Black Coffee?!
Schwarzer Kaffee ohne Milch und Zucker, sinnbildlich auf die Musik übertragen also ohne Sahnehäubchen und süßer Melodik, oder wie, oder was?
Aber schwarzer Kaffee könnte ja auch für strenge, starke, unverfälschte musikalische Kost stehen.
Oder gar, wiederum sinnbildlich gedacht, für 'schwarze' Musik.
Dargeboten von einem Bleichgesicht, Jahrgang 1944 und genau wie der Rezensent stark 'erblondet'.
Wie heißt der Mann? Al Kooper!
Wie bitte? Who is Al Kooper?
Fragen über Fragen, die selbst unsere tapfere Erna völlig überfordern.
Diesmal triumphiert nämlich ihr Göttergatte Erwin:
"Aber Erna, das ist doch dieser Typ, der Mitte der 60er als Tastenschreck im Zusammenhang mit Bob Dylan bekannt wurde, beispielsweise mit dem Hit "Like A Rolling Stone", der darüber hinaus zu dieser Zeit bei der Formation Blues Projekt aktiv war, um daran anschließend 1967 die berühmten Blood Sweat & Tears mit aus der Taufe zu heben. Außerdem kooperierte er Ende der 60er häufiger mit dem (Blues-)Gitarrenvirtuosen Mike Bloomfield von der Paul Butterfield Bluesband bzw. Electric Flag. Nicht zuletzt war er zu dieser Zeit auch ein gefragter Session-Musiker und klimperte auf Alben von beispielsweise Joan Baez, Cream, The Who, Simon & Garfunkel, BB King, Rolling Stones, Joe Cocker, Taj Mahal, Moby Grape, Paul Butterfield, Jimi Hendirx, George Harrison, Ringo Starr."
"Wow, Erwin, du bist ja plötzlich ein wandelndes Lexikon. Dieser Mensch muss ja in den 60ern unheimlich produktiv gewesen sein."
"Oh ja, und er hat sogar noch ab 1968 Soloalben rausgebracht und ab 1970 angefangen, sich auch mit Filmmusik im Sinne von Soundtracks zu beschäftigen. Und damit nicht genug, seit 1968 arbeitet er zur Krönung des Ganzen als erfolgreicher Produzent.
So entdeckte er quasi Anfang der 70er eine Südstaatenformation namens Lynyrd Skynyrd und produzierte deren erste drei Alben! Auch das erste Album der Tubes mit dem Gassenhauer "White Punks On Dope" wurde beispielsweise von ihm produziert."
"Jesses, da bin ich aber völlig von den Socken, wieso nur sagt mir der Name Al Kooper nichts? Das ist ja offenbar ne komplette Kulturlücke bei mir!"
"Wohl wahr liebe Erna, aber das Problem dürfte sein, dass kaum jemand Produzentennamen kennt. Zudem hat sich Al Kooper selbst nie als großen Tastenvirtuosen verstanden und somit nie richtige Eigenwebung betrieben. Außerdem ist er nun wirklich ein klassischer 'Nichtsänger', so dass seine Eigenwerke entweder ziemlich 'eirig' oder halt Instrumental ausfielen, was beides noch nie besonders verkaufsfördernd war."
"Und jetzt hat dieses Phänomen ein neues Album rausgebracht?"
"Ja, am 08.08. erscheint "Black Coffee", sein insgesamt siebtes Soloalbum und das erste seit 12 Jahren!"
"Mit Gesang oder Instrumental?"
"Oh, mit 'Gesang' von ihm selbst, außerdem wirken The Funky Faculty mit, die aus Bob Doezema (guitars), Tom Stein (bass), Larry Finn (drums), Jeff Stout & Daryl Lowery (horns), sowie Catherine Russell, Sherryl Marshall & Curtis King (background vocals) bestehen.
Darüber hinaus wirken auch noch sporadisch seine langjährigen Mitstreiter Anton Fig (drums) und Jimmy Vivino (background vocals) mit."
"Ganz schön viele BackgroundsängerInnen!"
"Ja, die sind aber auch nötig, denn Al kämpft sich doch, wenn auch sehr sympathisch, mit dünner, brüchiger und tatsächlich eiernder Stimme durch den bunten Songreigen."
"Bunter Songreigen?"
"Oh ja, dieses Album bietet wirklich alles, was mit schwarzem Kaffee ohne Milch und Zucker assoziiert werden kann.
Es beginnt mit einem locker flockigen Pop-Reggae in "My Hands Are Tied", inklusive flottem Gebläse und zwei feinen Gitarrensoli.
Es folgt ein durchaus an J.J. Cale gemahnendes "Am I Wrong", übrigens von Al Kooper im Alleingang eingespielt und abgemischt.
