gedämpft und zurückhaltend, fast vorsichtig vorangehend. Mit seiner interessanten Spielweise und dem besonderen Ton schafft er einen speziellen Ausdruck, eine wie zähflüssig wirkende Spielweise mit angespannter Elastizität - manchmal wie ein Gummiband kurz vorm Zerreißen. Dabei produziert er nicht unbedingt einen Schönklang, denn auch bei mitunter kratzigem Ausdruck bringt er selbst hier zurückhaltende Momente ein. Fast muffig klingt er und bildet so einen Gegenpart zur klar und sauber akzentuierten Gitarre. Gelegentlich, wenn es fast weinerlich und verzweifelt klingt, erinnert mich dieser spezielle Ton ganz stark an den ganz frühen Jan Garbarek, etwa aus den Jahren 1969 oder 1970.
Die Band bildet eine hervorragende Einheit und agiert miteinander. Obwohl die Zeichen für die Solisten klar definiert sind, trägt das Rhythmusgespann wesentlich zum Gelingen dieser manchmal poetischen - manchmal energischen Musik bei.
Diese wirkt im Zusammenspiel der einzelnen Titel wie aus einem Guss, und wenn man ganz genau hinhört, wird man innerhalb der großen Spannbreite viele Nuancen entdecken, die beiläufig eingestreut zu sein scheinen und somit auf große Spontaneität während des Aufnahmeprozesses hindeuten. So vernehme ich bei "Lagrima" plötzlich mittendrin eine Melodienfolge, die mich unweigerlich innerlich mitsingen lässt... »what game shall we play today«, diese Textzeile, die Flora Purim einst mit Chick Corea sang.
Kreativität wird sehr groß geschrieben, Harmonie, Individualität und Ideenreichtum werden geboten, was diese Platte zu einem rundum gelungenen Hörvergnügen gestaltet haben. "Licht aus" heißt sie - nun, in diesem Dunkel strahlt die Musik jedoch so hell, dass es nicht auffällt, dass das Licht ausgeschaltet wurde. Der Titel ist jedoch eine gute Aufforderung oder vielleicht auch nur ein Hinweis darauf, wie man die Musik wirken lassen sollte. Denn im Dunkeln genossen, kann man sich noch mehr auf all die Feinheiten konzentrieren und eine solche Zeit ohne Ablenkung ist genau das Richtige, um zu genießen!
Ich hoffe, dass die Vier genauso zusammenbleiben. Dieser Formation könnte eine große Zukunft bevorstehen, wenn alle Musikliebhaber, Kritiker, Produzenten ihre Ohren weit öffnen!
Line-up:
Sandra Hempel (guitar)
Sebastian Gille (sax, alto clarinet)
Oliver Karstens (bass)
Roland Schneider (drums)
Tracklist |
01:Verstrickt (3:11)
02:Twitches (7:16)
03:Lagrima (9:24)
04:Past (part 1) (1:55)
05:Past (part 2) (8:43)
06:Ohm (4:33)
07:Doppelblues (5:30)
08:Nothingness (9:45)
09:Licht aus (4:37)
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