Eric King & the Thin Line
Eric King & the Thin Line
Was für eine Welt!
Wer heutzutage einen 60-Stunden-die-Woche - Job sein Eigen nennen darf, hat einerseits sicherlich nicht viel zu meckern (außer natürlich über die viele Arbeit), andererseits besteht aber keinerlei Chance, wirklich ernsthaft einem Hobby zu frönen. Und schon gar nicht, wenn es um das Thema Musik geht. Auch nicht, wenn es sich dabei um eine eher passive HörerInnenrolle handelt. Und definitiv komplett chancenlos ist der fleißige Berufstätige, der sich einen gewissen Musikgeschmack auf die Fahne schreibt und damit unfreiwillig vollständig am aktuellen Formatradioprogramm vorbeihört.
Warum diese Chancenlosigkeit?
Weil über die Medien, die trotz geringer individueller Freizeitkapazität wahrgenommen werden können, ausschließlich Sachen verbreitet werden, die von den 3-4 übriggebliebenen großen Majorlabels stammen. Der Rest ist quasi automatisch ausgeblendet und landet in der "Special-Interest" - Sektion. Und diese wiederum erfordert einen nicht geringen Zeitaufwand, um auch nur ansatzweise einen Überblick bekommen zu können.
Und was hat das alles nun mit einer Plattenrezension zu tun?
Wesentlich mehr, als zunächst angenommen werden könnte, denn die CD "Shake These Blues" von einem gewissen Eric King und seiner Begleitband Thin Line ist von potentiell am Special-Interest - Bereich "Bluesrock und Artverwandtes" interessierten HörerInnen wirklich nur zu entdecken, wenn diese Zeit und Muße haben (oder sich selbiges einfach nehmen), die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen zu suchen.
Denn der gute Eric King hat, wie wohl so viele hervorragende MusikerInnen dieser Tage, keinen Plattenvertrag und somit auch keinen Vertrieb über irgendwelche Plattenläden. Noch nicht einmal über die spezialisierten Fachgeschäfte, die zu allem Überfluss alle selber ums Überleben kämpfen müssen. Aber wie sollen diese überleben, wenn die MusikerInnen zunehmend den Weg des Eigenvertriebs wählen bzw. ihre Produkte ausschließlich über spezialisierte Internetanbieter oder eigene Webseiten anbieten müssen?
Und somit entgeht vielen Freunden der nicht unbedingt im Verdacht der großen Innovation stehenden "Classic-Bluesrock-Tunes" dieses kleine Plattenjuwel!
Es gibt insgesamt 10 Songs zu genießen, alles Eigenwerke, vorgetragen durch einen Sänger aus der amerikanischen Hauptstadt, der in meinen Ohren stimmlich irgendwo zwischen Doyle Bramhall II und Gregg Allman liegt und der zusätzlich noch einen relativ vielse(a)itigen Gitarrenstil pflegt, welcher mich stellenweise an eine interessante Kreuzung aus Steve Lukather, Steve Morse und Neil Schon denken lässt, allerdings auch häufiger mal eher in Richtung Stevie Ray Vaughan tendiert.
Wenn dies nicht dem zweiten Gitarristen und Co-Schreiber namens Tony Albany zuzuschreiben ist, der bereits seit Anfang der 80er in der Washingtoner Musikszene aktiv ist und an dem das Phänomen SRV garantiert nicht spurlos vorbeigegangen sein dürfte.
Zusätzlich ist noch ein hörbar versierter Drummer an Bord (Gil Walters), der auf eine beachtliche 30jährige Musikerkarriere zurückblicken kann und bereits mit Acts wie den Platters, Mary Wells, den Drifters, den Coasters, Al Wilson, Ray Charles(!) und Armando Peraza musizierte, Tom Silis agiert mannschaftsdienlich am Bass und viele Songs werden durch wunderbar warme B3 Töne von Dave Braning veredelt, der auch einige southern anmutende Pianoläufe beisteuert.
Musikalisch bewegt sich das Ganze im Rahmen eines weitgehend southern geerdeten Bluesrocks, nicht zuletzt auch dadurch unterstützt, dass bei vielen Songs Pam Bricker als weibliche Stimme mitmischt, mit gelegentlichen Texasblues-Einsprengseln und einer gewissen souligen Affinität.
Dabei fühle ich mich interessanterweise relativ häufig ertappt, an das bisherige Schaffen von Doyle Bramhall II erinnert zu werden, der zur Zeit als "Ziehsohn" von Eric Clapton fungiert, ungefähr im selben Alter sein dürfte und bereits 3 Alben unter eigenem Namen veröffentlichte, zusätzlich Anfang der 90er in einer Formation spielte, die sich Arc Angels nannte, welche ein Album veröffentlichten und die Rhythmusgruppe von Stevie Ray Vaughan beinhalteten. Tja, da haben wir ja den Texasblues-Bezugspunkt!
Wie bei den Arc Angels und den ersten beiden Soloalben von Doyle Bramhall II stürmt es selten voran, die Musik wird eher feinfühlig, smooth und differenziert vorgetragen, mit einem wunderbar warmen live-im-Studio - Sound, alles hörbar "One-Takes", also keine Overdubs, keine "Tausendspurenmaschienen", kein "Wall Of Sound", nein, die Musiker stehen in meinem kleinen Hörraum livehaftig vor mir und scheinen dabei noch zu überlegen, wie sich das ganze Equipment wohl unterbringen lässt. Vermutlich war das Aufnahmestudio nur unwesentlich größer als mein Wohnzimmer!
Anspieltipps sind beide Balladen dieses Albums, "What Would You Do?" und "End Of The Line" (herrliche B3-Orgel), die direkt aus dem Süden der USA zu stammen scheinen, "Hind Sight" und "What's Your Name?", wo mal das Gaspedal getreten wird und meine Füße unwillkürlich mitwippen, "Shell Of A Man", mit fast schon funky Piano- und Gitarrenläufen, eine Zeitreise zurück, als der Southernrock noch tanzbar war und "Brighter Side", eine das Album beschließende Akustiknummer, die dem guten Eric King erstaunlich gut zu Gesicht steht und beweist, dass er durchaus ein feines Händchen fürs Songwriting sein eigen nennen darf.
Wer also mal Lust, Zeit und Gelegenheit haben sollte, dem sei das Aufstöbern dieses kleinen, unauffälligen Juwels wärmstens empfohlen!
Spielzeit: 43:49, Medium: CD, Eigenvertrieb
1: Shell Of A Man 2: Shake These Blues 3: What Would You Do? 4: Hind Sight 5: Some Kinda Fix 6: End Of The Line 7: What's Your Name? 8: Take It Slow 9: Long Gone 10: Brighter Side
Olaf "Olli" Oetken, 10.2.2005