Im Frühjahr 1971 (manche Quellen geben das Jahr 1970 an) spielten Carole King und James Taylor zwei Wochen lang im "Troubadour" in Los Angeles, einem Nachtclub, in dem zahlreiche Musikkarrieren in Amerika starteten; so gab beispielsweise Elton John sein erstes Konzert in den USA im Troubadour. Nun erschien kürzlich ein CD/DVD-Album mit Songs, die die beiden seinerzeit präsentiert haben. Doch die vorliegenden Aufnahmen stammen nicht aus den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, sondern aus dem Jahr 2007, denn in diesem Jahr - dem 50. des Bestehens des Troubadour - begaben sich die beiden Protagonisten auf eine Zeitreise und kehrten in den Club zurück, um hier erneut gemeinsam aufzutreten.
1971 standen beide noch am Anfang ihrer Karriere. Carole King, die sich zuvor schon gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann, Gerry Goffin, als Songschreiberin für die unterschiedlichsten Künstler einen Namen gemacht hatte, begann erstmals - übrigens auf Anraten von James Taylor - ihre Lieder selbst zu interpretieren. Während ihr erstes Soloalbum im Jahr 1970, "Writer", zumindest kommerziell nicht erfolgreich war, gelang ihr mit "Tapestry" eine überragende Platte, die bis heute weit über 25 Millionen Mal verkauft wurde. Zu dieser Zeit hatte James Taylor bereits die drei Alben "James Taylor", "Sweet Baby James" und "Mud Slide Slim And The Blue Horizon" veröffentlicht.
Vor diesem Hintergrund bestand das Repertoire der damaligen Auftritte - ebenso wie die Tracklist des hier dokumentierten Konzerts - ausschließlich aus dem auf diesen, insgesamt fünf Scheiben, veröffentlichten Material. Das Verhältnis ist ausgewogen: Je sieben Kompositionen stammen aus der Feder von Carole King (teilweise unter Mitarbeit von Gerry Goffin; allein sechs Tracks von "Tapestry") und James Taylor, ein weiteres von ihm gesungenes Stück stammt von Danny Kortchmar, damals wie beim vorliegenden Auftritt Gitarrist der Begleitband. Zu dieser gehör(t)en zudem noch der Bassist Leland Sklar sowie der Schlagzeuger Russell Kunkel. Im Unterschied zu so manch anderer 'Reunion-Tour' sind hier also nach mehr als 35 Jahren sämtliche Originalmusiker mit dabei - fürwahr eine grandiose Leistung.
Grandios ist auch die Tracklist: Alle Songs sind Standards des jeweiligen Solointerpreten (teilweise auch für beide!), so dass es sich eigentlich erübrigt, sie im Einzelnen vorzustellen. Sie werden absolut professionell dargeboten, so wie man sie seit 35 Jahren kennt und wohl auch immer wieder erwartet. Da kommt es schon fast überraschend, wenn Carole King bei "It's Too Late" im instrumentalen Mittelteil über das Thema improvisiert und Kortchmar seine Gitarre im Stile eines Carlos Santana aufheulen lässt; der Szenenapplaus des Publikums kommt wohlwollend herüber.
Doch das Konzert beginnt ohne jegliche Einleitung unspektakulär mit "Blossom" von James Taylor, daher erklingt die Gitarre im Vordergrund, während Carole King am Flügel begleitet, wohingegen das nachfolgende "So Far Away" umgekehrt arrangiert ist. Vor dem dritten Titel werden die Mitglieder der nunmehr in das Geschehen eingreifenden Begleitband im Einzelnen vorgestellt. Die folgende Kortchmar-Komposition, "Machine Gun Kelly", erklingt aufgrund der kompletten Besetzung deutlich rockiger.
Ähnliches kann zu "Smackwater Jack" gesagt werden: Ein wirklich rockiger Song, der diesen Charakter in erster Linie durch das flotte Pianospiel von Carole King erhält, im übrigen aber auch dadurch, dass Danny Kortchmar seine elektrische Gitarre - auch solistisch - in den Vordergrund spielen darf.
Dazwischen werden mit "Carolina On My Mind" sowie dem bereits erwähnten "It's Too Late" zwei ruhigere Stücke gespielt - das eine von James Taylor gesungen, das andere natürlich von Carole King.
