Ich möchte mit zwei Zitaten beginnen.
Vor vier Jahren sagte Ben Jackson auf die Frage, wie er denn die Musik der Ben Jackson Group beschreiben würde:
"The Music Of The Ben Jackson Group Is Straight Forward Hard Rock With Strong Hooks And Grooves. The Vocals Are More Classic Rock In As I Have Always Admired Singers Like Paul Rodgers, Ronnie Van Zant, Steven Tyler. A Few People Have Said That They Can Hear The Crimson Glory Guitar Style In There, So I Guess My Style Is Carried Over In To This Project".
Und aktuell zur hier zu besprechenden Produktion:
"We are pumped over this new record and I believe the fans of my work with CRIMSON GLORY will love this one as well. For the Crimson Glory fans who have been waiting a long time for someone in the band to put out a record of this style and dynamic again, your wait is over!"
Tja, irgendwie widersprechen sich diese zwei Zitate. Es sei denn, die neueste Produktion aus dem Hause Jackson fiele deutlich anders aus als der Vorgänger "Here I Come" von 2001.
Wie das?
Nun, Ben Jackson war 1982 Mitbegründer der progressiv melodischen Power-Metal - Legende Crimson Glory, die ihr hochgelobtes Debütalbum "Crimson Glory" erst 1986 auf den Markt brachten. Es folgte 3 Jahre später das gefeierte und auch ziemlich erfolgreiche "Trancendence" - Album, welches ihnen den Nordamerikanischen, Europäischen und Japanischen Markt knackte, dazu führte, dass sie mit (damaligen) 'Krawall'-Größen wie Metallica, Ozzy Osborne, Queensryche, UDO, DORO und Anthrax touren konnten und letztlich dafür verantwortlich zeichnete, dass diese Formation heute noch für viele Leute als Power-Metal-Legende gilt.
Und genau darum irritieren Ben Jacksons Statements, denn auch "All Over You" haut, genauso wie das Vorgängeralbum von 2001, eher in die straighte und klassisch angehauchte Hard 'n' Heavy - Kerbe, ohne allerdings besonders groovy zu sein und ohne stimmlich an die genannten Vorbilder zu erinnern.
Hier kommt mir bei dem tendenziell kratzig rauen Organ des Protagonisten eher eine krude Mischung aus Pat Travers (ein weiterer singender Hard-Rock-Gitarrero), , Ryan Cook (Sänger der Neo-Sleaze-Rocker Hair Of The Dog), Peter Criss ( Kiss) und James Hetfield ( Metallica) in den Sinn.
Und wenn wir mal nur diese vier, durchaus unterschiedlichen, musikalischen Eckpfeiler nehmen, dann kommen wir dem springenden Punkt auf "All Over You" schon wesentlich näher, als dass dieses Album tatsächlich an Crimson Glory gemahnen würde.
Dabei wird auch deutlich, dass diesem Werk eine originäre, charakteristische Eigenständigkeit leider etwas abgeht.
Die Produktion ist zwar erstklassig und durchaus druckvoll, stimmliche Unzulänglichkeiten in den melodiösen höheren Sangeslagen werden durch einen fast durchgehenden weiblichen Background (Rose Sexton) kompensiert und es wird eine gute Balance aus eher an die 80er gemahnenden Facetten (ohne Keyboards!) und neueren Tönen gefunden, aber insgesamt kann sich das Werk nicht wirklich vom Genre-Durchschnitt lösen.
Gleich der Opener "Turn It On" bietet knalligen Sound, Hard 'n' Heavy - Geriffe und ganz nette Hooks, "Mean Machine" wartet mit akustischen Gimmicks in Form von Maschinengeräuschen, treibenden Gitarrenläufen und einer Riff- und Refrainbetonung auf, und das Titelstück erinnert entfernt an die ruhigen Metallica mit integrierter Akustikgitarre, schön jubilierender Leadgitarre und sogar einem kurzen Doppel-Leadgitarren-Intermezzo (allerdings ohne auch nur entfernt southern geerdet zu sein). Aber obwohl das Ding schön balladesk angelegt ist, fehlen mir hier irgendwie die wirklichen Emotionen.