Dann kommt eine Art Bar(Cocktail)Jazz im Crooner-Style mit "How My Ever Gonna Get Over You", nur ohne Crooner, sondern mit dem schrägen Nachtkater Al Kooper, und dann haben wir es mit einem leicht funky und soulig angehauchten Storyteller mit Schunkelfaktor in "Going, Going, Gone" zu tun, welches Al zusammen mit Dan Penn geschrieben hat, dem musizierenden Bruder vom schauspielernden Ex-Gatten der Pop-Queen Madonna. Spätestens hier haben wir auch mal etwas Zucker im Kaffee.
Und ähnlich bunt geht es weiter. "Keep It To Yourself" zaubert lupenreinen 80ies - Pop-Soul Sound aus den Boxen, "Get Ready" von Smokey Robinson besticht durch rockig poppige Shuffle - Rhythmen mit Honky Tonk - Piano und feinem Kurzgitarrensolo von Al himself, dann kommt ein im Falsett dargebotener, souliger Schleicher mit "Imaginary Lover", wiederum im 80ies Soundgewand, gefolgt von einem Live-Tune aus Norwegen(!), wo Al Kooper sich mit der Funky Faculty fröhlich durch den alten Booker T. & The M.G.'s-Instrumentalstomper "Green Onions" orgelt und Bob Doezema etwas ausführlicher an den 6 Saiten glänzen darf.
Danach folgen zwei etwas schwächere Stücke, quasi die Synonyme dafür, dass schwarzer Kaffee auch mal ziemlich fad schmecken kann, komplett alleine von Al eingespielt und abgemischt, die arg synthetisch und somit wiederum 80er-Sound angelehnt rüberkommen und irgendwie den Charme versprühen, von irgendwelchen Soundtrackarbeiten übrig geblieben zu sein.
Dann allerdings kommt eindeutig Milch ins Spiel, nämlich beim Knaller des Albums, "Got My Ion Hue", ein perkussiver Rhythmusknüller im Ska-Gewand, was dem guten alten Al Kooper sehr gut steht, zudem gibt es wieder ein Klasse-Solo von Bob Doezema, wirklich ein Meister seines Fachs.
Mit "Just For A Thrill" ertönt ein weiterer Bar-Jazz mit schon surreal wirkendem "Eiergesang", bevor Al beim zweiten Live-Stück des Albums zum Soul-Clapping einlädt und dabei musikalisch auf den (schwarzen) Pfaden Ray Charles wandelt, dem das Album neben u.a. Jimmy Smith auch gewidmet ist.
Zum Abschluss gibt es dann noch mit "(I Want You To) Tell Me The Truth" eine tiefe musikalische Verneigung vor den The Band- Verblichenen Rick Danko & Richard Manuel, womit der Reigen des schwarzen Kaffees schließt, ganz dramatisch durch einen peitschenden Schuss."
"Also Erwin, ich muss schon sagen, das macht wirklich neugierig. Dieser Al Kooper scheint ja wirklich eine höchst interessante Tasse Kaffee gebrüht zu haben. Und noch dazu überwiegend sehr wohlschmeckend."
Ja, ja, wo sie Recht hat, hat sie Recht, die Erna.
Eine Tasse voll mit schwarzem Kaffee scheint tatsächlich ausgesprochen vielschichtig zu sein und die diesbezüglich eingangs gestellten Fragen sind eindeutig dahingehend zu beantworten, dass an allem etwas Wahres dran ist.
Nun sage noch einer, schwarzer Kaffee wäre profan. Oder gar im schlechtesten Fall kalter Kaffee.
Al Kooper's neuestes Werk ist jedenfalls kein kalter Kaffee, sondern dem Rezensenten, in Übereinstimmung mit Erwin, durchaus 7 RockTimes - Uhren wert, denn der alte Produzentenfuchs hat natürlich auch für einen feinen Klang gesorgt, der zwar auf MediaProSaturnTelepointBehningsonstwasMarkt-Anlagen etwas dünn und schwachbrüstig daherkommen kann, sich aber in Wirklichkeit wunderbar transparent und überraschend intim in die Gehörgänge schleicht.
Spielzeit: 69:00, Medium: CD, Favored Nations Entertainment, 2005
1:My Hands Are Tied 2:Am I Wrong 3:How My Ever Gonna Get Over You 4:Going, Going, Gone 5:Keep It To Yourself 6:Get Ready 7:Imaginary Lover 8:Green Onions-Live 9:Another Man's Prize 10:Childish Love 11:Got My Ion Hue 12:Just For A Thrill 13:Comin' Back In A Cadillac-Live 14:(I Want You To) Tell Me The Truth
Olaf "Olli" Oetken, 06.08.2005
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