Es folgt "Something In The Way She Moves", ein Song von James Taylor, den dieser - so seine Einleitung - im Jahr 1967 bei Apple Records vorspielen durfte, und der ihm seinen ersten Plattenvertrag eingebracht habe. George Harrison und Paul McCartney seien so beeindruckt gewesen, dass sie auf James erster Schallplatte mitgespielt hätten. Und - wer weiß - vielleicht war es auch der Titel dieses Songs, der George Harrison zwei Jahre später zu der gleichlautenden Titelzeile einer seiner berühmtesten Kompositionen animiert hat?
Apropos Einleitungen: Wenn man die Tracks auf der CD direkt anwählt, verpasst man die oft humorvollen Ansagen regelmäßig. Der Grund hierfür ist, dass sie CD-technisch an den vorigen Titel angehängt sind, was ich bedauerlich finde, denn es sind überwiegend keine 'Absagen', sondern leiten das nächste Stück ein und gehören daher zu diesem. Aber üblicherweise wird man das Konzert 'am Stück' hören, so dass einem dies gar nicht auffällt.
Die nächsten Stücke - überwiegend von James Taylor gesungen - kommen wieder eher unspektakulär rüber und sind mehr dem besinnlichen Genre zuzuschreiben. Wirklich amüsant ist aber wiederum die Einleitung zu "Sweet Baby James", in der die Entstehungsgeschichte des Songs geschildert wird.
Bei "I Feel The Earth Move" hängt sich James Taylor die E-Gitarre um, um dem rockig dargebotenen Stück seinen Beitrag zu geben.
Die letzten drei Titel des Konzerts machen endlich den Sinn aus, den ein gemeinsames Konzert der beiden Protagonisten macht: Carole King und James Taylor im wirklichen Duett singend (und nicht lediglich jeweils für Backing Vocals zuständig). Beim Schlusssong "You Can Close Your Eyes" ist man in der Tat versucht, die Augen zu schließen und zu träumen ...
Doch zuvor natürlich noch: "You've Got A Friend" - DER Hit schlechthin für Carole King und insbesondere für James Taylor (Platz 1 der Charts). Von ihr im Jahr 1971 geschrieben, hörte James Taylor den Song nach eigenen Angaben erstmalig im Troubadour und schuf daraufhin eine Version, in der die Gitarre das Leitinstrument bildet. Carole King sei so großzügig gewesen, ihm das Recht auf Erstveröffentlichung zu überlassen, wofür er sich vorliegend ausdrücklich bedankt. Während Carole King seinerzeit James Taylor auf dem Flügel unterstützt, begleitet er sie bei ihrer auf "Tapestry" veröffentlichten Version mit seiner Akustikgitarre. In der Folgezeit hat es unzählige Interpretationen des Songs durch andere Künstler wie auch die beiden Protagonisten - jeweils getrennt - gegeben. Besonders eindringlich sind die Aufnahmen von Carole King mit David Crosby und Graham Nash auf "In Concert" 1994, sowie mit den Divas Celine Dion, Gloria Estefan und Shania Twain im Jahr 1998 auf "VH1 Divas Live". Doch jetzt singt zusammen, was zusammen gehört: Carole King und James Taylor im Wechselgesang machen deutlich, dass nur sie beide gemeinsam diesen Song derart eindringlich interpretieren können, und man fühlt überdeutlich, dass die beiden eine jahrzehntelange innige Freundschaft verbindet, was insbesondere bei Betrachtung der DVD augenscheinlich wird.
Kommen wir also zur DVD: Sie beginnt mit den Vorbereitungen für das Konzert im Troubadour, wodurch man auch einen optischen Eindruck von der Location bekommt; offenbar im vorderen Teil eine gemütliche Kneipe. Die Protagonisten erzählen im Off einiges über die Geschichte des Clubs, bevor sie - zunächst alleine - die Bühne betreten und das direkt bis zum Podium stehende Publikum teilweise per Handschlag begrüßen; der Club strahlt direkt eine absolut familiäre Atmosphäre aus.