Weiter geht's mit dem rifflastigen "Falling Down", wo Ben Jackson tatsächlich ähnlich wie James Hetfield intoniert und im Background neben Rose Sexton vom ehemaligen Crimson Glory Leadsänger Midnight unterstützt wird, was dieser sporadisch auch auf die ganze Platte verteilt tut.
Nun kommt ein von harten Gitarren begleitetes, sehr schönes Piano-Intro, im Folgenden aber nur der bedingt gelungene Versuch, eine 80er angehauchte und dramatische 'Heavy-Düsterballade' in Szene zu setzen, abgeschlossen durch ein wiederum sehr schönes, weil gefühlvolles Piano-Outro.
An dieser Stelle fällt mir wieder auf, dass einfach ein gewisses Feeling fehlt, darüber hinaus dürfte es ruhig mehr Klangfarben wie die eben beschriebenen Pianoläufe geben.
Jetzt kommen die meines Erachtens beiden Highlights des Albums gleich im Doppelpack:
"Eyes Of Ice" (nettes Wortspiel) startet mit furiosen, kreischenden, doppelten Gitarrenlicks, macht mit einem vorwärtsstürmenden, melodischen Refrain weiter, gefolgt von einer sich selbst überholenden Leadgitarre, die in höchsten Tönen gequält wird, begleitet von tollem Riffing und sehr kraftvollen Vocals. Kurzum, hier passiert endlich was Memorables!
"Far And Away" beginnt mit einem fast Molly Hatchet gemahnenden Twinguitar-Intro, es folgen schöne Hooklines, endlich mal richtig grooviges Geriffe und ein lockerflockiger, nicht so dunkel wie häufig zuvor ausfallender und fast popiger Refrain-Gesang, insgesamt sehr schön arrangiert.
"Heavy On My Mind" ist dann quasi Programm, das Guitar-Riffing ist tendenziell tiefergelegt, wiederum ist der Gesang Jacksons etwas an James Hetfield angelehnt, überhaupt lässt hier dessen Kapelle wieder ganz entfernt grüßen.
Im Anschluss darf bei "Beak It" auch endlich mal ganz gepflegt die Nackenmuskulatur beansprucht werden, es wird sauber abgerockt!
Beendet wird der Songreigen vom programmatisch anmutenden "Rock & Roll Heaven (or bust)". Hier findet Ben Jackson seinen himmlischen Rock 'n' Roll - Frieden, wo er seine Songs 'forever' singen kann, "or bust!" Das klingt dann nach ziemlich klassischem Hard 'n' Heavy - Rock, mit riffenden Gitarren, die den Song vor sich her tragen, insgesamt getragen groovend, mit mächtigen Background-Vocals im Refrain und einer impliziten Grundstimmung, die tatsächlich ein bisschen wehmütig nach Abschied klingt, aber auch nach einer gewissen Aggressivität.
Das ist also ambivalent, wie eigentlich das ganze Album.
Für die Verehrer der alten Crimson Glory scheint es nur bedingt tauglich zu sein (entgegen der Aussage von Ben Jackson himself), für die Matten- und Kopfnickerfraktion ist die Geschichte vermutlich etwas zu brav und bieder ausgefallen und für die eingefleischten Hard 'n' Heavy - Freaks gibt es wenig Neues oder Spektakuläres zu bestaunen. War halt so oder so ähnlich schon häufiger mal zu hören.
Trotzdem denke ich, dass Ben Jackson ein grundsolides Album abgeliefert hat, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es ist handwerklich tadellos, ohne wirkliche Ausreißer nach unten und immerhin mit ein paar wirklich hörenswerten Höhepunkten.
Aber ein ganz großer Wurf im Sinne dessen, dass er sich damit einen signifikant größeren Fankreis erspielen könnte, ist ihm wohl nicht gelungen, dafür bleibt zu wenig Memorables in Herz, Hirn und Ohren haften.
Spielzeit: 47:00, Medium: CD, Escapi Music BV, 2005
1:Turn It On 2:Mean Machine 3:All Over You 4:Falling Down 5:Ghost In The Mirror 6:Eyes Of Ice 7:Far And Away 8:Heavy On My Mind 9:Break It 10:Rock & Roll Heaven (or bust)
Olaf "Olli" Oetken, 19.05.2005
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