Oh oh, dass dies kein leichtes Review wird, war mir schon klar. Ja, wäre es eine Yes Scheibe gewesen...
Aber es ist ja "nur" der Gitarrist des Prog-Rock Flaggschiffes. Howe spielt jedoch in einer hohen Gitarrenliga und es gibt viele Platten in meinem Regal, bei denen sein Name irgendwo auf dem Cover steht. Also habe ich mit grossem Interesse die Scheibe in den Player gelegt.
Apropos Cover: Kein geringerer als Roger Dean hat das Artwork dazu entworfen. Der Kenner weiß, dass Roger schon damals mit seinen Fantasy-Arbeiten die Plattenhüllen der Yes-LPs veredelte.
Im Gegensatz zur Arbeit mit Yes, ließ es Steve auf seinen Soloalben stets etwas gemächlicher angehen, kommt er doch auch eher aus der Jazz-, Blues- und Countryecke.
Umtriebig kann man ihn nennen, denn neben seinen Scheiben mit Yes gibt es auch einen beträchtlichen Katalog mit Soloplatten und gar Ausflüge ins kommerzielle Lager (Asia, GTR).
Kommerziell ist vorliegende CD aber überhaupt nicht. Und sie ist enorm abwechslungsreich, ja mir sogar etwas zu stilvermischend. Meine Lieblinge sind eindeutig die jazzigen Titel "Westwinds", "The Chariot Of Gold", "Pacific Haze" sowie "Smoke Silver". Schöne, jazzige Gitarrensoli, mal dynamisch, mal swingend. Bläserunterstützt rollt "ES" manchmal aus den Boxen auf mich zu.
Dann gibt es mit "Where I Belong" so eine Art Country Nummer und gar richtige Rocker. Den Slow Boogie "Whiskey Hill" etwa, oder das ZZ TOP-gitarrenmäßige, bluesrockgetränkte "Load Of My Mind". Rock mit Bläsern a la Colosseum hört man bei "Rising Sun".
Melodiös dann die Progrocknummern "Across The Cobblestone" und "Bee Sting". Treibende, geile Gitarrenparts; typische, eingeworfene Synthiesachen: treibender Progrock at its best.
Sogar ein Prog-Blues ("Inside Out Muse") ist auf "Elements". Eine interessante Nummer. Interessant bitte richtig verstehen. Biolek sagt: "Schmeckt interessant", wenn er ein Gericht seines Kochgastes nicht so richtig mag. Ich sage hier interessant, weil dieser typische Bluesrhythmus in einem Bett aus Klezmer-Klarinette und synthetischen Klängen liegt und ansonsten aber irgendwie auch progressiv klingt. Interessant eben.
Weniger geben mir die Klangcollagen: Das etwas Experimentelle wie bei "Sand Devil" und "The Longing".
Bisschen ruhiger, aber auch gewöhnungsbedürftig und aus der eben erwähnten Ecke sind "Tremolando" sowie "A Drop In The Ocean".
Ich muss aber erwähnen, dass ich diese 4 Tracks erst mal im Auto hörte, während des Fahrens und dort passen sie nun wirklich nicht, wirken sogar nervend. Zu Hause auf der Couch kann man sich schon eher reinhören. Aber es sind 4 Stücke, die mir den ansonsten guten Eindruck nicht verderben.
Wie man dem Line-up entnehmen kann, ist Steve Howe's Remedy fast ein Familienunternehmen. Neben Steve sind auch seine beiden Söhne mit an Bord.
Alle sechzehn Tracks stammen aus Steve's Feder (13 sind reine Instrumentals), aber alle Musiker waren am Feintuning beteiligt. "Ich habe weit stärker als sonst auf den Input der Beteiligten gebaut", so Howe und "deshalb erscheint das Album auch unter dem Bandnamen".
Ich möchte Steve Howe nochmal zitieren, denn hier sagt ein Progrocker, was er über Progrock denkt:
"Progressive Rock unterliegt einem kontinuierlichen Wandel. Meine Band REMEDY setzt all das in Szene, was mich je beeindruckt und beeinflusst hat. Lässt sich gute Musik objektiv charakterisieren? Schwer zu sagen. Rhythmus und Harmonie müssen stimmen, beseelt sollte es zur Sache gehen, und letztlich ist das ‚absolute Klangerlebnis' großes Ziel. ‚Elements', so hoffe ich, kommt diesem Ideal so nahe wie irgend möglich...".
Howe beschreibt das Material dieser CD als "gitarrenbasierter Prog Rock mit Einflüssen aus Blues und Jazz".
Recht hat er.
Spielzeit: 61:30, Medium: CD, InsideOut Music, 2003
1:Across The Cobblestone, 2:Bee Sting, 3:Westwinds, 4:Where I Belong, 5:Whiskey Hill, 6:The Chariot Of Gold, 7:Tremolando, 8:Pacific Haze, 9:Load Off My Mind, 10:Hecla Lava, 11:Smoke Silver, 12:Inside Out Muse,
13:Rising Sun, 14:Sand Devil, 15:The Longing, 16: A Drop In The Ocean
Ulli Heiser, 07.10.2003
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