Mit Circle betitelten die drei Geschwister Mato, Pte, Wambdi samt Vetter Horse ihr drittes Album aus dem Jahr 2000. Die Platte hat sich von dem auf den ersten beiden Alben dominierenden, an Stevie Ray Vaughan erinnernden Blues Rock, etwas weg orientiert. Die Songs entwickeln mehr eigenes Leben. Aber der eigene Indigenous-Stil, der sich schon auf der ersten CD "Things we do" andeutete, verfestigt sich mit "Circle". Die emotionale Eindringtiefe der Stücke ist gewaltig, sie scheinen geradezu gemacht für die "Stimme mit Seele" eines Mato Nanji. Oh - ja, Steine sind in der Musik, aber Herz und Tränen ebenfalls. Neben der klassischen Besetzung Gitarre, Bass und Drums warten Indigenous wieder mit fulminanten Percussion auf, die Cousin Horse stilvoll einsetzt und so maßgeblich den Sound der Band beeinflusst. Um die Arrangements abzurunden, engagierte die Band noch eine handvoll Musiker, die unter anderem mit Hammondorgel, Slide und Pedal-Steele das Klangspektrum erweitern.
Der Sound ist klar und differenziert. Alle Instrumente sind songdienlich abgemischt. So macht eine Platte Spaß, denn sie ist sowohl auf Vol. 10, als auch auf Zimmerlautstärke ein Genuss.
Die Covergestaltung hingegen ist nicht so berauschend. Aber sie hat einen Wiedererkennungswert. Das Booklet ist umfangreich genug für lesbare Infos und erkennbare Fotos. Trotzdem ist es ohne viel Gefummel wieder in die Hülle zu kriegen. Neben den Songtexten wird zu jedem Lied die Instrumentalisierung angegeben. Auch Bandfotos fehlen nicht. Unter der CD ist dank des transparenten Plastikeinsatzes eine Zeichnung abgebildet, die den großen Häuptling "Crazy Horse" darstellen soll. Das wird jedenfalls im Booklet so behauptet. Weil der Gute aber irgendwie gesichtslos ist, kann ich den Wahrheitsgehalt nicht bestätigen.
Mit dem flotten Opener "Little time" geht die Scheibe würdig los. Aus dem Rhythmusteppich erschallen songdienliche Gitarrenlicks. Was sich hier bereits andeutet, halten Mato und seine Stammesgenossen die ganze CD über durch: Der Song steht im Mittelpunkt. Das kurze Gitarrensolo besticht mit seiner weichen Verzerrung. Auf den Text, insbesondere auf seine Wortgewalt, sollten alle Poeten achten, die so gerne "Fire" auf "Desire" reimen:
"Storm is comin`, rain is fallin`, where darkness hides, ohh, it hides inside of my mind..."
Na, wer stellt sich da nicht vor, auf einem Hügel stehend, über die weiten Ebene Arizonas zu blicken?
"Can`t keep me from you" ist ein softeres, ruhigeres Liedchen. Die Gitarre eröffnet es mit einer einfachen, aber schönen Melodie. Danach setzt Matos charismatischer Gesang ein. Was bei diesem Song besonders auffällt, ist die Kunst des Vocalisten, Worte und Zeilen so zu betonen, zu dehnen oder zu kürzen, dass sie perfekt in das Songgerüst passen. Beim ersten Solo erinnert sich der Leadgitarrist an die Eingangsmelodie und wandelt sie interessant ab. Die Slide-Fans bekommen ihr Fett weg beim zweiten Solo zum Ende des Songs.
"You left me this morning`" beginnt mit wenig. Ganz leise im Hintergrund meint man ein Jaulen der Gitarre zu vernehmen. Das wird stetig lauter und bettet sich in eine Rhythmusmatratze, bis der flotte Bluesrock losgeht. Dazu will ums Lagerfeuer getanzt werden. Denn wieder begleitet die Indigenous-typische Percussion den Hörer durch die Prärie. Zwischendurch greift die Sologitarre nach der Herrschaft über den Song, mal offensichtlich, mal im Duell mit dem Sänger.
Ungewöhnlich ist es schon, eine Instrumentalnummer als viertes Stück auf eine Platte zu pressen. "Evolution Revolution" erinnert ein wenig an eine Santananummer, sowohl von der Art des subtilen Hammering, als auch vom Arrangement. Trotzdem zugegeben: Ich skippe meistens weiter.
