Das Yes-Goldkehlchen Jon Anderson stellt ihn bei Shows der Progressive -Rock Superband gerne respektvoll als "den Meister" vor. Er selbst fabuliert in Interviews über seine innigen und sehr persönlichen Beziehungen zu seinen Gitarren. Er gibt Geschichten zum Besten, nach denen er schon mal für seine Lieblingsgitarre einen Extra-Platz im Flieger gebucht hat, weil er sie eben bei sich haben wollte. Er hat den Yes Sound in den 70ern maßgeblich beeinflusst und prägt ihn auch noch heute. Er war in den 80er Jahren als Asiat unterwegs und bildete mit Steve Hackett das Rückgrat von GTR. Seine frühen musikalischen Gehversuche unternahm er mit der unbekannteren Band Bodast. Parallel zu seinen Bandengagements veröffentlichte er immer wieder Solo Alben und schaffte sich so eine Spielwiese, um auch mal Abseits der Areale seiner Hauptbands Songs interpretieren und herausbringen zu können. In den Booklets seiner Alben sind sehr oft die von ihm jeweils eingesetzten Instrumente aufgelistet. Darüber hinaus stellt er seine Künste immer mal wieder befreundeten Bands zur Verfügung, wofür nur mal ein Beispiel genannt sei: Die Klassische Gitarre in Queens "Innuendo" entsprang seiner Virtuosität.
Von wem die Rede ist? Von Steve Howe natürlich.
Dieses Jahr wirft er wieder ein neues Soloalbum, ja eigentlich schon so was wie ein Yes-Family Album, in den Ring. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Neben seinen Jungs Virgil, der den Moog bedient, und Dylan an den Trommeln ist auch der Sprössling von Rick Wakeman an Bord. Wie sollte es auch anders sein - Oliver Wakeman haut in die Tasten. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Am Langholz tönt Tony Levin herum, der diesen Job schon bei der Yes-Band ohne Yes namens Anderson, Bruford, Wakeman, Howe mit Bravour absolvierte. Letztmalig ist er uns übrigens bei Steve Thorne begegnet.
Der Titel der neuen Howe-Scheibe lautet "Spectrum". Der Name wurde deshalb von Steve gewählt, um die Vielfalt an verarbeiteten Einflüssen, Stilrichtungen und Sounds anzudeuten. Es geht durchaus rockig zu, zeitweise natürlich auch progressive rockig. Anleihen aus dem Jazz sind vertreten, aus der Weltmusik und stellenweise gar ein ganz klein wenig aus den Country-Gefilden.
"Der Titel erlaubt mir natürlich, eine große Bandbreite abzudecken. Ich habe versucht, möglichst viel um mich herum in Form zu bringen", erklärt der Gitarrist dazu. Eine Wellenlänge fehlt in dem Spektrum aber und das ist die des Gesangs. Spectrum ist ein reines Instrumentalalbum geworden. Was wirklich nicht weiter stört. Vielmehr wäre es vielleicht sogar besser gewesen, wenn Mr. Howe die Gesangsparts früher, beispielsweise auf Beginnings, ebenfalls weggelassen hätte.
"Spectum" kann natürlich intensiv gehört werden. Die Musikfans werden die Läufe des Meisters genießen, die mit Finesse gestalteten Arrangements und die vielen Ausflüge in die Welt der Musik. Aber "Spectrum" eignet sich auch zur Berieselung zwischendurch, zum Träumen und zum Abschalten. Easy Listening beinhaltet die Platte also ebenfalls, ohne diesen Begriff auch nur im geringsten abwertend benutzen zu wollen. Easy Listening in der positivsten Ausprägung dieses Wortes. Auch bei den Hörgelegenheiten wird diese CD ihrem Namen gerecht.
Yes, die Anspieltipps:
Eine flotte, gute Rocknummer liegt in der Anfangssequenz des Spektrums. Eine ganze Menge Gitarren werden gezupft, geslidet und geplectrumt. Natürlich sind auch die typischen, seit Jahrzehnten bekannten Steve Howe -Klangfarben vertreten. Der Meister liefert sich nicht nur immer wieder Duelle mit sich selbst, sondern gegen Ende des Tracks auch mit Oliver Wakeman.
Das "Labyrinth" öffnet seine Pforten mittels Akustik Gitarre. Aber richtig Freude kommt bei den Läufen auf, von Steve Howe und Tony Levin synchron abgespult.
Ein Song direkt zum Meditieren ist "Band Of Light". Die Slideguitar führt den Hörer direkt in den smooth groovigen Rhythmus. Niemand sollte sich wundern, wenn die instrumentalsüchtigen TV-Anstalten so einen Song für stimmungsvolle Bilduntermalung okkupieren würden.
Die Sitar und Tabla Einlagen lassen den Beginn von "Ragga Of Our Times" wirklich recht indisch klingen. Aber nicht sonderlich lange, denn schon bald übernimmt der Meister mit einer fast schon naiv anmutenden Klangfarbe und einer absolut passenden unpassenden Melodie. (Wenn's nur mal ein Saiteninstrument ist - Ähnlichkeiten mit einem krepierenden Casio-Keyboard sind auszumachen.) Ein schöner Kontrast!
Die Produktion lässt natürlich keine Wüsche offen. Der Sound ist differenziert, klar und an den richtigen Stellen durchaus druckvoll. Wer noch eine Instrumental-Scheibe sucht, egal ob zum Relaxen, zum Zuhören oder als Untermalung für warme Sonnenuntergänge kann Steve Howe's "Spectrum" ruhig eine Chance geben.
7 stimmverlustige RockTimes-Uhren für die Sammlung des Saitenhexers.
Spielzeit: 60:43, Medium: CD, InsideOut Music, 2005
1:Tigers Den, 2:Labyrinth, 3:Band Of Light, 4:Ultra Definition, 5:Ragga Of Our Times, 6:Ebb And Flow, 7:Realm Thirteen, 8:Without Doubt, 9:Highly Strung, 10:Hour Of Need, 11:Fools Gold, 12:Where Words Fall,
13:In The Skyway, 14:Livelihood, 15:Free Rein,
Ella Wirtz, 19.06.2005
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