Manche Künstler sind einem bekannt, auch, wenn man sie nicht wirklich kennt. So dürfte es den Amerikanern gerade mit Pi Jacobs ergehen, denn ihre Musik war und ist in vielen Filmsoundtracks, der TV-Werbung, auf MTV und Nickelodeon zu hören, doch selten rückt dabei ihr Name in den Vordergrund. Die aus San Francisco stammende Singer/Songwriterin arbeitet aber gerade mit Nachdruck daran, diese unbefriedigende Situation zu ändern. Sie absolviert in den USA einen umfangreichen Tourplan - das Album "Urbanicana" sollte erst im kommenden Herbst erscheinen, stattdessen entschied sich die Rocklady, bereits jetzt eine abgespeckte Version als Six-Track-EP vorzulegen - damit hat sie für ihre Konzerte eine Veröffentlichung, die sie promoten kann.
So bleibt die Hoffnung, dass irgendwann eine Vollversion oder ein weiteres, komplettes Album herauskommen wird, denn, was Pi Jacobs hier an Musikalität und Intensität in die nicht mal halbe Stunde der aktuellen CD hineingepackt hat, toppt manchen anderen Output ihrer Kollegen so lässig, als ginge es um Werbung für Powerdrinks, die diesen Namen wirklich verdienen.
Bereits der Opener der Scheibe ist meines Erachtens der beste von Jacobs, die Dröhnung! "Anytime" rockt so geradlinig drauflos, dass man beim Zuhören kaum still sitzen kann. Die Stimme nimmt sofort gefangen und das dichte Arrangement in klassischer Rockbesetzung, mit druckvollem Midtempo, hat das Zeug zu einem echten Hit. Im Jahre 1968 wäre das garantiert eine weltweite Nummer 1 geworden.
Wer mag, kann den Stil der rotzig-poetischen Chanteuse gerne als Retro beschreiben, denn sicher hat Pi Jacobs das musikalische Pulver nicht neu erfunden. Dennoch wirkt die Produktion durchgängig frisch und zeitgemäß. Mögen die Stilmittel und Ausdrucksformen auf "Urbanicana" auch den Tugenden früherer Tage des Rock huldigen, sind Musik und Texte zugleich einfach zeitlos schön.
Wenn man schon Vergleiche anstellen will, würden die Songs von Pi Jacobs irgendwo zwischen den melancholisch-rauen Klangwelten einer Patti Smith und dem Losgeh-Rock einer Joan Jett pendeln. Allerdings können solche Hinweise dem persönlichen Flair der jungen Künstlerin nicht wirklich gerecht werden. Ihr Charisma blitzt nicht nur hin und wieder auf, es sprüht förmlich aus den Boxen. Pi zieht hier wirklich ihr ureigenstes Ding durch. Das würde man gerne auch mal auf deutschen Bühnen live bewundern.
Dass sie in jedem Fall bereits heute eine 'musicians' musician' ist, die bei ihren Kollegen große Achtung genießt, wird unter anderem daran deutlich, dass Starproduzent Eugene Toale mit ihr am aktuellen Werk arbeitete, der schon für Kanye West, Aretha Franklin und andere Größen des Business an den Reglern saß. Ein weiterer illustrer Name in den Credits von "Urbanicana" ist Fredo Ortiz an Drums und Percussion, der seine Burger ansonsten bei den Beastie Boys verdient.
Auch textlich hat Pi Jacobs einiges zu bieten - schon der Titel der EP, "Urbanicana" zeigt einen ganz eigenen Zugang zu den musikalischen und lyrischen Wurzeln der Künstlerin: "Americana" ist ein Trademark, das oft gleichgesetzt wird mit einer eher ländlich orientierten Westernromantik. Doch das Zeitalter der Cowboys liegt lange zurück - wer erlebt diese in alten Hollywoodschinken und der Zigarettenwerbung kolportierte Variante von God's Own Country denn heutzutage noch?
In ihren Songs wählt Pi Jacobs oft den Blickwinkel des Menschen, der in seiner kleinen, trostlosen Stadt sitzt und sich nach eben jenem Amerika sehnt, das als Wunschbild medial verbreitet wird.
Am deutlichsten tritt dieses "Urbanicana"-Feeling wohl in "Tryin' To Be Loved" zu Tage - und damit ist die Scheibe dann auch gleich zu Ende. Schade, ich hätte diesen bewegenden Geschichten, dieser außergewöhnlichen Stimme und der fantastisch eingespielten Studioband gerne noch länger zugehört.
Line-up:
Pi Jacobs (vocals, guitars, bass)
Jen Curiel (bass)
Jamie Bishop (bass)
Edi Kistler (bass)
Chris Voss (guitars)
George Earth (guitars)
Alex Federov (guitars)
Eugene Toale (keyboards, piano, vocals, programming)
Fredo Ortiz (drums, percussion)
Celia Chavez (percussion, vocals)
Kel Pritchard (vocals)
Tracklist |
01:Anything
02:Kickaround
03:Whatever
04:Got It!
05:Mrs. Oneill
06:Trying To Be Loved
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Externe Links:
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