Carole King sieht - zumindest von Weitem, ansonsten auch für ihr Alter - noch unheimlich gut aus. Ihr Lockenkopf ähnelt sehr ihrem Erscheinen zu Zeiten von "Tapestry"; allein der Fummel, den sie oberhalb ihrer obligatorischen Jeans trägt, ist deutlich edler als der seinerzeitige Wollstrickpullover. Hingegen ist an James Taylor der Lauf der Geschichte nicht spurlos vorbei gegangen; seine frühere lange Mähne ist einer Glatze gewichen, und auch sein Schnäuzer ist Vergangenheit. Seine oft humorvollen Überleitungen, die er in der Regel mit leicht verschmitztem Lächeln begleitet, bringen nicht nur das Publikum zum Lachen, sondern oftmals auch seine Mitstreiter, als ob diese sie zum ersten Mal hören würden.
Inhaltlich ist die DVD mit Ausnahme des Vorspanns absolut identisch zur CD; der optische Eindruck vermittelt sehr gut die familiäre Atmosphäre des Konzerts. Schön zu beobachten sind insbesondere die oftmals liebevollen Blickkontakte zwischen Carole King und James Taylor; so erklären sich viele 'Zwischentöne' der CD erst bei Betrachtung der Bilder.
Auch die Mitmusiker können ihr Alter nicht verleugnen. Insbesondere der Bassist, der in jungen Jahren durch eine lange, dunkle Mähne auf und unter dem Kopf à la Jerry Garcia auffiel, hat seine Kopfbehaarung überwiegend verloren. Dafür ist der Bart noch deutlich länger geworden und in Ehren ergraut. Die 'Jungs' von ZZ Top dürften neidisch sein! Zudem könnte er - eine 'Melone' auf dem Kopf - glatt als Vadder Abraham durchgehen! Sein unprätentiöses, ruhiges Bass-Spiel unterstreicht er durch seine ebensolche dauerhaft eingenommene Positur.
Die Bilder vom Konzert sind sehr unmittelbar und oftmals sehr detailverliebt, teilweise aber auch wackelig, als ob das Konzert mit einer Handkamera aufgenommen worden sei. 'Totale' gibt es relativ selten. Dennoch ist die DVD eine gelungene Dokumentation eines überaus gelungenen Konzerts, die ich nicht missen möchte.
Was bleibt festzustellen: Es ist alles beim Alten geblieben (und das ist gut so!): das brillante, transparente Gitarrenspiel von James Taylor, sein präzises Picking, bei dem jeder Ton sitzt, und natürlich seine prägnante, leicht nasale und etwas zurückhaltende Stimme. Demgegenüber beeindrucken der nach wie vor oft kraftvolle Gesang von Carole King sowie ihr dynamisches Pianospiel.
Schade eigentlich nur, dass mit "(You Make Me Feel Like) A Natural Woman" ein weiterer toller "Tapestry"-Song fehlt, und das, obwohl Carole King und James Taylor die Fans vor ihrer 'Wiedervereinigung' zu einem 'Troubadour Reunion Song Request Contest' aufgerufen hatten (nachzusehen nach wie vor als Video auf den Homepages von Carole King und James Taylor). Schade auch, dass die beiden nur selten Duett-mäßig gemeinsam singen; entsprechende Gelegenheiten wären genug vorhanden gewesen.
Dennoch überwiegt bei Weitem das Positive. Für mich ist das Album für Freunde von Carole King und/oder James Taylor ein ganz klarer Tipp!
Line-up:
Carole King (piano, vocals)
James Taylor (guitar, vocals)
Danny Kortchmar (guitar)
Leland Sklar (bass)
Russell Kunkel (drums)
Tracklist CD und DVD: |
01:Blossom (3:10)
02:So Far Away (4:42)
03:Machine Gun Kelly (2:59)
04:Carolina On My Mind (4:16)
05:It's Too Late (4:59)
06:Smackwater Jack (5:25)
07:Something In The Way She Moves (4:04)
08:Will You Love Me Tomorrow (4:13)
09:Country Road (3:49)
10:Fire And Rain (5:45)
11:Sweet Baby James (3:35)
12:I Feel The Earth Move (4:05)
13:You've Got A Friend (5:52)
14:Up On The Roof (4:09)
15:You Can Close Your Eyes (2:50)
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