Andy Irvine / Diggin' That Funky Blues
Diggin' That Funky Blues Spielzeit: 35:15
Medium: CD
Label: JennyMule Publishing, 2012
Stil: Blues Rock, Funk, Soul

Review vom 02.06.2013


Günther Klößinger
Da freut sich der Freund des Irish Folk - der allseits geschätzte Barde Andy Irvine, der so legendäre Gruppen wie Planxty und Patrick Street aus der Taufe gehoben hat, legt offenkundig ein neues Album vor.
Frohgemut schiebt der Freak im Schafwollpulli den frisch erstandenen Silberling in die edle Stereoanlage und ist innerlich bereits bei der Frage 'Guinness oder Killkenny?' angelangt. Versonnen drückt er auf 'Play' und freut sich auf die sanfte Stimme des bouzoukibewehrten Iren. Doch ein wuchtiges Röhren versetzt den Folkie in einen lähmenden Schockzustand. Wuchtige Bässe lassen das Mobiliar erzittern, das Pintglas fällt vom Tisch und zersplittert in tausend Scherben. Der Subwoofer bemüht sich um eine bebende Erweiterung der nach oben offenen Richter-Skala und jaulende Gitarrensounds fahren dem erstarrten Folkfan in die Magengrube.
Wie eine Offenbarung durchzuckt den Freund sanfter Klänge von der grünen Insel die Erkenntnis: Es kann nicht nur einen geben! Und tatsächlich: Der Andy Irvine, der hier mit "Diggin' That Funky Blues" bereits sein zweites Soloalbum vorlegt, hat definitiv nichts mit dem irischen Folksänger gleichen Namens gemeinsam. Oder doch? Unbestritten, beide sind Meister ihres jeweiligen Instruments. Und beide geben ihren bevorzugten Musikstilen immer wieder neue Impulse.
Integrierte der Folk-Andy die Bouzouki und schräge Balkanrhythmen in den Irish Folk, etablierte sein lauterer Namensvetter aus Amerika den Bass als Soloinstrument des Blues Rock, den er nebenbei noch mit einer gehörigen Prise Funk und Soul anreichert.
" Diggin' That Funky Blues" - der Titel zeigt die deutliche Marschrichtung dieses außergewöhnlichen Albums. Wer immer noch dem Vorurteil frönt, Blues Rock lebe vom ewigen Wiederholen der stetig gleichen Melodiephrasen, wird hier mit Nachdruck eines Besseren belehrt. Die Betonung liegt auf 'Druck'!
Die E-Gitarre, seit Urzeiten die solistische Ikone des Genres, spielt hier auch eine wichtige Rolle. Die Einflüsse eines Johnny Winter und eines Alvin Lee sind unüberhörbar und auch der gute, alte Stan Webb lugt verstohlen aus dem musikalischen Hühnerstall hervor. Die Soli, die hier von Multiinstrumentalist Irvine und dem Kompagnon Johnny O. eingestreut werden, sind knackig und inspiriert, aber der eigentliche Star im Instrumentarium der vorliegenden Aufnahmen ist und bleibt der Bass.
Nun sind Blues-Basser ja gemeinhin jene stillen Typen, die in sich gekehrt, ruhig am Bühnenrand stehen und lässig die dicken Saiten zupfen - nicht so Andy Irvine. Er ist de facto der Derwisch im Universum der Bassisten. Ob er nun vier- oder fünfsaitige Vertreter der Tieftonklampfen traktiert, stets ist sein Spiel geprägt von variantenreicher Melodik und von atemberaubenden Licks. Der Groove der Stücke reicht von federnd bis ausufernd. Kommen dann noch, wie im treibenden Titelstück, die Funkelemente hinzu, werden die Songs endgültig zu ekstatischen Angelegenheiten.
Der Maestro beherrscht alle Spielweisen, die der Bass so zu bieten hat. Das zumeist nur als Begleitinstrument genutzte Saitenholz wird hier gründlich entstaubt - oder sogar entfesselt. Wenn Irvine dann noch zu flinkem Slapping wechselt, ist das Ausflippen fast schon garantiert.
Dennoch ist "Diggin' That Funky Blues" weitaus mehr als die virtuose Nabelschau eines genialen Instrumentalisten. Die solistischen Exzesse stehen alle im Dienste des Gesamteindrucks, die Songs selbst sind keine reinen Vehikel für die Selbstdarstellung des Bandleaders.
Die Stilpalette reicht von fröhlichem Goodtime-Rock à la Blues Brothers ("Call Me Cornbread") bis hin zu Muddy Waters-Reminiszenzen wie "Woke Up From A Dream". Ja - wenn der gute Andy den Blues hat, dann richtig - mit 'ner Knarre in der Hand aufgewacht, im Kopf schwirren Whisky und Selbstmordgedanken um die Wette. Doch am nächsten Morgen ist da ein Engel, der dem Gebeutelten doch wieder Lebensmut gibt.
Die Scheibe ist höchst homogen im Klang und die Tracks ertönen, als wären sie live eingespielt. Neben den brillanten Soli verleihen einige dezent eingestreute Bläsersätze, sowie das trockene, aber fließende Drumming den Stücken zusätzlichen Pep. Traumwandlerisch spielt sich die Combo durch den Blues, den sie mit Versatzstücken aus Funk und Soul garniert und auch die ein oder andere vertrackte Jazzharmonie veredelt das klangliche Menü.
Ein in hohem Maße mitreißender Silberling - dem kann sich selbst der geschockte Folkfreak nicht entziehen. Und kaum spürt er das Kitzeln von Andy Irvines Bass im Bauch, tanzt er schon durch die Bude, fegt die Splitter des Bierglases in den Kehricht und genehmigt sich erst Mal 'nen Whiskey! Ausnahmsweise American Style - mit Eis! Bei jedem echten Irlandfan ist das verpönt - doch diese pulsierenden Losgehnummern aus den Staaten sind derart heiß… da braucht man was zum Abkühlen!
Line-up:
Andy Irvine (lead vocals, bass guitars, electric guitars & percussion)
Lionel Young (lead vocals)
Johnny O (lead vocals, backing vocals, guitar solos)
Kay Irvine (backing vocals)
Tony Black (drums)
Steve Sirockin (tenor sax)
John Brady (trombone)
Al Chesis (harmonica)
Tracklist
01:Them Nasty Blues
02:Call Me Cornbread
03:Can't Slow Down
04:When I See You/ In The Twilight
05:Right Up On Ya
06:Diggin' That Funky Blues
07:I Awoke From A Dream
08:Jumpin' Bean
09:Shake It
10:One More Show
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