Jim Jeffries / Coming To Get You
Coming To Get You Spielzeit: 43:45
Medium: CD
Label: I Sold My Soul Media, 2011
Stil: Rockabilly

Review vom 14.12.2011


Wolfgang Giese
Nach vielen geschriebenen Rezensionen neigt man bisweilen zu einer Art 'Betriebsblindheit', d.h. man kann mit vorgefertigten Meinungen, durch Beeinflussungen - seien es typische Cover, Pressetexte oder auch durch das Hören der ersten Takte der Platte - vorschnell reagieren. Mitunter fällt es schwer, mit anderen Künstlern verwandter Genres vergleichen zu können. Manchmal ist man mit einer 'Schublade' schnell zur Hand.
Jim Jeffries, ein bleichgesichtiger junger Mann mit Schmalztolle, eine Hollowbody-Gitarre zur Hand, unter den Augen geschminkt, elterliche Einflüsse durch Folk, Blues und Country - das 'riecht' gleich nach einer weiteren, neuzeitlichen Betrachtung des alten Themas Rockabilly. Und nun wieder die Fragen: wird hier authentisch musiziert? Werden bekannte Titel einfach nur mehr recht als schlecht (oder umgekehrt) nachgespielt? Ist die alte Musik lediglich in die Neuzeit transferiert worden oder gibt es einen neuen Anstrich? Auch die Frage nach 'Referenzen' taucht wieder auf. Viele unter uns werden Referenzkünstler oder -platten haben, an denen alle anderen gemessen werden. Wird Jim Jeffries dem standhalten? Meine persönliche Empfehlung zur Wiederentdeckung des Rockabilly, mit persönlicher und eigenständiger Ausprägung, sind noch immer die Stray Cats.
Jim Jeffries wurde 1971 im Süden Englands geboren und wird die soeben genannte Band wohl noch nicht bewusst miterlebt haben, obwohl er um jene Zeit bereits damit begonnen haben soll, Songs zu schreiben. Als Einflüsse werden von ihm Johnny Cash, Hot Boogie Chillun, Depeche Mode, Chris Isaak und Elvis Presley genannt. Na, schauen oder hören wir einmal, welches Gebräu sich daraus entwickelt hat.
Bereits nach den ersten Eindrücken scheint es in der Tat so zu sein, dass der Künstler etwas relativ Eigenständiges vorlegt. Ganz locker startet der Ritt durch die Platte in 'Ghost Riders In The Sky-Manier', so ähnlich jedenfalls. Und nun der zweite Song: Ohne vorab auf die Tracklist geschaut zu haben, ließ ich die Musik auf mich einwirken und wusste - das kenne ich doch! Klar doch, "Don't Go" von Yazoo! Super, wie die Band diesen Titel aus einer so ganz anderen Richtung sich zu eigen gemacht hat, mein Kompliment. Das nun von der Keyboardlast befreite Stück gewinnt mit der Ausrichtung auf die Gitarre enorm an Intensität. Auch der männliche Gesang passt und lässt mich das Original schnell vergessen, in dieser Version hat das Teil Hitcharakter! Es folgt "DeLuxe Mama", das wie die Rolling Stones auf ihrem ersten Longplayer rockt, eine weitere Komponente in diesem Soundmix. Weitere Eindrücke bei den anderen Titeln zielen klar in Richtung Chris Isaak, Dale Hawkins, Del Shannon und auch der Blues wird ansatzweise auf "Bad Blues Baby" bemüht. Letztlich wird der Vergangenheit durch Verwendung einiger Zitate des Genres unter Einbezug moderner Stilelemente eindeutig Tribut gezollt.
Das Solodebüt des Protagonisten kann also mit Abwechslung punkten und dennoch klingt alles 'wie unter einem Dach' - ich kann nur gratulieren zu diesem gelungenen Streich! Sehr ungezwungen fließt die Musik, lässt wie automatisch Extremitäten und die Seele baumeln und ich bin gespannt, wie sich weitere Produktionen gestalten werden. Auch gesanglich kann mich Jeffries, mit seiner gelegentlich melancholischen und verträumt wirkenden Art zu singen, überzeugen. Gut, so richtig kraftvoll ist sein Organ nicht, aber er weiß die jeweilige Atmosphäre auszufüllen, bei den langsameren Titeln allerdings überzeugender.
Die Band weiß ebenfalls mit zupackender Begleitung zu gefallen. Der Bass bildet ein elastisches Bindeglied und der antreibende Drummer scheppert munter drauflos, in positivem Sinne gemeint. Die Gitarrensoli sind kurz, aber gefühlvoll und tadellos vorgetragen.
Also, nicht nur jene, die gern Rockabilly hören, sollten aufpassen, denn die Bandbreite ist weiter gefasst und auch Rock'n'Roller könnten ihre Freude daran haben - alle, die an energisch treibender Musik Freude haben. Jedenfalls ist "Coming To Get You" für mich eine positive Bereicherung in der großen 'Schublade' Rockabilly, hier einmal mit moderner Ausprägung.
Line-up:
Jim Jeffries (vocals, backing vocals, lead guitar, rhythm guitar, acoustic guitar, slide guitar, Spanish guitar, mandolin)
Dan Flamm (backing vocals, lead guitar - #2, 3, 4, rhythm guitar, acoustic guitar, Hammond organ)
Puck Lensing (double bass)
Mark Richards (drums, backing vocals)
Paul Richardson (harmonica, backing vocals, dog leg wobbling)
Christie Pearl Buxcey (angelic backing vocals)
Nick Evans (pedal steel)
Paul 'Choppy' Lambourne (double bass - #6)
Tracklist
01:Headin On Out West (2:59)
02:Don't Go (3:18)
03:Deluxe Mama (2:27)
04:Shiver (2:58)
05:Vegas Blues (3:35)
06:Bad Blues Baby (3:31)
07Ace In My Sleeve (2:34)
08:Fire (4:21)
09:Comin To Get You(3:20)
10:I'm That Man (3:20)
11:Cold Hearted Woman (2:37)
12:Murder (2:44)
13:Twisted Mind (2:52)
14:Devil Inside (3:19)
(all songs written by Jim Jeffries, except #7 by M. L. Allen, #4 by M. L. Allen/J. Jeffries, #10 by J. Jeffries/D. Flamm, #11 by J.Jeffries/L. Wilhelm, #2 by Clarke)
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