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Jaded Sun 16.10.2008, Kulturzentrum Schlachthof, Bremen
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Jaded Sun
Kulturzentrum Schlachthof, Bremen
16. Oktober 2008
Konzertbericht
Stil: Rock'n'Blues
Fotos: © Heiko Frese
Artikel vom 11.11.2008
Olaf 'Olli' Oetken
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»Wer weit kommen will, darf nicht zu kurz springen«!
Wieso starte ich mit einer derartig schnöden Binsenweisheit?
Weil sie stimmt!
Was ist nicht alles in den einschlägigen (Online) Gazetten zu lesen gewesen, von einer jungen, hoffnungsvollen Band aus Dublin, die sich mit Haut und Haaren der Rockmusik der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts verschrieben hat und es schafft, hinreichend abgehangene Versatzstücke von XYZ in frische Musik zu verwandeln, ohne je an Thin Lizzy und Rory Gallagher zu gemahnen!
Jawohl, von Jaded Sun ist die Rede, einem neuen Fixstern am düsteren Himmel der lechzenden Altrocker, Hoffnungsschimmer eines jeden Nachwuchsrockers, der sich vor lauter Punk-, Alternative-, Indie- und Heavyattitüde die prachtvolle Langhaarmähne rauft, und ihres Zeichens Plattendebütanten, denen gleich mit dem ersten Longplaysilberling die geneigte Kritikerzunft zu Füßen liegt.
Besagte Combo wagt es sogar, ihre Visitenkarte in Bremen abzugeben, wo Zauber- und Lachnummernfußball ganz eng beieinander liegen und rockmusikalisch die tote Hose tanzt, abgesehen von selbigen und solchen Sargnägeln wie Motörhead, Joe Cocker oder etwa AC/DC. Das ist aber auch kein Wunder, denn die Läden sind ansonsten nur bei Coverbands, Schülerbandwettbewerben und den Rosenstolzen dieser Welt voll. Altgediente Rockmusikanten wie Joe Lynn Turner und Jimi Jamison, unter dem Banner 'Classic Rock Nights' unterwegs, sollen vor 5 (!!!) zahlenden Gästen aufgetreten sein.
Und nun Jaded Sun im Kulturzentrum Schlachthof, wo das Zielpublikum vermutlich noch nie etwas vom Terminus 'Classic Rock' gehört haben dürfte. Vielleicht wenigstens von Retro-Rock?
Nun, immerhin 130 zahlende Zuschauer finden den Weg, im Durchschnitt sichtbar älter als die Protagonisten auf der Bühne, welche übrigens fast nichts mehr mit der Optik zu tun haben, welche der interessierte Nostalgierocker bisher wahrnehmen konnte. Relativ brav und bieder ausschauend, analog zum Autoren dieser Zeilen, entern die fünf Iren die ziemlich große Bühne, stöpseln ein und lassen es dann krachen. In diesem Fall erstmal songsynchron zu ihrem zu Recht hoch gelobten "Gypsy Trip". Punktgenau kann die Band ihren hohen Standard von der Konserve auf die Bühne übertragen, vielleicht etwas rauer, puristischer, letztlich aber ohne den Songs entscheidend neue Facetten abgewinnen zu können. Selbst die jeweiligen Spielzeiten offerieren keinerlei neuen Spielraum.
Wer also das famose Album kennt, kennt automatisch die Live-Performance von Jaded Sun. Na ja, nicht ganz, Mister Maher ist letztlich weit davon entfernt, brav und bieder seinen Job zu erledigen, der Mann brennt, auch in offensichtlichen Routineveranstaltungen. Es dürfte jedoch für eine junge, aufstrebende Band fatal sein, lediglich routinemäßig rüberzukommen. Die Jungs verstehen ihren Job, haben die lässige Altrockerpose auch als vergleichsweise Jungspunde drauf und John Maher kann sich eindrucksvoll als überdurchschnittliche Schnittmenge aus Rod Stewart, Frankie Miller, Steve Marriott, Chris Robinson, Robert Plant, Paul Rodgers und Danny Bowes mit groupiefreundlichem Alabasterkörper in Szene setzen.
Aber wo bleibt das Überraschungsmoment?
Das Quintett fügt seinem Set insgesamt nur drei Coverversionen bei, zwei davon wenig überraschend, nämlich der alte Faces-Gassenhauer "Stay With Me" und Jimi Hendrix' "Crosstown Traffic". Bei ersterem erstaunt mich die einzige, wirklich enthusiastische Regung des Publikums (oder vielleicht gerade nicht überraschend?), bei letzterem die originalgetreu kurze Spieldauer.
Und dann bretzeln sie uns noch ein dampfendes Highspeed - "Running Down A Dream" um die Ohren, welches Meister Petty bestimmt ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hätte. Da war sie dann doch, die Überraschung, und für mich schon das Highlight des Abends.
Des kurzen Abends, wie sich alsbald herausstellt, denn gute 50 Minuten des Originalalbums, drei Coverversionen und zwei mir unbekannte Stücke, die entweder von der ersten EP der Band ("RAW", 2004) stammen müssen, oder ganz neu sind, quasi als Vorboten eines wünschenswerten "Gypsy Trip"-Nachfolgers, ergeben in der Summe 75 Minuten Netto-Gesamtspieldauer.
Das ist zwar konsequent retro und lehnt sich damit an die Gigzeiten der 60er bis Frühsiebzigerjahre an, geht auch mit den Spielzeiten von einigen Fixsternen anderer Musikgenres der gleichen Generation konform, stellt aber das tatsächliche Publikum, überwiegend eine halbe bis ganze Generation älter, mitnichten zufrieden und hinterlässt somit den Eindruck einer verpassten Chance, nachhaltig auf sich aufmerksam zu machen.
Zur Krönung des leichten Missmutes gesellt sich dann noch der verzweifelte Versuch eines Freundes, seinen Hunger in der zum Kulturzentrum gehörenden Kneipe zu stillen, und zwar eine Stunde vor der angegebenen Werktags-Deadline, ermöglicht durch die arbeitnehmerfreundliche Dauer des Konzerts.
Die Dame vom Service macht ihn freundlich, und letztlich hilflos, darauf aufmerksam, dass die gesamte Küchenkapazität von der Band in Beschlag genommen sei. Das riecht stark danach, dass die hoch gelobten Nachwuchsrocker mindestens genauso hoch hinaus wollen, und sich immerhin bereits in nicht mehr ganz irdischen Sphären wähnen. Darum sei ihnen eindringlich ins Stammbuch geschrieben:
»Wer weit kommen will, darf nicht zu kurz springen«!
Bilder vom Konzert
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Externe Links:
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