Lockt das noch jemand hinter dem Ofen hervor? Ich muss zugeben, dass ich bei dieser Art Musik gar nicht vorgeholt werden muss, ich bin schon davor. Country Rock? Americana? Roots Rock? Alle diese abgegriffenen, kreuz und quer durcheinandergewirbelten Begriffe...und sie greifen alle, helfen zumindest bei dieser Platte.
Mark Insley, ein mir bisher unbeschriebenes Blatt. Geboren In Kansas, lebt seit Jahren in Ventura, California. Aber halt! Tucson! Hey, da war ich selbst schon, das hat mich halt neugierig gemacht (so eine Art post-travel experience) und hab die CD bestellt. Ich war auf alles gefasst, von saugeil bis tote Hose. Gekommen ist saugeil.
Schon der Titelsong steigt in eine Musikwelt ein, die mit ihren rockigen Klängen (Leute, wir reden eigentlich von Country...) anmacht, Titel zwei würde bei jedem gut beleumundetem Singer/Songwriter stilsicher ins Repertoire passen.
Schon mal irgendwo in der südwestamerikanischen Wüste stundenlang auf Freeways rumgefahren? Mojave Wüste oder auch irgend eine staubige Strasse in Nevada? Dann macht "Middle Of Nowhere" echten Sinn, es kommt ein unheimlicher Groove dazu, der ganze Körper bewegt sich. Dieses Amalgam aus Schlagzeugrhytmus und vorantreibenden Gitarren - die Stimme von Mark Insley - die Erfahrungen, die er besingt - das liebt man oder hasst man. Ich liebe es.
"Guilty" ist dann eine klassische Ballade, oszillierende Gitarren, sparsam arrangiert - und dann wieder dieser fast unvergleichliche Rhytmus in "The Ice Machine" - es reißt mich wirklich mit. Und tatsächlich: Es gibt zwei, drei Songs in (fast) richtigen Countrygefilden, "She's Acting Single" beispielsweise. Und genau da gefallen mir die Arrangements nicht. Kein Beinbruch, der Rest zielt und trifft genau auf meinen Geschmack.
Die illustre Gästeschar (u.a. Albert Lee, David Alvin und Greg Leisz) hilft uneigennützig einer Platte mit Songs, die denen der Rolling Stones in ihrer Country-Phase und auch eines Neil Young auf Augenhöhe steht. Die manchmal Gänsehaut provozierenden Gesangsstimmen im Hintergrund erinnern angenehm an Julie Miller.
Solange noch solche Platten produziert werden, ist mir um die musikalische Zukunft nicht Bange. So eine Klasse, die in gleichen Atemzug mit Steve Earle und Lucinda Williams genannt werden muss, wird immer irgendwie Bestand haben. Kleinlabels wie "Rustic Records", bei denen der Kontakt mit dem Künstler wichtiger zu sein scheint als Bilanzen, verdienen sich ein Sonderlob, eine solche musikalische Qualität entgegen den Markttrends zu veröffentlichen. Denn reich werden sie damit bestimmt nicht.
Gut produziert, aber etwas kompaktes Klangbild, das allerdings perfekt zu diesen Songs passt.
Spielzeit: 43:27, Medium: CD, Rustic Records, 2001
1:Tucson 2:The Alchemist's Heart 3:Middle of nowhere 4:Guilty 5:The Ice Machine 6:Broken Angel 7:She's acting single 8:Did I wake you? 9:Bus to Bakersfield 10:Can't get over you
Manni Hüther, 01.06.2002
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