"You were the one". Wie auch bei "Can`t keep me from you" leitet ein Intro den Song ein, das auf den ersten "Hör" wenig mit dem Lied zu schaffen hat. Wieder dominiert die Percussion, die für ein paar Takte Hilfe bekommt von den tiefe Töne eines E-Instruments. Erst mit dem Hauptriff, der uns während des Songs natürlich immer wieder begegnet, steht der Zug auf seinem Gleis. Mato hangelt sich mit seiner Gesangslinie an der Molltonleiter entlang und macht den Song schwermütig. Zum Ende hin wird das Tempo ein klein wenig angezogen, um der Leadgitarre ein solides Fundament zu gießen.
"Stay with me" ist für mich der Höhepunkt des Albums.
"...and let the Music into your hearts" werden die Hörer im Booklet aufgefordert.
Dieses Lied brauchte ich nicht hinein zu lassen. Es hat mein Herz im Sturm erobert. Bin mir nicht sicher, was diesen ruhigen Song ausmacht. Ist es die Struktur? Oder eher das gefühlvollen Gitarrenspiel? Vielleicht aber auch die Stimme als Instrument? Egal, es trifft halt voll zwischen die Herzklappen. Wahrscheinlich haben wir hier ein gutes Beispiel für Emergenz. Das Ganze ist mehr als die Addition seiner Komponenten.
Auf meinem geplanten Privatsampler der "Besten Songs aller bisherigen Zeiten" bekommt "Stay with me" ein Freilos.
"Seven steps away" ist wieder eine flottere Nummer. Das hängt natürlich von der Perspektive ab. Keiner der vertretenen Songs ist ein Up-Tempo-Knaller. Auch diesmal eröffnet ein Gitarrenriff, der sporadisch während des Songs wieder kehrt. Scheint ein Merkmal von Inigenous-Songs zu sein. Gut eingesetzt wird das Keyboard, dass im Hintergrund ein Soundnetz webt. Ein nettes Gitarrensolo rundet die Geschichte ab.
"Remember" soll wohl an etwas erinnern. Und so ist dieser Song, wie so viele, die einen Merkzettel darstellen, nicht gerade die Ausgeburt an Fröhlichkeit. Indigenous erzählen eine traurige Geschichte, die wie immer nicht nur durch den Text, sondern durch das ganze Arrangement vorgetragen wird.
Für "Rest of my days" könnte wieder Carlos Santana Pate gestanden haben. Ist bei dem die Percussion latain - amerikanisch geprägt, hat "Rest of my days" natürlich eher wigwamorientierte Wurzeln. Auch hier bereitet der subtile Keyboardeinsatz Freude, natürlich neben der Leadgitarre.
"Waiting for you" kommt bluesiger daher, als die vorangegangenen Songs. Wieder wird es sentimental. Eine schöne Abschalt - und Träumnummer haben sich die Vier da ausgedacht. Beim Hauptgitarrensolo gleitet Mato ein wenig in seine Spielweise der beiden ersten Alben ab, frickliger und mehr Töne in zehn Sekunden.
"The moon is shining" bremst den Indigenouszug zum Schluss des Albums noch einmal ab. Meine erste Assoziation war: "Kennen die wirklich Marius und seine Giselhernummer?" Aber das sind wirklich nur entfernte Anlehnungen. Sehr schön kommen die Backing Vocals, gesungen und arrangiert von Jennifer Warnes. Mit "The moon is shining" geht diese tolle Platte stimmungsvoll zu Ende.
Für alle, die Freude an guten Songs haben, ist dieses Ding sehr zu empfehlen. Die Holzfäller sollten ihre acht Finger aber besser davon lassen. Mit dieser CD als Hintergrundbeschallung muss ein Candle-light Dinner zum Erfolg führen - schätze ich - denn diese Zeiten sind so lange vorbei, dass ich mich nicht mehr so recht erinnern kann.
Spielzeit: 50:08, Medium: CD, Pachyderm Records, 2000
Little Time,2:Can't Keep From You,3:You Left Me This Mornin',4:Evolution Revolution,5:You Were The One:6:Stay With Me,7:Seven Steps Away,8:Remember,9:Rest Of My Days,10:Waiting For You,11:The Moon Is Shining
Olli "Wahn" Wirtz, 2.12.2004
|